134
Hestia – Hetärie
Hestĭa, der 46. Planetoid.
Hestĭa (lat. Vesta), eine alte griech.-italische Göttin des Herd- und Opferfeuers.
In Griechenland wurde ihr bei Kulthandlungen, in den Privathäusern wie in den öffentlichen Heiligtümern, zuerst eine Weihespende dargebracht, sodaß «mit der
H. beginnen» ein sprichwörtlicher Ausdruck für den richtigen Anfang jeder Sache war. Als Erklärung des Brauchs erzählte die Sage, um H., die älteste Tochter
des Kronos und der Rheia, hätten Apollon und Poseidon geworben. Diese aber habe beim Haupte ihres Bruders Zeus geschworen, Jungfrau zu bleiben, worauf ihr
Zeus die Ehre als Vorsteherin der Opfer verliehen habe. Obwohl H. selbst bei Homer nicht genannt wird, so ist doch auch bei ihm schon der Herd des Hauses
ein Zufluchtsort für Schutzflehende. Die Hauptstätten ihrer Verehrung in Griechenland waren die Prytaneien (s. d.).
Darstellungen der H. sind selten, doch ist die gewöhnlich als Vesta Giustiniani bezeichnete Statue im Museo Torlonia zu Rom wahrscheinlich als H. zu
betrachten. Sonst findet sie sich nur auf einigen Vasenbildern und Reliefs; da sie kein ihr allein zukommendes Attribut besitzt, ist oft keine sichere
Entscheidung zu treffen. (S. Vesta.) – Vgl. Preuner, Hestia-Vesta (Tüb. 1864).
Hestiäotis, im Altertum der nordwestliche Teil von Thessalien; die Bewohner hießen Hestiäoten,
Hestiäer oder Hestioten.
Heston and Isleworth (spr. hest’n ännd eilwörth), Distrikt in der engl. Grafschaft Middlesex, im W. von
London, zu dessen Vororten beide Orte gehören, hat (1891) 26271 E. Isleworth liegt unmittelbar am linken Themse-Ufer und ist vorzugsweise Villenort.
Hesychásten (grch., d. h. Ruhende; lat. Quietisten) hießen in der griech.
Kirche die Mönche, die im Gegensatz zu dem Leben des thätigen Gehorsams in den Koinobien (s. d.), durch völlige Ruhe in ihren
Einzelzellen (daher «Ruhende») und durch mystisches Schauen die Vereinigung mit Gott suchten. Die «Ruhenden» zogen sich zu ihrem Zweck in einen einsamen
dunkeln Raum zurück, legten sitzend das Kinn auf die Brust, und nach dem Herzen starrend (daher Omphalopsychoi,
«Nabelseelen» genannt) sprachen sie unter langsamem Atmen und mit strengster Sammlung der Gedanken unausgesetzt das Gebet «Herr Jesu Christe, Sohn Gottes,
erbarme dich meiner!» Durch den ital. Mönch Barlaam, der den Athos besucht hatte, beim Patriarchen in Konstantinopel verklagt, weil sie das Wesen Gottes ins
Irdische herabzögen, wurden sie nach langen Kämpfen auf mehrern Synoden in Konstantinopel (1341 und 1351) als rechtgläubig anerkannt, indem das göttliche
Licht für eine Ausstrahlung, nicht für das Wesen Gottes erklärt wurde. Dadurch gewann der Hesychasmus an Verbreitung und
er hat sich bis heute bei den strengen griech. Mönchen, namentlich in den Koinobien und den Sketen (s. d.) des Athos und dem
Sabaskloster (s. d.) erhalten. – Vgl. Stein, Studien über die H. des 14. Jahrh. (Wien 1874).
Hesychĭus, griech. Grammatiker aus Alexandria, lebte wahrscheinlich im 5. Jahrh. n. Chr. und verfaßte ein
reichhaltiges Lexikon seltener Wörter und Wortformen, das er in der Hauptsache aus einem ähnlichen Werke des Diogenianus entlehnte. Für die Kritik der alten
Autoren sowie für Grammatik und Dialektforschung ist H. von besonderm Werte. Am besten wurde sein Buch bearbeitet von Mor. ↔ Schmidt
(5 Bde., Jena 1857–68; Handausgabe, 2 Tle., ebd. 1864; 2. Aufl. 1867). – Vgl. H. Weber im «Philologus» (Supplement III); O. Immisch in den «Leipziger
Studien für Philologie» (VIII).
Hesychĭus, mit dem Beinamen Illustrius, Historiker aus Milet,
lebte zu Anfang des 6. Jahrh. n. Chr. und verfaßte eine Chronik, welche von den ältesten Zeiten bis auf den Tod des Anastasius reichte, von der aber,
abgesehen von kleinen Fragmenten, nur ein größeres, wiederholt herausgegebenes Bruchstück
«De originibus urbis Constantinopoleos» erhalten ist. Außerdem verfaßte er eine alphabetische Übersicht der
vorzüglichsten griech. Schriftsteller («Onomatologus»), die aber in ihrer ursprünglichen Gestalt nicht mehr vorhanden ist. Das unter dem Namen des H.
vorhandene Werk ist nur eine schlechte Kompilation aus Suidas, der seinerseits seine litteraturgeschichtlichen Biographien allerdings großenteils dem H.
entlehnt hat, und aus Diogenes Laertius. Flach hat den verfehlten Versuch gemacht, das echte Werk des H. wiederherzustellen:
«Hesychii Milesii onomatologi quae supersunt» (Lpz. 1882). Das Fragment der Chronik zusammen mit der dem H.
untergeschobenen Kompilation gaben zuletzt Orelli (Lpz. 1820) und C. Müller im vierten Bande der
«Fragmenta historicorum graecorum» (Par. 1851) heraus.
H. et A. oder H. et Arn., bei
naturwissenschaftlichen Namen Abkürzung für William Jackson Hooker (s. d.) und George
Walker Arnott (s. Arn.).
Hetären (grch., d. h. Freundinnen), bei den Griechen beschönigende Bezeichnung für Buhlerinnen. Solche fanden sich in größerer
Zahl in den Städten, wo viele Fremde zusammenströmten, besonders in Milet, Korinth und Athen. Der Umgang mit H. galt in Griechenland nicht als entehrend.
Da die Bildung und gesellschaftliche Stellung der griech. Frauen durch die Sitte äußerst beschränkt war, wurde es solchen, die sich über die Sitte
hinwegsetzten, leichter, vor jenen durch Geist und Feinheit im Umgang sich auszuzeichnen. So erklärt es sich, daß, wenn man auch von einer Erscheinung wie
Aspasia (s. d.), die neuerdings nicht mehr als Hetäre angesehen wird, absieht, einige H. auch bedeutende Dichter, Philosophen, Redner und
Staatsmänner dauernd zu fesseln wußten, wie Thais, die Geliebte des Ptolemäus Lagi, Lamia, die den Demetrius Poliorketes in ihrer Gewalt hatte, Leontion,
die Geliebte Epikurs u. a. Noch andere wurden durch ihre verführerischen Künste berühmt, wie Lais aus Sicilien in Korinth, oder durch berühmte Künstler
verherrlicht, wie Phryne aus Thespiä in Athen durch Praxiteles. Verhältnisse zu H. bilden den Hauptgegenstand der sog. neuern griech. Komödie; ferner sind
besonders Lucians «Hetärengespräche» und Alciphrons «Hetärenbriefe» zu nennen. F. Jacobs gab in zwei Abhandlungen, «Die hellenischen Frauen» und «Von den
H.», in den «Vermischten Schriften», Bd. 4 (Lpz. 1830), eine feinsinnige und belehrende Schilderung.
Hetärie (grch., d. h. Verein, Genossenschaft von Freunden), im alten Griechenland gemeinsamer Name aller zu irgend einem Zweck
bestehenden Genossenschaften, insbesondere der polit. Klubs. In der Geschichte Neugriechenlands versteht man unter diesem Namen hauptsächlich die
sogenannte H. der Befreundeten (oder Philiker), einen geheimen polit. Bund, der sich 1814 in Odessa bildete und die Befreiung der Griechen vom türk. Joch
bezweckte.
Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 135.