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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Kasteiung - Kastilien.

Kasten bereits als verunreinigend. Infolge der durch Jahrtausende fortgesetzten Abschließung sollen in manchen Fällen innerhalb der einzelnen Kasten ethnologische Merkmale, Rasseneigentümlichkeiten u. dgl. bewahrt worden sein, so daß die Angehörigen derselben beinahe an die körperlich verschiedenen Kasten gesellig lebender Insekten (Ameisen und Termiten) erinnern, deren Zahl mitunter auf 5-10 (Königinnen, Krieger, Arbeiter, Aufseher, Männchen etc.) steigt. Die strengen Abschließungsverhältnisse ehemaliger Kasten haben sich in den Kulturländern meist bis zum Verschwinden gemildert, obwohl in Erbständen u. Adelsvorrechten noch ein Nachklang jener alten Staatseinrichtungen gefunden werden kann. Über Einzelheiten s. Ägypten, Ostindien etc.

Kasteiung (im 16. Jahrh. noch Kestigung, v. lat. castigatio, "Züchtigung"), Bezeichnung für freiwillige Entbehrungen und Leiden, die man zur Beschränkung der Sinnlichkeit übernommen; vgl. Buße und Fasten.

Kastel, 1) (Castellum Trajani, auch Kassel) Stadt in der hess. Provinz Rheinhessen, rechts am Rhein und an der Linie Frankfurt a. M.-Wetzlar-Lollar der Preußischen Staatsbahn, Mainz gegenüber und mit diesem durch eine feste Straßenbrücke verbunden, bildet einen Teil dieser Festung, hat Portlandzement-, künstliche Dünger- und Gelatinefabrikation, Wein- und bedeutenden Holzhandel und (1885) mit Garnison (ein Pionierbat. Nr. 11, 2 Feldartillerieabteilungen Nr. 11 und ein Füsilierbat. Nr. 87) 7060 meist kath. Einwohner. Vgl. Mainz. - 2) Flecken, s. Kastl.

Kastell (lat., Diminutiv von castrum, "kleines Fort"), bei den Römern Name der in längern Befestigungslinien mit gewissen Zwischenräumen angelegten, meist viereckigen Schanzen, welche als Stützpunkte der Verteidigung dienten. Später bildeten sie in den eroberten Provinzen an den Heerstraßen in Mauerwerk ausgeführte kleinere, permanente Befestigungen, und im 3. Jahrh. wurden sie erweitert zu Waffenplätzen mit stehender Garnison, aus denen sich die deutschen Burgen entwickelten. Die zahlreichsten Überreste römischer Kastelle finden sich in den Rheinlanden.

Kastellan (lat. castellanus), im Mittelalter Bezeichnung desjenigen, dem eine Burg (castellum) zur Verteidigung überwiesen war. Er stand entweder unter dem Fürsten unmittelbar, oder unter einem Herzog; später änderte sich der Titel in Burggraf um. In Flandern und Frankreich waren die Kastellane (Châtelains) zugleich militärische Befehlshaber u. Staatszivilbeamte, welche über gewisse Bezirke gesetzt waren. Die Kastellane in Polen hatten ursprünglich die Aufsicht über die Burgen (grody) und die Gerichtsbarkeit; später befehligten sie bei allgemeiner Bewaffnung die Mannschaften ihrer Kreise. Seit dem 16. Jahrh. bildeten sie nebst den Woiwoden und Bischöfen den Senat oder die obere legislative Kammer (s. Polen). Jetzt ist K. Titel des Aufsehers über ein fürstliches Schloß oder ein andres öffentliches Gebäude, der in der Regel die Befugnis hat, den Fremden die Merkwürdigkeiten eines solchen zu zeigen.

Kastellaneiverfassung, die in Polen durch Boleslaw Chrobry (992-1025), den eigentlichen Schöpfer des Polenreichs, gegründete und den Grund der spätern Verwaltung des Reichs bildende Verfassung. Es wurden in den einzelnen Kreisen fürstliche Höfe und Burgen errichtet, wo die königlichen Beamten Recht sprachen, den Heerbann ordneten und ins Feld führten und die königlichem Güter und Einkünfte verwalteten. Diese Beamten hießen Kastellane und standen an der Spitze der sogen. Szlachta, d. h. der freien, adligen Grundbesitzer, welche für die eigentliche polnische Nation galten.

Kastellaun, Flecken im preußischen Regierungsbezirk Koblenz, Kreis Simmern, auf dem Hunsrück, 405 m ü. M., hat eine Burgruine, eine Simultankirche, ein Amtsgericht, eine Oberförsterei, besuchte Märkte und (1885) 1302 meist evang. Einwohner. K. entstand aus einer römischen Kolonie, war im 13. Jahrh. Residenz einer Nebenlinie der Grafen von Sponheim und wurde 1689 von den Franzosen niedergebrannt.

Kasten, Mehrzahl von Kaste (s. d.).

Kästen (Kesten) s. v. w. Kastanien; daher Kästenbaum oder Kastanienbaum (s. d.).

Kastenblau (Schilderblau), mit Hilfe von Realgar in der Kattundruckerei erzeugtes Indigblau; s. Zeugdruckerei.

Kastenfassung, diejenige Fassung der Edelsteine, bei welcher der sie umschließende Ring mit einem Boden (Kasten) versehen ist, welcher eine Metallunterlage für sie bildet, die man noch häufig mit einer Folie bedeckt, um die Farbe und Wirkung des Steins zu erhöhen, wogegen bei der à jour-Fassung der den Edelstein haltende Ring denselben auch nach unten frei erscheinen läßt.

Kastengeist (Kastenwesen), mit Bezug auf die indischen Kasten (s. Kaste) das auf strenge Absonderung und Abschließung der Stände gegeneinander gerichtete Streben.

Kastenguß, s. Eisengießerei, S. 473.

Kastengüter, veraltete Bezeichnung für Güter, die zum Kirchenvermögen ("Kirchenkasten") gehörten und durch sogen. Kastenherren, Kastenmeister, Kastenvögte, Kastenschreiber verwaltet wurden.

Kastenkünste, in der Maschinentechnik, s. Paternosterwerke.

Kastigation (lat.), Züchtigung; Kastigator, Züchtiger, Tadler, Verbesserer; kastigieren, reinigen, verbessern.

Kastilien (span. Castilla), ein Teil Zentralspaniens, der durch eine Gebirgskette (s. Kastilisches Scheidegebirge) in die ehemaligen Provinzen oder Königreiche Altkastilien (nördlicher Teil) und Neukastilien (südlicher Teil) geschieden wird. Altkastilien (Castilla la vieja) umfaßt die größere Hälfte des nördlichen Tafellandes, die nördliche Hälfte des Iberischen und die westliche Hälfte des Kantabrischen Gebirges samt dem entsprechenden Teil der Nordküste, grenzt gegen N. an das Atlantische (Kantabrische) Meer, gegen O. und NO. an Viscaya, Alava, Navarra und Aragonien, gegen S. an Neukastilien und Estremadura, gegen W. an Leon und Asturien und zerfällt in die acht Provinzen: Palencia, Valladolid, Avila, Segovia, Soria, Burgos, Logrono und Santander (Genaueres s. d.). Der Flächeninhalt beträgt 65,807 qkm (1195 QM.). Die Bevölkerung zählt (1878) 1,654,495 Einw. Die hervorspringenden Züge des kastilischen Charakters sind ein unbegrenzter Stolz, Ehrenhaftigkeit, Aufrichtigkeit, Genügsamkeit, starres Festhalten am Alten und daher Gleichgültigkeit gegen Neuerungen, besonders gegen die Fortschritte der Industrie. Die Bewohner Zentralspaniens sind eben ein ausschließlich ackerbautreibendes Volk. Mit diesen Zügen verbindet sich ein ernstes, gemessenes, förmliches und schweigsames Wesen. Die Landbevölkerung lebt teilweise sehr zerstreut in Caserios und Weilern, besonders in den nördlichen und östlichen Provinzen.