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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Interessenrechnung - Interim.

Charakter beschränkt zu sein. Die politischen Interessen der Landwirtschaft werden namentlich von dem seit 1868 bestehenden Kongreß norddeutscher, später deutscher Landwirte wahrgenommen. Dieser sowie der Landwirtschaftsrat beruhen auf freier Vereinigung. Auch hat man in neuerer Zeit besondere Bauernvereine (s. d.) organisiert. Die Interessen des Handels und der Großindustrie werden durch freie kaufmännische Vereine, durch staatlich organisierte Handelskammern und durch kaufmännische Korporationen wahrgenommen. Die letztern haben die Rechte juristischer Personen, welche den Handelskammern abgehen, aber nicht das Recht, zwangsweise von den Berufsgenossen Steuern einzufordern welches die Gewerbe- und Handelskammern charakterisiert. Aus diesen verschiedenen Vertretungen heraus ist der deutsche Handelstag als eine freie Vereinigung erwachsen. Einzelne Industriezweige haben Vereinigungen gegründet, welche eigne Preßorgane unterhalten und zuweilen über große Geldmittel verfügen, so die Zucker-, Spiritus-, Eisenindustrie. Ein Zentralverband deutscher Industriellen mit schutzzöllnerischen Tendenzen ist seit 1876 in Thätigkeit. Für das Kleingewerbe bestehen besondere Gewerbekammern in Bremen, Hamburg, Leipzig, Lübeck. In Bayern, Württemberg und dem größten Teil von Sachsen bilden die Gewerbekammern einen Teil der Handels- und Gewerbekammern. Dem Innungswesen hat man in letzter Zeit wieder größere Aufmerksamkeit zugewendet, wenn auch die Bestrebungen, förmliche Zwangsinnungen herzustellen, lebhaft bekämpft werden (s. Innungen). Die Gewerkvereine und die Fachvereine sind die Interessenvertretungen des Arbeiterstandes; sie stehen lediglich auf dem allgemeinen Boden des Vereinsrechts und haben keine Art von Vorzug. Der Wunsch nach Arbeiterkammern, die analog wie die Handels- oder Gewerbekammern organisiert werden sollen, ist vielfach laut geworden. Eine Interessenvertretung ist auch der preußische Volkswirtschaftsrat (s. d.). Vgl. v. Kaufmann, Die Vertretung der wirtschaftlichen Interessen in den Staaten Europas (Berl. 1879).

Interessenrechnung, s. Zinsrechnung.

Interessént (lat.), derjenige, welcher an einer Sache ein (rechtliches) Interesse hat; Teilhaber, Beteiligter.

Interessenvertretung, s. Interessenpolitik etc.

Interfaszikulargewebe, in der Pflanzenanatomie das zwischen den Gefäßbündeln der Dikotylen liegende sekundäre Gewebe, das aus den Abschnitten des Kambiumringes zwischen den Gefäßbündeln, dem Interfaszikularkambium, hervorgeht (s. Gefäßbündel). In vielen Fällen besteht das I. nur aus dem Parenchym der Markstrahlen.

Interfaszikularkambium, s. Interfaszikulargewebe.

Interfektion (lat.), Tötung, Totschlag.

Interferénz (lat.), in der Physik die gegenseitige Einwirkung zusammentreffender Wellen. Begegnen sich z. B. auf einer Wasserfläche zwei gleiche Wellensysteme, so wirken sie bei ihrer Durchkreuzung derart aufeinander ein, daß an allen Stellen, wo die Wellenberge des einen Systems mit den Wellenbergen des andern zusammentreffen, das Wasser zu doppelter Höhe erhoben, an den Stellen, wo zwei Wellenthäler zusammenkommen, zu doppelter Tiefe hinabgedrückt und dort, wo je ein Wellenberg mit einem Wellenthal zusammenfällt, auf sein ursprüngliches Niveau, das es im Ruhezustand einnahm, zurückgeführt wird. An diesen letztern Stellen heben sich also die beiden Wellenbewegungen gegenseitig auf, an jenen dagegen unterstützen und verstärken sie sich. Ebenso wie zwei Wasserwellen wirken auch zwei Schallwellen oder zwei Lichtwellen aufeinander, indem sie sich an den Stellen, wo sie mit entgegengesetzten Schwingungsrichtungen zusammentreffen, gegenseitig vernichten, so daß zwei Schallwellen daselbst Stille, zwei Lichtwellen Dunkelheit hervorbringen. Gehen die beiden Wellenbewegungen von ihren Mittelpunkten gleichzeitig aus, so liegen die Punkte, in welchen Verstärkung eintritt, so, daß die von den Mittelpunkten nach ihnen hingehenden Strahlen gleiche Wege oder solche Wege zurückzulegen haben, welche um eine Anzahl ganzer Wellenlängen verschieden sind; Vernichtung dagegen findet in jenen Punkten statt, wo die Strahlen mit einem Wegunterschied von einer halben Wellenlänge oder überhaupt einer ungeraden Anzahl halber Wellenlängen eintreffen. Namentlich in der Lehre vom Licht spielt die I. eine wichtige Rolle und gibt Anlaß zu zierlichen Erscheinungen, in welchen die Stellen gegenseitiger Verstärkung und Vernichtung als abwechselnd helle und dunkle Streifen oder Ringe gesehen werden. (Vgl. die Artikel "Beugung des Lichts", "Fresnels Spiegelversuch", "Newtonsche Farbenringe", "Polarisation [chromatische]", "Schall", "Wellenbewegung".)

In tergo (lat.), auf dem Rücken, auf der Rückseite.

Intérieur (franz., spr. ängteriör), das Innere; in der Malerei s. v. w. Innenansicht, Bild vom Innern eines Zimmers oder Gebäudes; kam als besonderes Fach der Malerei erst bei den Niederländern gegen Ende des 16. Jahrh. in Aufnahme (durch H. van Steenwyck, P. Neeffs den ältern u. a.).

Interim (lat., "einstweilen"), Bezeichnung für die einstweilige Regelung kirchlicher oder politischer Zustände, welche so lange gilt, bis sie endgültig geordnet wird. Insbesondere versteht man darunter drei Versuche einer einstweiligen Ausgleichung in Religionssachen, welche unter der Regierung Kaiser Karls V. in Deutschland zwischen Katholiken und Protestanten bis zum Entscheid einer allgemeinen Kirchenversammlung gemacht wurden. Das erste derselben war das Regensburger I. von 1541, der wahrscheinlich von Bucer in lateinischer Sprache abgefaßte Entwurf einer Vereinbarung über die kirchlichen Streitfragen, welcher dem Regensburger Religionsgespräch und auch dem Reichstagsabschied zu Grunde gelegt wurde; der letztere bestimmte, daß die Evangelischen bis zum Zusammentritt des Konzils nicht über und wider die verglichenen Artikel hinausgehen sollten; die wesentlichsten Punkte der Reformation waren in den Artikeln zugestanden. Durch das zweite, das Augsburger I. vom Jahr 1548, versuchte Kaiser Karl V. die damals eben im Schmalkaldischen Krieg mit Waffengewalt besiegten Protestanten zur Unterwerfung unter die alte Kirche zu bewegen; es sollte ihnen eine Glaubensnorm gegeben werden, nach der sie einstweilen sich zu richten hätten, mit einigen Konzessionen an ihre kirchliche Einrichtung, die den Rücktritt in die katholische Kirche ihnen erleichtern sollten. Zur Formulierung dieser einstweiligen Norm berief Kaiser Karl V. den Naumburger Bischof Johann v. Pflugk, den Mainzer Weihbischof Michael Helding (Sidonius) und den Brandenburger Hofprediger Johann Agricola. Die drei Männer verfaßten das zweite I., welches aus 26 Artikeln bestand und den Titel führte: "Der Römisch-kaiserlichen Majestät Erklärung, wie es der Religion halben im heiligen Reich bis zum Austrag des allgemeinen Concilii gehalten werden soll". Dasselbe enthielt im wesentlichen die Lehre des Katholizismus; es berücksichtigte die Forderung der Protestan-^[folgende Seite]