Schnellsuche:

Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Kästner; Kastor; Kastoria; Kastorine; Kastoröl; Kastor und Pollux; Kastradina; Kastrat

600

Kästner - Kastrat.

2) Eugen Friedrich, Physiker, Sohn des vorigen, geb. 10. Aug. 1852, zeigte schon in frühster Jugend ausgesprochene Anlagen für Mathematik und Physik und erlangte bereits in seinem 17. Jahr ein Patent für eine neue Anwendung der Elektrizität als bewegender Kraft. Seiner "Theorie der Schwingungen" folgte eine Untersuchung über die sogen. singenden Flammen ("Les flammes chantantes", Par. 1875), über welchen Gegenstand er zwei Jahre zuvor einen sehr beifällig aufgenommenen Bericht an die Pariser Académie des sciences erstattet hatte. Die "singenden Flammen" werden durch Verbrennung von Leuchtgas in Glasröhren von entsprechend abgestufter Länge erzeugt, und auf Grund seiner Entdeckung des Prinzips ihrer Interferenz durch Anwendung je zweier, statt einer, Flammen gelang es K., ein eigentümliches musikalisches Instrument, von ihm Pyrophon ("Feuerorgel") genannt, zu erfinden, dessen Töne sich in überraschender Weise der menschlichen Stimme nähern. Die Erfindung erregte, gleich dem auf denselben Grundsätzen beruhenden, von K. konstruierten "singenden Kronleuchter", bei hervorragenden Musikern, wie Gounod, Berlioz, Liszt, lebhaftes Interesse. Mit der Untersuchung über die Anwendung der Elektrizität auf das Pyrophon beschäftigt, starb K. bereits 6. April 1882 in Bonn.

Kästner, 1) Abraham Gotthelf, Mathematiker und Epigrammatiker, geb. 27. Sept. 1719 zu Leipzig, widmete sich daselbst dem Studium der Rechte, daneben dem der Philosophie, Physik, Mathematik und insbesondere der Metaphysik. 1739 habilitierte er sich an der Universität zu Leipzig und hielt mathematische, philosophische, logische und juristische Vorlesungen, ward 1746 außerordentlicher Professor und folgte 1756 einem Ruf als ordentlicher Professor der Naturlehre und Geometrie nach Göttingen, wo er 20. Juni 1800 als Hofrat starb. Von seinen zahlreichen Schriften über Mathematik sind seine "Anfangsgründe der Mathematik" (Götting. 1758-69, 4 Bde.; 6. Aufl. 1800) hervorzuheben. Seine "Geschichte der Mathematik" (Götting. 1796-1800, 4 Bde.) ist im einzelnen ein scharfsinniges Werk, doch fehlt ihr der umfassende Überblick der Gesamtheit der mathematischen Wissenschaften. Am bekanntesten machten K. seine "Sinngedichte", die zuerst ohne seine Bewilligung 1781 zu Gießen erschienen und dem Verfasser durch ihren beißenden Witz und ihre scharfe Ironie auf verschiedene Persönlichkeiten viele Fehden zuzogen. Sie wurden später in seine "Vermischten Schriften" (Altenburg 1783, 2 Bde.) aufgenommen und erschienen auch in seinen "Gesammelten poetischen und prosaischen schönwissenschaftlichen Werken" (Berl. 1841, 4 Bde.) sowie neuerdings in Kürschners "Nationallitteratur", Bd. 73 (hrsg. von Minor, Stuttg. 1883).

2) Viktor, siebenbürgisch-sächs. Dialektdichter, geb. 1826 zu Kerz in Siebenbürgen, studierte in Hermannstadt, trat dann bei der k. k. Finanzlandesdirektion in den Staatsdienst und starb 29. Aug. 1857. Er veröffentlichte: "Gedichte in siebenbürgisch-sächsischer Mundart", mit hochdeutscher Übersetzung und einer Einleitung: "Über Volkssprache und Mundarten" (Hermannst. 1862), worin die Naivität und Gemütlichkeit der siebenbürgischen Sachsen mit vielem Glück zum Ausdruck kommt.

Kastor, Mineral, s. Petalit.

Kastor, Stern zweiter Große in den Zwillingen, ein Fundamentalstern Bessels und zugleich Doppelstern; Umlaufszeit nach Thiele 253 Jahre, Distanz 5,6''.

Kastor und Pollux, s. Dioskuren.

Kastoria (im Altertum Keletron; türk. Kesrie), Stadt im türk. Wilajet Monastir, auf einer Halbinsel des runden, gleichnamigen Sees gelegen, an einem wichtigen Straßenknoten, Sitz eines Erzbischofs und eines Kaimakams, hat viele zweistöckige, oft mit orientalischem Luxus ausgestattete Häuser, lebhaften Handel (besonders mit Pelzwerk) und eine Bevölkerung von ca. 8000 Seelen. Von den Quartieren gehören drei den Osmanli, zwei den Juden, zwölf den Christen.

Kastorine, wollene, halbwollene oder baumwollene plüschartige Gewebe, auch s. v. w. ungeschnittener Seidenplüsch.

Kastoröl, s. v. w. Rizinusöl.

Kastradina, in Dalmatien und Montenegro geräuchertes Hammelfleisch, wird besonders in Nahijen Njegus und Cettinje hergestellt. Montenegro exportiert jährlich K. von 150,000 Hammeln im Wert von nahezu ½ Mill. Gulden.

Kastrat (Hämmling, lat. Castratus, ital. Castrato), ein im Knabenalter der Mannheit Beraubter. Die Operation der Kastration, d. h. der Ausrottung beider Hoden, hemmt die geistige und körperliche Entwickelung, also auch das Mutieren der Stimme, und erhält dem Mann die Knabenstimme. Das mosaische Gesetz verbot die Kastration an Menschen wie an Tieren. Bei einigen asiatischen Völkern war sie dagegen in Gebrauch, wie z. B. die Priester der Kybele sich selbst mittels eines steinernen Messers oder scharfer Scherben entmannen mußten. Bei den Griechen war sie in der frühern Zeit nicht gebräuchlich, später aber fand sie besonders bei den kleinasiatischen Griechen Eingang. Bei den Römern verboten Cäsar, Domitian, Nerva und Konstantin d. Gr. die Kastration; im oströmischen Reich aber ward sie besonders unter Justinian sehr gebräuchlich, und christliche Fanatiker, wie z. B. Origenes, nahmen sie aus übertriebenem asketischen Eifer an sich selbst vor. In den mohammedanischen Ländern dienen Kastraten (s. Eunuch) allgemein als Haremswächter. Das kanonische Recht verbietet die Kastration, und in mehreren päpstlichen Bullen wird sie bei Strafe des Kirchenbanns untersagt. Gleichwohl wurde sie in Italien behufs der Erzielung guter Diskantsänger häufig ausgeübt, und noch im 18. Jahrh. rechnete man mehr als 4000 Knaben, welche in Italien, namentlich im Kirchenstaat, jährlich kastriert wurden; ja bis in die neuere Zeit gab es in Rom und allen großen Städten Italiens zahlreiche Kastraten, welche zur Messe sangen sowie in Opern und Konzerten auftraten. Die Stimme des Kastraten vereinigt mit dem Timbre der Knabenstimme die entwickelte Brust und Lunge des Mannes, so daß der Sänger endlos scheinende Passagen auszuführen und das messa di voce erstaunlich auszudehnen vermag. Auch nach Frankreich, England und Deutschland wurden die Kastraten mit der italienischen Oper eingeführt, bezogen zum Teil (zu Händels Zeiten) enorme Honorare, sind jedoch auch mit derselben verschwunden. In Dresden fungierten sie auch als Kirchensänger. Besonders berühmte Kastraten waren: Farinelli, Senesino, Cusanino, Ferri, Momoletto, Gizziello, Bernacchi, Caffarelli, Crescentini, Pacchierotti, Manzuoli, Marchesi, Salimbeni, Velluti. - In medizinischer Hinsicht wird die Hinwegnahme eines oder beider Hoden bei Menschen notwendig, wenn der Hoden der Sitz einer durch andre Mittel nicht zu heilenden Erkrankung, namentlich Geschwulstbildung, ist. Auch die Entfernung der häufig erkrankenden Eierstöcke wird als Kastration bezeichnet (s. Ovariotomie). Die Haus-^[folgende Seite]