Schnellsuche:

Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Jesuitennuß; Jesuitenporzellan; Jesuitenschulen; Jesuitenstil; Jesuitenthee; Jesuitinnen; Jesus Christus

212

Jesuitennuß - Jesus Christus.

schen Bund hatte der Orden in Frankreich und Österreich zum Kriege geschürt. Dann suchte er in steigendem Maß bei den Wahlen, in der Volksvertretung und im kirchlichen und bürgerlichen Gemeinwesen seine antinationalen und staatsfeindlichen Zwecke zu fördern, was um so gefahrdrohender erschien, als seit der Unterwerfung der deutschen Bischöfe unter die vatikanischen Dekrete auch die übrige katholische Geistlichkeit, selbst wo sie den J. durchaus nicht günstig gestimmt war, sich den Zielen des Ordens dienstbar hatte machen lassen. Unter diesen Verhältnissen schien ihre Ausweisung Pflicht der Selbsterhaltung, sie erfolgte durch das Reichsgesetz vom 4. Juli 1872. Bezüglich der Machtmittel, über welche die J. in diesem Zeitpunkt verfügten, teilt der "Catalogus provinciae austriaco-hungaricae" (1872, S. 1) mit, daß der Orden Jesu Anfang 1871 in 22 Provinzen: der englischen, aragonischen, österreichisch-ungarischen, belgischen, kastilischen, galizischen, deutschen, irländischen, Lyoner, mexikanischen, neapolitanischen, niederländischen, römischen, sizilischen und venezianischen, dann der von Champagne, Francia, Maryland, Missouri, New York, Turin und Toulouse benannten, oder in den fünf Assistenzen: Italien, Deutschland, Frankreich, Spanien und England, zusammen 8809 Mitglieder zählte. Die Assistenz England ist zusammengesetzt aus den Provinzen England (und Kanada), Irland, Maryland-New York und Missouri; die Assistenz Deutschland aus der deutschen, österreichisch-ungarischen, galizischen, belgischen und holländischen Provinz; die Assistenz Frankreich aus den Provinzen Champagne, Francia, Lyon, Toulouse. Zur Assistenz Spanien gehört auch die Provinz Mexiko. Im J. 1880 zählte der Catalogus Societatis Jesu 10,521 J., darunter 4859 Priester, auf. Die größte Zahl der J. kommt auf die Provinzen Kastilien (909) und Deutschland (852). Im J. 1841 gab es überhaupt nur 3563 J., ihre Zahl hat sich also seither verdreifacht. Neuerdings hat Leo XIII. das Werk Pius' VII. gekrönt, indem er 1886 dem Orden auch alle seine vor der Auflösung besessenen Vorrechte zurückgab. Vgl. außer den Schriften über die Geschichte der J. von de Pradt, Jordan, Duller, Kortüm, Crétineau-Joly, Laurent u. a.: Agricola, Historia provinciae Societatis Jesu Germaniae (Münch. 1727-54); "Corpus institutorum Societatis Jesu" (Prag 1757, 2 Bde.); Wolf, Allgemeine Geschichte der J. (Leipz. 1803, 4 Bde.); Lang, Geschichte der J. in Bayern (Nürnb. 1819); Sugenheim, Geschichte der J. in Deutschland (Frankf. a. M. 1847, 2 Bde.); Hoffmann, Geschichte und System des Jesuitenordens (Mannh. 1870); Thelemann, Der Jesuitenorden nach seiner Geschichte und seinen Grundsätzen (2. Aufl., Detm. 1873); Weicker, Das Schulwesen der J. (Halle 1863); Kelle, Die Jesuitengymnasien in Österreich (Münch. 1876); Bluntschli, Rom und die deutschen J. (Berl. 1872); v. Schulte, Die neuern katholischen Orden und Kongregationen (das. 1872); Zirngiebl, Studien über das Institut der Gesellschaft Jesu (Leipz. 1870); Huber, Der Jesuitenorden nach seiner Verfassung und Doktrin, Wirksamkeit und Geschichte (Berl. 1873); außerdem Ranke, Die römischen Päpste in den letzten vier Jahrhunderten (8. Aufl., Leipz. 1885, 3 Bde.); Carayon, Bibliographie historique de la Compagnie de Jésus (Par. 1864); Sommervogel, Dictionnaire des ouvrages anonymes et pseudonymes publié par des religieux de la Compagnie de Jésus (das. 1884, 2 Bde.).

Jesuitennuß, s. Trapa.

Jesuitenporzellan, japan. Porzellan aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrh., welches auf Veranlassung der jesuitischen Missionäre mit Madonnen, Heiligenbildern, christlichen Emblemen etc. dekoriert wurde. Nach der Vertreibung der Jesuiten wurde das J. überall zerstört, so daß es gegenwärtig zu einer keramischen Seltenheit geworden ist.

Jesuitenschulen, s. Jesuiten (S. 208), Pädagogik.

Jesuitenstil, der ausgeartete Barockstil, den die Jesuiten seit dem 17. Jahrh. auf Grund der Bestrebungen von Borromini und Pozzo in ihren Kirchenbauten befolgten, und der sich durch Emanzipation der Form von der Konstruktion, durch regellose Überladung in der Dekoration, durch Effekthascherei in der Komposition des Ganzen charakterisiert, wodurch eine die Sinne berauschende Wirkung zur Erreichung der Ordenszwecke beabsichtigt war.

Jesuitenthee, s. Chenopodium.

Jesuitinnen. Unter diesem Namen finden sich mehrere Verbindungen von Nonnen. Die erste, die im Anschluß an den Jesuitenorden einen weiblichen Verein gründen wollte, war eine Frau in Barcelona, Isabella von Rossella, die während des Aufenthalts Loyolas in Barcelona dessen Wohlthäterin geworden war und mit zwei andern Frauen in Rom von Paul III. trotz Loyolas Widerstreben eine Bulle erwirkte, welche sie der geistlichen Leitung desselben übergab. 1549 erwirkte jedoch Loyola für seinen Orden das Privilegium, nie mit der Leitung von Nonnen beauftragt zu werden. Als sich dann im 17. Jahrh. ohne päpstliche Genehmigung in Deutschland und Italien ein Jesuitinnenverein unter einer eignen Generalin gebildet, wurde er 1631 von Urban VIII. aufgelöst. Auch der Orden der Klostertöchter Unsrer Lieben Frau, die sich an die Regel der Jesuiten angeschlossen und 1607 die päpstliche Bestätigung erhielten, führte den Namen der J., verlor denselben aber durch seine Zuteilung zum Benediktinerorden.

Jesus Christus, der Stifter der christlichen Religion. Der Doppelname beruht auf einer erstmalig bei Paulus begegnenden Kombination des Personennamens (Jeschua, später verkürzte Form für Jehoschua, Josua, "Gott hilft") mit dem Amtsnamen Christus. Die Kombination selbst aber beruht auf dem Urteil, welches das älteste Bekenntnis der christlichen Gemeinde darstellt: "Jesus ist der Christus", d. h. in dieser bestimmten Persönlichkeit haben sich die messianischen Weissagungen und Hoffnungen erfüllt. Die Idee vom Messias (s. d.) selbst aber ist das ausschließliche Eigentum und Erbe des jüdischen Volkes gewesen. Während die Mythologie andrer Völker die sozialen und politischen Ideale in Gestalt eines goldenen Zeitalters an den Anfang der Geschichte verlegt, überträgt der seiner menschheitlichen Mission sich bewußte monotheistische Gottesglaube Israels dieselben in die letzte Zukunft, von der Vergangenheit, insonderheit der Davidschen, nur das phantasiemäßige Kolorit entlehnend. Ein neuer David, welcher die vom alten Gotteshelden ins Werk gesetzte Herrschaft des auserwählten Volkes über die Völker der Erde vollenden und den Dienst des Einen Gottes zur Weltreligion erheben sollte, wurde in demselben Maß mit glühender Sehnsucht erhofft und erbeten, wie die äußern Verhältnisse des jüdischen Staats immer ärmlicher und kläglicher, der Abstand zwischen dem, was die Vergangenheit versprochen, und dem, was die Gegenwart gehalten hatte, immer weiter und trostloser wurde. Seit den Tagen des Exils hatte das jüdische Volk nacheinander persische, ägyp-^[folgende Seite]