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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Hertzka; Heruler; Hervagault; Herve; Hervé

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Hertzka - Hervé.

2) Wilhelm, Philolog und ausgezeichneter Übersetzer, geb. 6. Juni 1813 zu Halberstadt, studierte seit 1831 in Halle und Bonn Philologie, wurde 1858 Direktor der Handelsschule in Bremen, 1866 des dortigen Gymnasiums; starb 7. Juli 1879 daselbst. Sein Hauptwerk ist die Ausgabe des Properz (Halle 1843-45, 4 Bde.). Unter seinen Übersetzungen sind zu erwähnen: "Properz' Gedichte" (Stuttg. 1838); "Babrios' Fabeln, übersetzt in deutschen Choliamben" (Halle 1846); "Ausgewählte Gedichte der römischen Elegiker" (Stuttg. 1855); "Vergils Gedichte" (das. 1859); "Ausgewählte Komödien des Plautus" (das. 1861); "Tennysons Gedichte" (Dess. 1853); "Chaucers Canterbury-Geschichten" (Hildburgh. 1866). Zuletzt gab er "The libell of englishe policye 1436" mit Übersetzung (Leipz. 1878) heraus, zu dem R. Pauli eine geschichtliche Einleitung schrieb.

3) Gustav Friedrich, Geschichtsforscher, geb. 19. Jan. 1826 zu Halle a. S., studierte daselbst und in Leipzig zuerst Theologie und orientalische Sprachen, nachher Geschichte, der er sich dann gänzlich zuwandte. Er habilitierte sich 1851 an der Universität Halle für Geschichte und war außerdem 1850-55 als Lehrer an den Gymnasien der Franckeschen Stiftungen thätig. Zu Anfang des Jahrs 1858 unterbrach er seine akademische Thätigkeit, um bis zum April 1860 in Berlin die Redaktion des "Preußischen Wochenblattes" zu führen. Dann kehrte er als außerordentlicher Professor der Geschichte an die Universität Halle zurück. Seine Hauptschriften sind: "Alkibiades, der Staatsmann und Feldherr" (Halle 1853); "Das Leben des Königs Agesilaos II." (das. 1856); "Die Feldzüge Alexanders d. Gr." (das. 1863, 2 Bde.); "Die Geschichte Griechenlands unter der Herrschaft der Römer" (das. 1866-74, 3 Bde.); "Geschichte Griechenlands von der Urzeit bis zum Beginn des Mittelalters" und "Geschichte Griechenlands im 19. Jahrhundert", beide in Ersch und Grubers Encyklopädie (auch separat, Leipz. 1870); "Geschichte Griechenlands seit dem Absterben des antiken Lebens bis zur Gegenwart" (Gotha 1875-79, 4 Bde.); "Griechische Geschichte" (Halle 1884); "Athen, historisch-topographisch dargestellt" (das. 1885). Er gab auch eine Übersetzung von Duruys "Geschichte der römischen Kaiserzeit" (Leipz. 1885 ff.) heraus. In der Onckenschen "Allgemeinen Geschichte" schrieb er: "Geschichte von Hellas und Rom" (Berl. 1878-79, 2 Bde.), "Geschichte des römischen Kaiserreichs" (das. 1880) und "Geschichte der Byzantiner und des osmanischen Reichs" (das. 1883). Auch in der Groteschen "Allgemeinen Weltgeschichte" (Berl. 1884 ff.) bearbeitete er die Geschichte der Griechen und Römer im Altertum.

Hertzka, Theodor, Nationalökonom und Publizist, geb. 13. Juli 1842 zu Pest, studierte in Wien und Pest, war von 1872 ab Redakteur des volkswirtschaftlichen Teils der "Neuen Freien Presse" zu Wien und übernahm 1879 die Oberleitung der von ihm neugegründeten "Wiener Allgemeinen Zeitung". Von seinen litterarischen Arbeiten sind zu erwähnen die der Freiheit des Aktienwesens gewidmete Broschüre "Die Mängel des österreichischen Aktiengesetzentwurfs" (Wien 1875); "Währung und Handel" (das. 1876), worin er die Goldwährung für Österreich empfahl; "Die Gesetze der Handelspolitik" (Leipz. 1880); "Die Gesetze der sozialen Entwickelung" (das. 1886). In der Schrift "Das Personenporto" (Wien 1885) machte er Vorschläge zur Durchführung eines billigen Einheitstarifs im Personenverkehr der Eisenbahnen. 1874 gründete er im Verein mit einigen Gesinnungsgenossen die Gesellschaft österreichischer Volkswirte.

Heruler (Heruli, Eruli), german. Volk, mit den Sciren, Turcilingern und Rugiern stammverwandt, wird zuerst um die Mitte des 3. Jahrh. genannt. Ursprünglich an der Ostsee seßhaft, wanderten sie nach Süden und beteiligten sich fast an allen Einfällen der Goten in den östlichen Provinzen des römischen Reichs. Mit den Goten standen sie aber damals bloß in einem bundesgenossenschaftlichen Verhältnis, erst der Amaler Hermanrich unterwarf sie in blutiger Schlacht seiner Herrschaft. Beim Einbruch der Hunnen teilten sie das Los der unter Hermanrichs Zepter vereinigten Völker und traten, vereint mit Turcilingern und Rugiern, in Attilas Heer auf. Nach Auflösung des Hunnenreichs gründeten sie an der Donau ein Reich. Wilde Roheit war der Hauptcharakter dieses Volksstammes, der hartnäckig bei seinem alten Glauben beharrte und selbst Menschenopfer darbrachte, auch die Altersschwachen und Kranken zu töten pflegte. Die Hilfstruppen, welche sie den römischen Feldherren schickten, halfen Odoaker 476 das weströmische Kaiserreich stürzen. Ihr König Rodulf schloß mit Theoderich d. Gr. ein Bündnis; sie wurden aber bald von den ihnen zinspflichtigen Langobarden besiegt und ihr Reich zerstört, worauf der Rest des Volkes nach längerm Umherziehen 512 Aufnahme innerhalb der Grenzen des römischen Reichs fand, während eine andre Abteilung nach Skandinavien zog und dort neben den Gauten Sitze einnahm. Jene von den Römern in Unterpannonien angesiedelten H. blieben, obwohl die Kaiser Anastasius und Justinian, unter welch letzterm sie das Christentum aufnahmen, sie öfters züchtigten, ein unbändiges Volk. Als tapfere Krieger leisteten sie jedoch den Byzantinern nicht geringe Dienste, besonders bei Besiegung der Vandalen in Afrika und der Ostgoten in Italien. Sie sowie ihre unabhängig gebliebenen Stammesgenossen tauchen bald hier, bald dort aus dem Völkergewirr der damaligen Zeit empor und verschwinden endlich ganz aus der Geschichte. Vgl. Aschbach, Geschichte der H. und Gepiden (Frankf. 1835).

Hervagault (spr. erwagoh), Jean Marie, betrügerischer Prätendent, s. Ludwig XVII.

Herve, Stadt in der belg. Provinz Lüttich, Arrondissement Verviers, an der Bahn Lüttich-Verviers, im äußerst fruchtbaren, gras- und viehreichen Herveland (880 qkm), hat (1885) 4604 Einw., welche Wollspinnerei, Färberei, Gerberei und Handel mit Butter und Käse betreiben.

Hervé (spr. erwé, eigentlich Florimond Ronger), Dichterkomponist, geb. 30. Juni 1825 zu Houdain bei Arras, erhielt seine musikalische Erziehung an der Kirchengesangschule von St.-Roch in Paris, war dann Organist an verschiedenen Kirchen und debütierte 1848 an der Opéra-National als Komponist eines Intermezzo: "Don Quichotte et Sancho Pança", in welchem er selbst als Darsteller auftrat. In der Folge war er zuerst drei Jahre Orchesterdirigent des Palais Royal-Theaters, bethätigte sich dann als Dichter, Komponist, Sänger und Schauspieler bald an diesem, bald an jenem kleinen Theater von Paris und in der Provinz (selbst das Café chantant verschmähte er nicht) und konzentrierte endlich, eifersüchtig auf die Erfolge Offenbachs, seine ganze Kraft auf das Theater der Folies dramatiques, wo er 1867 mit der von ihm gedichteten und komponierten Posse "L'œil crevé" und zwei Jahre später mit dem "Petit Faust", wozu er jedoch nur die Musik geschrieben, einen großen Erfolg errang. In den 70er Jahren ist er auch in London aufgetreten, jedoch meist als Orchesterdirigent.