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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Kapitäl - Kapitalsteuer.

lichen und gesellschaftlichen Lebens durch die Besitzer von Leihkapital (Schuldtitel mit Einschluß der Aktien), überhaupt durch Kapitalisten im engern Sinn, im Gegensatz zu den Interessen des Grundbesitzes und des kleinen Handels- und Gewerbestandes. Der Verwechselung der Begriffe Kapitalbesitz und Kapitalobjekt sind viele Mißverständnisse, zumal hinsichtlich der Entstehungsweise des Kapitals, entsprungen. Das gesamte volkswirtschaftliche K. als Summe aller Hilfsmittel der Produktion kann sich nur bilden und vermehren auf dem Weg der Erzeugung und zwar solcher Güter, welche als Kapitalien ihre Verwendung finden. Eine solche Kapitalisierung schließt den Begriff des Sparens auch vom volkswirtschaftlichen Standpunkt aus in sich. Denn es wird der Produktion eine solche Richtung gegeben, daß im ganzen weniger Genußmittel erzeugt und weniger persönliche Dienstleistungen während der Kapitalbildung verrichtet werden, als ohne die letztere möglich sein würde. Der Kapitalbesitz, insbesondere der private Kapitalbesitz, kann sich vergrößern durch produktive Thätigkeit seines Inhabers, ebenso aber auch ohne eine solche durch günstige Gestaltung der Konjunkturen. Die private Kapitalisierung erfolgt entweder durch Fixierung oder durch Umwandlung in Geld und bei genügend entwickeltem Kreditsystem in zinstragende Forderungsrechte. Sie ist im letztern Fall nicht immer einer Mehrung des volkswirtschaftlichen Kapitals gleichbedeutend, sondern nur wenn der Schuldner die ihm überlieferten ökonomischen Machtmittel wirtschaftlich als K. verwendet. Dies ist, da heute der Produktivkredit den Konsumtivkredit überwiegt, meist der Fall. Insofern kann man sagen, daß die genannte Art der Kapitalisierung nicht allein die Wirkung privaten Sparens ist, indem auf Genüsse, die augenblicklich hätten erzielt werden können, zu gunsten eines zukünftigen Konsums oder auch im Interesse einer Erhöhung der ökonomischen Machtstellung verzichtet wurde, sondern daß sie auch eine Vergrößerung des volkswirtschaftlichen Kapitals zur Folge hat. Aus diesem Grund ist die K. bildende Ersparung von großer Wichtigkeit für den Einzelnen wie auch für die Gesamtheit. Der Trieb zum Sparen ist bedingt durch die Möglichkeit einer vorteilhaften Anlegung des Ersparten (Kassen, gesunder Kredit), durch die Gewißheit, seinen Zweck zu erreichen (Rechtssicherheit), durch die Notwendigkeit, späterer Not vorzubeugen (Familie), durch den Stand der intellektuellen und moralischen Bildung, Volkscharakter, Sitte, religiöse Anschauungen, Familiensinn, Verantwortlichkeitsgefühl etc. Vgl. Umpfenbach, Das K. in seiner Kulturbedeutung (Würzb. 1879).

Kapitäl (Kapital, lat. capitellum, "Köpfchen"), der oberste Teil einer Säule, der Säulenkopf oder Säulenknauf, welcher aus statischen Gründen etwas über den Säulenschaft vorspringt und im ästhetischen Sinn außer der Scheidung des Kopfes vom Schafte der Säule die Funktion der Vermittelung der letztern mit dem von der Säule getragenen Gebälk oder Gewölbe hat und je nach dem Stil, welchem die Säule angehört, verschieden ausgebildet ist (s. Säule, mit Tafel "Säulenordnungen", und Baustil). - In der Buchbinderei heißt K. der mit Seide oder Zwirn bestochene, oben und unten am Rande des Rückens angeleimte Streifen Pergament oder Band.

Kapitälchen, Buchstaben aus der Antiqua (der lateinischen Schrift), die zwar von der Form der Versalien (Anfangsbuchstaben), aber nur von der Größe der gewöhnlichen (Gemeinen) sind, meist mit Benutzung eines Versalbuchstabens, z. B. F_{RANKLIN} ^[Fʀ.ɴ.ʟɪɴ].

Kapitale (franz. capitale, "Hauptlinie"), in der Befestigungskunst die gerade Linie, welche einen ausspringenden Winkel halbiert. Da der Raum im Vorterrain, vor einem ausspringenden Winkel am schwächsten verteidigt ist, geht man beim Angriff gegen ein Festungswerk meist auf der K. vor (s. Festungskrieg).

Kapitalgewinn, im allgemeinen der Gewinn, welcher aus einem Kapital (s. d.) durch Verleihung in Form von Zinsen (s. d.) oder bei eigner Verwendung gezogen wird. Im letztern Fall wäre er erst von andern Beträgen abzuscheiden, indem vom Gesamtertrag die Kosten und auch diejenigen Summen in Abzug kommen, welche der persönlichen Arbeit des Unternehmers gutzuschreiben sind. Als reiner K. ist im Gegensatz zum Unternehmergewinn (s. d.) die Summe zu betrachten, welche lediglich auf Grund des Kapitalbesitzes bei Verwendung fremder Kräfte gezogen wird (z. B. Dividenden der Aktien). Die Leihzinsen umfassen nicht immer den vollen K., da der Entleiher mit Hilfe der geliehenen Summen noch einen höhern Gewinn als den schuldigen Zins erzielen kann.

Kapitalisierung, Kapitalist, s. Kapital.

Kapitalkonto, in der Buchhaltung dasjenige Konto, welches das Geschäftsvermögen, bez. den Inhaber des Geschäfts darstellt; vgl. Buchhaltung, S. 565.

Kapitalrente, die Rente, welche ein Kapital, insbesondere ein Geldkapital, abwirft, demnach auch s. v. w. Kapitalzins; vgl. Kapital und Zins.

Kapitalrentensteuer (Zinsrentensteuer), eine Steuer, welche das aus Leihkapitalien fließende Einkommen trifft. Dieselbe bildet, wie in Baden, Bayern, ein Glied des Ertragssteuersystems oder, wie in England, einen Zweig der Einkommensteuer. Als besondere Steuerart ist sie grundsätzlich überall da gerechtfertigt, wo die Erträge andrer Einkommenquellen besteuert werden, ohne daß dabei die Zinsen aus Leihkapitalien genügend mit erfaßt werden. Bei unsrer heutigen Kreditentwickelung verspricht die K. auch große Erträge. Allerdings leidet sie an dem Übelstand, daß viele Steuerobjekte schwer nachzuweisen sind. Dies gilt selbst von bekannten Schulden von Gesellschaften, Gemeinden, des Staats, wenn die Zinsen nicht bei dem Schuldner, sondern bei dem Gläubiger erfaßt werden sollen. In diesem Fall muß man sich auf Anzeigepflicht des Gläubigers und dessen Steuererklärung verlassen, die insbesondere bei etwanigem Erbgang zu kontrollieren wäre. Ferner bereiten die Beziehungen zwischen Ertragssteuern und K. Schwierigkeiten. Trifft man durch jene den gesamten Reinertrag, indem man dem Schuldner überläßt, dem Gläubiger die ihn treffenden Steuern bei der Zinszahlung in Abzug zu bringen, so müßten die betreffenden Steuerobjekte bei der K. außer Betracht bleiben. In Ländern, wo eine allgemeine Einkommensteuer besteht (Preußen), würde die K. ebenso wie die Lohnsteuer als Doppelbesteuerung empfunden, und man verzichtet deshalb auf ihre Aufnahme unter die Ertragssteuern, was freilich wieder viele Steuerungleichheiten zur Folge hat.

Kapitalsteuer. Unter derselben läßt sich sowohl eine partielle Vermögenssteuer (s. d.), d. h. eine solche verstehen, welche den werbenden Teil des Vermögens trifft, als auch eine Kapitalrentensteuer, für welche nur das Kapital als Bemessungsgrundlage dient, sei es, um durch Bildung von Steuerkapitalien die Durchführung eines progressiven Steuerfußes zu erleichtern, sei es, weil das Kapital leichter zu erkennen und zu bemessen ist als dessen Ertrag. Die Steuer ist dann nur eine nominelle K.