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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Kompositenkapitäl; Komposition; Kompositionslehre

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Kompositenkapitäl - Kompositionslehre.

fruchtbar. Bisweilen werden die Scheibenblüten getrenntgeschlechtig, indem sie in den einen Köpfchen nur die weiblichen, in andern nur die männlichen Organe entwickeln; die weiblichen und die männlichen Köpfchen können dann ein- oder zweihäusig sein. Bei einigen wenigen K. (z. B. Calendula) sind die Strahlblüten fruchtbar und die Scheibenblüten unfruchtbar. Man teilt die K. nach der Form der Blumenkrone in folgende Unterfamilien: 1) Röhrenblütige (Tubuliflorae), welche Röhrenblüten und häufig außerdem zungenförmige Strahlblüten besitzen. Diese bringt man wieder in zwei Abteilungen: Cynarocephalen oder Cynareen, bei denen der Griffel unter den Narben knotig verdickt und pinselförmig behaart ist, und Korymbiferen, bei denen der Griffel gleichförmig ist. 2) Zungenblütige (Liguliflorae oder Cichoriaceen), welche lauter Zungenblüten besitzen und häufig auch mit Milchsaftgefäßen in den vegetativen Teilen versehen sind. 3) Lippenblütige (Labiatiflorae), mit lauter lippenförmigen Blumen. Vgl. Lessing, Synopsis generum Compositarum (Berl. 1832); Bentham, On the classification, history and geograph. distrib. of Compositae (Lond. 1873). Die ca. 10,000 Arten der K. machen fast den zehnten Teil der höhern Gewächse aus und sind über die ganze Erde verbreitet, am zahlreichsten in den warmen Zonen, gegen die Pole wie gegen den Äquator hin in allmählich abnehmender Häufigkeit. Viele werden als Nahrungs- und Genußmittel, als Arznei-, Zier- und Farbepflanzen benutzt; noch andre liefern fette u. ätherische Öle.

Kompositenkapitäl (zusammengesetztes Kapitäl), Kapitäl, welches die röm. Architektur aus Teilen des ionischen und korinthischen Kapitäls derart zusammensetzte, daß das Laubwerk des korinthischen mit den Voluten des ionischen Kapitäls in reicher, aber unorganischer und unlogischer Weise zusammengesetzt wurde. Beispiele dieser Mischform geben unter andern die Kapitäle vom Triumphbogen des Titus und des Septimius Severus. Bei dem in der Figur dargestellten K. vom erstern ist die Grundform des obern Teils des Kapitäls dem ionischen, der untere Teil desselben dem korinthischen Stil entlehnt; beide Teile aber, besonders auch die Voluten des erstern Teils, sind mit einem reichen Blätterschmuck ausgestattet.

^[Abb.: Kompositenkapitäl (vom Titusbogen in Rom).]

Komposition (lat., "Zusammensetzung"), die Vereinigung von Besonderheiten und Einzelheiten zu einem Ganzen; in der Kunst die Anordnung des durch den Gedanken in der Erscheinung Darzustellenden. Der Charakter der K. hängt von der individuellen Richtung des Künstlers und vom Gegenstand ab. Man unterscheidet demnach idealistische und realistische K. Die malerische K. insbesondere besteht in der Darstellung einer bestimmten Situation und deren Motive durch Gruppierung verschiedener Gestalten oder Gegenstände der Natur zu einem in sich abgeschlossenen Ganzen. Je mehr der Maler darauf hingewiesen ist, zur Darstellung jenen Augenblick zu wählen, in welchem das Vorhergehende und Nachfolgende in einem Hauptakt sich zusammendrängen, um so sorgfältiger muß er in der K. aller Teile sein, der Gruppen wie der einzelnen Figuren, der Stellungen wie der Gewänder etc., um diesen Einen Augenblick zu wirkungsvollstem Ausdruck zu bringen. Über den Platz, den die Hauptgruppe oder die Hauptfigur einnehmen soll, kann man keinen allgemein gültigen Grundsatz aufstellen; aber alles muß gegen diese Figur hinstreben, alles sich auf sie beziehen. Dieser Grundsatz der Einheit des Stoffes und des Interesses ist das einzige streng verbindliche Gesetz der malerischen K. Die neuern naturalistischen Strömungen der Kunst haben den alten philosophisch-ästhetischen Begriff der K. wesentlich umgestaltet. In der neuern Kunst steht die K. nicht mehr in erster Linie, sondern bildet im Organismus eines Kunstwerkes nur ein Moment, welcher allen übrigen gleich geordnet ist. Die Vertreter des äußersten Naturalismus legen auf K. überhaupt keinen Wert mehr. Im allgemeinen bedeutet K. s. v. w. künstlerische Erfindung. Ein Gleiches gilt auch von Skulpturwerken. - In der Musik, wo dieser Ausdruck vorzugsweise gebraucht wird, ist K. s. v. w. Tonsetzkunst, die Erfindung und Ausarbeitung eines Musikstückes, auch dieses Musikstück selbst. Die Erfindung ist angebornes Vermögen; über die bei der Ausgestaltung des Tonstückes zu befolgenden Kunstgesetze gibt die Kompositionslehre (s. d.) Auskunft. - Endlich ist K. s. v. w. Legierung (s. auch Zinnchlorid).

Kompositionslehre, die Lehre von der musikalischen Komposition (s. d.); sofern man K. von der Harmonielehre und dem Kontrapunkt unterscheidet, versteht man darunter die Lehre von den musikalischen Formen, d. h. vom Ausbau der Themata, der Gegenüberstellung verschiedener Themata und Durchführung derselben, von den speziellen Bestimmungen, welche sich in dieser Beziehung für die einzelnen Gattungen von Musikstücken historisch herausgebildet haben, ferner von den verschiedenen Stilarten und der Konstruktion der großen Formen. Keine Kunst kann der Form entbehren, die nichts andres ist als der Zusammenschluß der Teile des Kunstwerkes zum einheitlichen Ganzen; dieser Zusammenschluß ist aber nur möglich, wenn die verschiedenen Elemente in innerer Beziehung zu einander stehen, andernfalls ist das Resultat nur eine äußere Vereinigung, ein Aneinanderreihen. Die oberste Forderung für alle Formgebung, auch die musikalische, ist daher Einheit; diese kommt aber erst zur vollen Entfaltung ihrer ästhetischen Wirkung am Gegensätzlichen, als Kontrast und als Widerspruch (Konflikt). Die Einheit in der speziellen musikalischen Gestaltung tritt uns entgegen im konsonanten Akkord, in der Ausprägung einer Tonart, dem Festhalten einer Taktart, eines Rhythmus, in der Wiederkehr rhythmisch-melodischer Motive, der Bildung und Wiederkehr abgerundeter Themata; der Kontrast und Konflikt im Harmoniewechsel, der Dissonanz, Modulation, dem Wechsel verschiedener Rhythmen und Motive, der Gegenüberstellung im Charakter gegensätzlicher Themata. Der Kontrast muß in einer höhern Einheit aufgehoben, der Konflikt gelöst wer-^[folgende Seite]