Schnellsuche:

Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

344

Kinderkreuzzug - Kindesmord

schont blieben. Im allgemeinen ist die Morbidität, d. i. die Wahrscheinlichkeit zu erkranken, bei Kindern viel größer als bei Erwachsenen; dies liegt teils an den bedeutenden Veränderungen im Kindeskörper nach der Geburt, wodurch das Neugeborene besonders vielen Krankheiten der Brustorgane ausgesetzt ist, teils an der Körperentwicklung und ihren verschiedenen Phasen, wobei das Durchbrechen der Zähne und späterhin die beginnende Pubertät den wichtigsten Platz einnehmen und leicht Krämpfe, Nerven- und Gehirnkrankheiten sich einstellen, teils an der geringern Widerstandsfähigkeit und Abhärtung des Kindes sowie an seiner größern Empfänglichkeit gegen gewisse Krankheitsgifte; weiterhin wird oft durch den Schulbesuch (sitzende Lebensweise, fehlerhafte Haltung, Einatmung schlechter Luft, Überanstrengung der Augen und des Hirns) der Grund zu Krankheiten gelegt. (S. Kinderheilkunde.)

Litteratur. Bednar, Die Krankheiten der Neugeborenen und Säuglinge (4 Tle., Wien 1850-53); Steffen, Klinik der K. (2 Bde., Berl. 1865-70); Gerhardt, Handbuch der K. (6 Bde., Tüb. 1877-89); ders., Lehrbuch der K. (4. Aufl., ebd. 1880); A. Vogel, Lehrbuch der K. (10. Aufl., hg. von Biedert, Stuttg. 1890); Unger, Lehrbuch der K. (Wien 1890); Klencke, Das kranke Kind (5. Aufl., Lpz. 1891); Henoch, Vorlesungen über K. (6. Aufl., Berl. 1892); Usselmann, Kurzgefaßtes Handbuch der Kinderheilkunde (Wien 1892); Baginsky, Lehrbuch der K. (4. Aufl., Berl. 1892). Unter den Zeitschriften sind das "Jahrbuch für Kinderheilkunde" sowie das "Archiv für Kinderheilkunde" hervorzuheben.

Kinderkreuzzug, s. Kreuzzüge.

Kinderlähmung, spinale oder essentielle, eine Erkrankung des Rückenmarks, welche vorwiegend Kinder im 1. bis 4. Lebensjahre befällt und gewöhnlich zu dauernder Lähmung (s. d.) bestimmter Muskeln führt. Die Behandlung besteht in der Anwendung der Elektricität, der Massage, der Hydrotherapie und eines allgemein kräftigenden Verfahrens. Innerlich giebt man Jodkali, Ergotin, Argentum nitricum, Eisen, Strychnin, Leberthran u. s. w.

Kindermann, August, Baritonist, geb. 6. Febr. 1817 zu Potsdam, wurde 1835 Mitglied des Hoftheaterchors zu Berlin, 1839 zweiter Bassist am Stadttheater zu Leipzig, 1846 Mitglied und 1855 Oberregisseur des Hoftheaters in München, wo er 6. März 1891 starb. Ein schönes, sonores Organ und allgemeine theatralische Talente befähigten K. zu vortrefflicher Wiedergabe der bedeutendsten Baß- und Baritonpartien. K. war ein naher Freund Lortzings, der seinen Hans Sachs für ihn schrieb.

Von seinen beiden Töchtern Marie und Hedwig wurde namentlich die letztere unter dem Namen Reicher-Kindermann (s. d.) bekannt.

Kindernahrungsmittel nennt man speciell die zur Ernährung kleinerer Kinder üblichen Nahrungsmittel, wie Tiermilch oder die zum Ersatz derselben gebräuchlichen Kindermehle (s. Auffütterung der Kinder).

Kinderpapst, s. Narrenfest.

Kinderpulver (Pulvis Magnesiae cum Rheo), gelindes Abführmittel für Kinder, nach dem Arzneibuch für das Deutsche Reich eine Mischung von 12 Teilen Magnesiumcarbonat, 8 Teilen Fenchelölzucker und 3 Teilen Rhabarberwurzelpulver. Huselands K. ist von ganz ähnlicher Zusammensetzung.

Kinderraub, s. Menschenraub.

^[Spaltenwechsel]

Kindersanatorien, s. Sanatorien.

Kinderschriften, die für die frühere Kindheit bestimmten Jugendschriften (s. d.).

Kinderschutz, in Bezug auf Fabrikarbeit u. s. w. s. Fabrikgesetzgebung und Dienstmiete (s. d., Bd. 5, S. 283 a). Eine andere Seite des K. bildet die Fürsorge für ausgesetzte, verlassene und verwahrloste Kinder. (S. Findelhäuser.) Auch in dieser Hinsicht ist die Staatsthätigkeit in der neuern Zeit mehr und mehr an die Stelle früherer kirchlicher und Privatwohlthätigkeitseinrichtungen getreten. Die deutsche Gewerbeordnung in ihrer gegenwärtigen Gestalt überläßt die polizeilichen Bestimmungen hinsichtlich des Haltens von Pflege- oder Kostkindern den Einzelstaaten.

Kindersuppe, s. Auffütterung der Kinder.

Kindertag (lat. festum innocentium, "Fest der Unschuldigen", nämlich Kindlein), in der röm.-kath. Kirche der 28. Dez., in der griech.-kath. Kirche der 29. Dez., Fest zum Andenken des bethlehemitischen Kindermordes (Matth. 2, 16 fg.), schon in den ersten christl. Jahrhunderten gefeiert. Im Mittelalter und in manchen Gegenden, wie in Mainz bis in die zweite Hälfte des 18. Jahrh., wurde an diesem Tage das Fest des Kinderbischofs in den kath. Kirchen begangen. Ein Knabe, ursprünglich wohl ein junger Kleriker mit den niedern Weihen, hielt als episcopus puerorum im bischöfl. Ornat den Gottesdienst, während die übrigen Knaben in den Chorstühlen saßen. - K. heißt auch das Gregoriusfest (s. d.).

Kindesabtreibung, s. Abtreibung der Leibesfrucht.

Kindesalter (physiol.), s. Kind; in rechtlicher Beziehung, s. Alter.

Kindesbewegung, s. Embryo (Bd. 6, S. 73 a).

Kindesmord, nach dem Deutschen Strafgesetzbuch (§. 217) die vorsätzliche Tötung des unehelichen Kindes durch die Mutter in oder gleich nach der Geburt. Strafe: Zuchthaus nicht unter drei Jahren, im Falle von mildernden Umständen Gefängnis nicht unter zwei Jahren. Nur die uneheliche Mutter unterliegt diesem Gesetz; dritte Personen, welche sich an der Tötung als Mitthäter oder Teilnehmer beteiligen, werden als Mörder oder Totschläger bestraft. Voraussetzung ist nicht, daß das Kind lebensfähig war, aber es muß gelebt, d. i. geatmet haben. Der gebräuchliche, wenngleich nicht ganz zuverlässige Beweis für dies Leben ist die Lungenprobe (s. d.). Die Strafe des K. ist erheblich milder als die sonst auf Mord und Totschlag angedrohte. Der gesetzgeberische Grund liegt in den besondern Beweggründen, die regelmäßig vorliegen (Rettung der Geschlechtsehre, Hilflosigkeit, starke physische und psychische Aufregung, Nahrungssorgen). Die mildere Behandlung des K. in der deutschen Gesetzgebung datiert von der Zeit der Aufklärung; die Carolina (s. d.) hat noch die Strafen des Lebendigbegrabens und Pfählens, Ertränkens (in mildern Fällen) und des Reißens mit glühenden Zangen. Die früher üblichen Strafen für Verheimlichung der Geburt (die noch das geltende österr. Strafgesetz von 1852, §§. 779, 740, hat) sind dem deutschen Strafrecht unbekannt; doch wird wegen Übertretung bis 150 M. oder Haft bis zu sechs Wochen bestraft, wer ohne Vorwissen der Behörde einen Leichnam beerdigt oder beiseite schafft (§. 367, Nr. 1). Im geltenden österr. Strafgesetz ist die eheliche Mutter der unehelichen grundsätzlich gleichgestellt (§. 139), ebenso im Österr. Strafgesetzentwurf von 1889.

Artikel, die man unter K vermißt, sind unter C aufzusuchen.