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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Johanna d'Albret; Johannes

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Johanna d'Albret - Johannes.

seiner Ordination auf eine Art Nachtstuhl (sella stercoraria) setzen, um von einem der jüngsten Diakonen sein Geschlecht prüfen zu lassen. Dieser machte sodann das günstige Resultat mit dem dreimaligen Ausruf "Habet!" bekannt, worauf Klerisei und Volk mit einem frohlockenden "Deo gratias!" antworteten. Diese Erzählung, die zuerst Marianus Scotus (gest. 1083) in seinem "Chronicon", ausgeschmückter dann Sigbert von Gembloux (gest. 1113), am vollständigsten Martin Polonus (gest. 1278) mitteilte, galt bis in das 16. Jahrh. als historische Wahrheit, bis David Blondel 1649 ihren Ungrund darlegte. Es ist geschichtlich bewiesen, daß auf Leo IV. unmittelbar Benedikt III. folgte. Die Sage ist wohl eine Satire auf das Weiberregiment (Pornokratie), welches in Rom herrschte, als die Päpste Johann X. bis Johann XII. (914-963) den päpstlichen Stuhl innehatten. Sie lieferte den Stoff zu einem der ältesten und berühmtesten deutschen Dramen, zu Th. Schernbecks "Ein schön Spiel von Fraw Jutten" (1480, gedruckt Eisleb. 1565); in der Neuzeit dichtete Achim von Arnim ein Schauspiel: "Die Päpstin J." (1823). Das Vorhandensein der sella stercoraria ist allerdings erwiesen, aber auch ihr Zweck. Wenn nämlich ein Kardinal zum Papst erwählt wurde, setzte man ihn zuerst auf diesen Stuhl, und während er von ihm aufstand und sich auf einen andern, prächtigen Sessel niederließ, sang man die Worte: "Suscitat de pulvere egenum et de stercore erigit pauperem" (Ps. 103, 7. 8). Der Gebrauch kam im 16. Jahrh. ab. Vgl. Döllinger, Die Papstfabeln des Mittelalters (Münch. 1863).

Johanna d'Albret (Jeanne d'Albret), einzige Tochter und Erbin Heinrichs II. von Navarra und Béarn, aus dem Haus Albret, welches seit 1494 das Königreich Navarra durch Heirat besaß, und Margaretes von Valois, Schwester Franz' I., geb. 7. Jan. 1528, zeigte, trefflich erzogen, in den schwierigsten Lagen männlichen und kühnen Sinn, regierte segensreich und trat eifrig für ihren reformierten Glauben ein. 1548 vermählte sie sich mit Anton von Bourbon, Herzog von Vendôme, der ihr weder an Charakter noch an Geist ebenbürtig war. Sie gebar ihm 1553 den spätern König Heinrich IV. Durch den Tod ihres Vaters ward sie 1555 nebst ihrem Gemahl Anton, seit dessen Tod 1562 allein Herrscherin des kleinen Königreichs Navarra, das sie mit Kraft und Weisheit regierte, und wo sie die Reformation einführte. Vortrefflich erzog sie ihren Sohn für seinen künftigen Beruf. Unter den Hugenotten besaß sie großen Einfluß und brachte in den Hugenottenkriegen große Opfer. 1572 wegen der beabsichtigten Vermählung ihres Sohns mit Margarete von Valois an den Hof berufen, starb sie zwei Monate vor der Bartholomäusnacht, wahrscheinlich durch Gift, 9. Juni 1572 in Paris. Vgl. Freer, Life of Jeanne d'Albret (2. Aufl., Lond. 1861); kleinere Biographien von Pressel (Berl. 1868) u. Arndt (Leipz. 1875); Ruble, Le mariage de Jeanne d'Albret (Par. 1877); Derselbe, Antoine de Bourbon et Jeanne d'Albret (das. 1881-86, 4 Bde.); "Tagebuch Susannens, Baronin von Albret-Miossens, aus den Jahren 1548-1572" (hrsg. von Wackerhagen, Brem. 1884, die Lebensgeschichte der J. enthaltend).

Johannes, portugies. Münze, s. Portugalöser.

Johannes (Johann, hebr. Jehochanán, griech. Ioannes), 1) J. der Täufer, eine von der christlichen Sage schon früh mit Vorliebe erfaßte und in möglichst nahe Beziehung zu Jesus von Nazareth gebrachte, nichtsdestoweniger aber wahrhaft geschichtliche Gestalt. Er trat in der asketischen Lebensweise der alten Propheten auf und zwar in der Wüste Juda und am untern Jordan, sammelte Jünger um sich, verkündigte die Nähe des von den Propheten geweissagten Reichs Gottes, aber so, daß er als Vorbedingung für dessen Kommen Buße und Bekehrung forderte und der Verpflichtung dazu durch das Symbol der Wassertaufe im Jordan Ausdruck gab. Auch auf Jesus Christus (s. d.) übte J. einen tiefgehenden Einfluß aus, wie ihn jener denn auch geradezu für seinen Vorläufer erklärte, in dessen tragischem Ende er die Weissagung des eignen Geschicks erkannte (Matth. 17, 11 f.; Mark. 9, 12 f.). Dieses Ende bringen die Evangelien mit der bekannten Geschichte von Herodias in Verbindung. Anders berichtet Josephus (Ant., XVIII, 5, 2) den Hergang, indem er als Motiv der Enthauptung des J. auf der Bergfestung Machärus (34 n. Chr.) die Furcht vor der durch seine Reichspredigt hervorgerufenen Volksbewegung angibt, welch letztere leicht zu einer Umwälzung hätte führen können. Vgl. Köhler, Johannes der Täufer (Halle 1884).

2) J. der Apostel, einer der Vertrauten Jesu, Sohn eines Fischers, Zebedäus, und der Salome, Bruder des ältern Jacobus, trieb das Gewerbe seines Vaters am See Genezareth und gehörte zu den Erstberufenen in Jesu Nachfolgerschaft. Die synoptischen Evangelien schildern ihn und seinen Bruder als heftige, ehrgeizige, sogar zur Gewaltthat neigende "Donnerskinder", während das seinen Namen tragende vierte Evangelium in ihm den sanften und treuen Lieblingsjünger sieht, welcher selbst beim Tod Jesu in dessen Nähe ausharrt und von dem sterbenden Meister die Weisung empfängt, sich der Mutter desselben als Sohn anzunehmen. Nach Jesu Hinscheiden ging er auf kurze Zeit nach Samaria und hielt sich dann wieder in Jerusalem auf, wo er zu den "Säulen der Gemeinde", zu den Autoritäten der judenchristlichen Richtung gerechnet ward. Der spätern kirchlichen, besonders kleinasiatischen Sage zufolge soll er nach Kleinasien übergesiedelt sein und von Ephesos aus eine oberhirtliche Thätigkeit entfaltet haben. Daß er unter Domitian auf die Insel Patmos verwiesen worden und unter Nerva zurückgekehrt sei, beruht auf Offenb. 1, 9 und hängt zusammen mit der Annahme, daß der Verfasser der Apokalypse mit dem Jünger Jesu identisch sei. Aber sowohl diese Annahme als auch überhaupt die Tradition von dem ephesinischen Aufenthalt eines Zwölfapostels haben in neuer Zeit starke Anfechtung erfahren, und man wollte in der judenchristlichen Autorität, welche nach den Zeiten des Apostels Paulus in Ephesos unter dem Namen J. auftritt und wahrscheinlich in der Apokalypse sich bezeugt, sogar einen andern J. finden, welchen der gegen 150 schreibende Papias den "Presbyter J." nennt. Dann wären auf diesen J. auch die kirchlichen Zeugnisse zu beziehen, denen zufolge der Apostel zu Ephesos als der letzte der Apostel während der Regierung Trajans eines natürlichen Todes gestorben sein soll. Im Verlauf der zweiten Hälfte des 2. Jahrh. konsolidiert sich diese Form der Johanneslegende, und die spätere Kirche hat sie noch mehr ausgeschmückt. In der katholischen Kirche ist der 27. Dezember sein Gedächtnistag. Den Namen des Apostels J., als des Verfassers, tragen in unserm neutestamentlichen Kanon ein Evangelium, drei Briefe und eine prophetische Schrift, die Apokalypse oder Offenbarung des J. Das Evangelium des J. unterscheidet sich wesentlich von den drei ältern Evangelien. Es gibt in gro-^[folgende Seite]