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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Kavaliere; Kavalierpapiere; Kavalierperspektive; Kavalkāde; Kavallěrie

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Kavaliere – Kavallerie

Werk, das meist dieselbe Grundrißform wie das Bastion, jedoch eine weit höhere Feuerlinie besitzt und zuweilen durch einen revetierten Graben völlig von demselben getrennt ist. Der K. hatte in dieser Anordnung den Zweck, eine bessere Übersicht über das Vorgelände zu verschaffen, die Facen und Flanken des Bastions gegen Rückenfeuer zu schützen und nach Eroberung des äußern Bastions als innerer Abschnitt zu dienen. Auch in polygonalen Befestigungen kommen K., in der Form und mit der Aufgabe von Traversen, an den Bruchpunkten des Grundrisses und auf der Mitte langer Fronten vor. Über den Tranchéekavalier s. d.

Kavaliere, der Parteiname, mit dem in England die Anhänger des Königs in dem Bürgerkriege unter Karl I. bezeichnet wurden (s. Karl I. und Großbritannien, Bd. 8, S. 432). Ihre Gegner, die Anhänger des Parlaments, nannte man Rundköpfe (s. d.).

Kavalierpapiere, zuweilen Bezeichnung der zum Zweck einer Anleihe von Herrschaftsbesitzern (Grafen, Fürsten u. s. w.) emittierten Schuldscheine.

Kavalierperspektive, in der Zeichenkunst eine Art der geometr. Projektion, bei der der Gegenstand über Eck angesehen wird, daher das Auge schief über demselben gedacht und er halb von der Seite, halb von oben dargestellt wird. An ihre Stelle tritt jetzt die axonometrische oder isometrische Projektion.

Kavalkāde (frz. cavalcade; ital. cavalcata), prächtiger Aufzug zu Pferde; Reitertrupp, Reiterzug.

Kavallěrie (vom lat. caballus; ital. cavallo, Pferd), Reiterei, die zu Pferde fechtende Truppe, welche neben Infanterie und Artillerie einen der drei Hauptbestandteile der Heere bildet. Die Hauptwaffe der K. ist das Pferd, dessen Kraft, Schnelligkeit und Gewicht auszunützen nur im Anlauf möglich ist, weshalb die Gefechtsthätigkeit der K. als solcher, d. h. solange sie zu Pferde, nur als Angriff möglich ist und vorzugsweise in einem Anreiten in geschlossener Masse (Attacke, Chok) besteht, wobei die Wucht des Stoßes und die blanke Waffe die Entscheidung herbeiführen. Die Verteidigung der K. besteht in einem Gegenangriff, denn eine K., welche den Angriff stehenden Fußes erwarten wollte, würde (ganz abgesehen von dem moralischen Moment) nach rein Physik. Gesetz stets geworfen werden. Vermöge ihrer Schnelligkeit vorzüglich zum Aufklärungs- und Sicherheitsdienst befähigt, ist die K. gewissermaßen das Auge der Armee. Um die K. zu den beim Aufklärungsdienst an sie herantretenden Gefechtsaufgaben noch mehr zu befähigen, ist sie neben der blanken Waffe (Säbel, Lanze) auch mit einer weittragenden Feuerwaffe (Karabiner) ausgerüstet, welche indessen nur für das Fußgefecht abgesessener K. bestimmt ist. Grundsatz ist, daß die K. zu Pferde überhaupt kein Feuergefecht führt und daß das Feuergefecht zu Fuß stets nur ein wenn auch unter Umständen wichtiges, im ganzen aber doch nur nebensächliches Aushilfsmittel ist. (S. Fußgefecht der Kavallerie.) Vermöge ihrer Zusammensetzung aus Mann und Pferd ist die K. abhängig von dem Zustand und der Dressur ihrer Pferde, kostspielig zu beschaffen und zu erhalten und schwierig auszubilden. Schwierig ist ferner die Führung der K., welche an die geistigen Fähigkeiten des Führers ebenso hohe Anforderungen stellt, wie auch an seine körperlichen Fähigkeiten.

Die Heere der asiat. Eroberer und die gegen Griechenland ziehenden Perserheere hatten eine zahlreiche Reiterei; die Scythen, die Parther waren Reitervölker; ebenso alle später von Hochasien herabflutenden tatar. Stämme. Durch die Perserkriege kam der Gebrauch der Reiterei auch zu den Griechen, indessen blieb dieselbe im eigentlichen Griechenland, so besonders in Athen und Sparta, von untergeordneter Bedeutung; dagegen gelangte die thessalische Reiterei bald zu bedeutendem Ruf, und unter Alexander d. Gr. spielte im macedon. Heere die K. eine hervorragende Rolle. Die Reiterei der Römer war mangelhaft und verbesserte sich im Laufe der Zeit nur durch Verwendung fremder Reitertruppen. Im Mittelalter wurde mit der Ausbildung des Lehnswesens der Kriegsdienst zu Pferde der vorherrschende. Die aus schwer gepanzerten Rittern und ihrem Gefolge bestehende Reiterei bildete den Kern der Heere; sie hauptsächlich (nach Umständen bisweilen abgesessen, wo das Gelände die Bewegung zu Pferde verbot) kämpfte die schlachten durch und wurde statt des immer mehr herabsinkenden Fußvolks die Hauptwaffe. Das Auftreten und allmähliche Ausbreiten der Feuerwaffen machte sich für die Reiterei in doppelter Weise unvorteilhaft geltend: anfangs verstärkte die Reiterei, um sich gegen die Wirkung der Feuerwaffen zu schützen, ihre schon an und für sich schwerfällige Panzerung und wurde dadurch noch unbehilflicher und schwerfälliger; später legte sie allerdings ihre schweren Schutzwaffen zum Teil ab, aber die nun Platz greifende allgemeine Anwendung der Feuerwaffen von seiten der Reiterei selbst mußte die Offensive schädigen. Zwar in den niederländ. und hugenottischen Kriegen wie auch im Dreißigjährigen Kriege (der einige ausgezeichnete Reiterführer, wie z. B. Pappenheim, Banér und Johann von Werth hervortreten ließ) spielte die Reiterei immer noch eine bedeutende Rolle, allmählich aber sank ihre Bedeutung mehr und mehr, und sie mußte dem Fußvolk das diesem gebührende Recht als Hauptwaffe wieder einräumen.

Die Leistungen der brandenb. Reiterei des Großen Kurfürsten, der engl. Cromwells und der schwed. Karls XII. waren in ihrer Art bedeutend. Einen hervorragenden, bisher kaum wieder erreichten Aufschwung in taktischer Beziehung nahm die preußische K. unter Friedrich d. Gr.; Seydlitz und Ziethen sind zwei charakteristische Typen des Reitergenerals in seiner höchsten Vollkommenheit. In der nun folgenden Kriegsepoche der franz. Republik und des Napoleonischen Kaiserreichs machte die taktische Leistungsfähigkeit der K. eher Rückschritte als Fortschritte, und die an und für sich vortreffliche preuß. und österreichische K. kam mangels sachgemäßer Benutzung so gut wie gar nicht zur Geltung; dagegen spielte die schlechtere französische K. infolge der genialen Benutzung durch Napoleon in der taktischen Entscheidung wie auch in strategischer Beziehung eine glänzende Rolle. Der Zeitraum nach den Napoleonischen Kriegen ist für die K. eine Zeit des Niederganges, der besonders dadurch charakterisiert wird, daß in der Ausbildung und Verwendung der K. mehr und mehr gewissermaßen infanteristische Grundsätze zur Geltung kamen. Die um die Mitte des Jahrhunderts geführten Kriege zeigten die K. in einer durchaus nebensächlichen Rolle; dagegen gaben die 1866 gemachten Erfahrungen in Verbindung mit den eigenartigen Erscheinungen des Nordamerikanischen Bürgerkrieges (1861–65) den Anstoß zu einem völligen Umschwunge in den Anschauungen über die der K. zuzuweisende Rolle. Eine praktische Folge war das Auftreten der preußisch-deutschen K. 1870/71,

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