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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Kriegslasten; Kriegslazarette; Kriegsleistungen

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Kriegslasten - Kriegsleistungen.

durch Angriff auf einen Flügel gewissermaßen beiseite schob. Die Erfahrungen dieser langen Kriegsperiode führten zu der Aufstellung eines wissenschaftlichen Systems der K. (vgl. Kriegswissenschaft). Die Kriegsmittel haben indes in der neuesten Zeit durch die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht, die Fortschritte der Waffentechnik, der Chirurgie, vor allem aber in der Entwickelung des Verkehrswesens eine so tiefgreifende Umgestaltung gewonnen, daß mit dem Krieg von 1859 auch eine neue Epoche der K. beginnt, die im deutsch-französischen Krieg 1870/71 zu großartiger Bethätigung kam. Auch die allgemeine Teilnahme der Völker am öffentlichen Leben förderte die Teilnahme aller am Krieg und das Eintreten ganzer Völker in den Krieg, der um große nationale Zwecke geführt wird. Je größer aber die aufgebotenen Massen sind, um so weniger kann die Entscheidung lange hingezogen werden; sie muß rasch erfolgen, daher im Frieden sorgsamst vorbereitet sein und dann der Schlag mit aller Kraft und in der entscheidenden Richtung geführt werden. In Amerika rächte sich die Vernachlässigung der K. und der Wehrhaftigkeit im Frieden durch ungeheure Opfer und jahrelange Kämpfe, in Europa aber fanden große Kriege 1859 und 1866 in wenigen Wochen, ja 1871 ein wahrhafter Volkskrieg in wenigen Monaten ihr Ende. Vgl. Hoyer, Geschichte der K. von Anwendung des Pulvers bis zum Ende des 18. Jahrhunderts (Götting. 1797-1799, 2 Bde.); G. v. Berneck, Geschichte des Kriegswesens (3. Aufl., Berl. 1867); Meynert, Geschichte des Kriegswesens (Wien 1868, 3 Bde.); J. ^[Julius] v. Hardegg, Anleitung zum Studium der Kriegsgeschichte (Berl. 1868-78, 3 Bde.); Jähns, Handbuch einer Geschichte des Kriegswesens von der Urzeit bis zur Renaissance (Leipz. 1880, mit Atlas); Derselbe, Heeresverfassungen und Völkerleben (Berl. 1885); v. d. Goltz, Das Volk in Waffen (3. Aufl., das. 1885); Köhler, Entwickelung des Kriegswesens und der Kriegführung in der Ritterzeit (Bresl. 1886 ff.).

Über das Kriegswesen in prähistorischer Zeit lassen sich aus den erhaltenen Verteidigungswerken, Heidenschanzen und einzelnen uns überkommenen Waffenstücken nur wenige Schlüsse ziehen. Ursprünglich waren Jagd- und Kriegswaffen dieselben, und vielfach dienten axt- und messerförmige Werkzeuge auch zugleich als Waffen. Man wird wohl annehmen dürfen, daß die Keule aus Holz und der geschleuderte Stein die ersten Waffen waren, denen sich später der Holzspeer, anfangs nur mit Holzspitze, und Bogen und Pfeil, letzterer anfangs ebenfalls nur mit Holzspitze, zugesellten. Mit der Erfindung der schneidenden Werkzeuge und der Vervollkommnung derselben ging auch die Vervollkommnung der Waffen Hand in Hand; die ursprünglich ganz aus Holz hergestellten Waffen wurden mit Stein- und Knochenschärfen armiert, bis schließlich die Erfindung der Metallbearbeitung auch diese unvollkommenen Stücke beseitigte. Jetzt findet man Pfeilspitzen aus Feuerstein noch in Gräbern der Merowingerzeit, eigentliche Steinwaffen, d. h. Steinäxte und Speere, waren aber zu jener Zeit in diesen Gegenden längst außer Gebrauch. Aus dem Kampf des Einzelnen gegen wilde Tiere und seinesgleichen bildete sich allmählich mit der sozialen Entwickelung der Familie, des Stammes und Volkes auch die Kampfesweise vom Einzelkampf bis zur Heeresschlacht heraus.

Kriegslasten, s. v. w. Kriegsleistungen.

Kriegslazarette, die im Rayon der Etappen etablierten Lazarette, im Gegensatz zu den Feldlazaretten (s. d.). Sie bewirken den Ersatz u. die Ablösung der Feldlazarette und nehmen die aus den Feldlazaretten zurückgeschafften Kranken zunächst auf. Nur ausnahmsweise werden Kranke und Verwundete in die K. direkt aufgenommen. In diesen stehenden Kriegslazaretten beginnt die eigentliche Krankenverteilung zur Evakuation nach den im Inland errichteten Reservelazaretten. Auf die K. finden die in der Kriegssanitätsordnung enthaltenen Vorschriften über die Feldlazarette analoge Anwendung.

Kriegsleistungen, diejenigen Leistungen, welche für die mobile Truppenmacht eines Landes von dessen Angehörigen beansprucht werden. Da nämlich durch die Mobilmachung der Barvorrat des Staats ungemein in Anspruch genommen, und da durch eine solche zudem eine bedeutende Steigerung der Preise hervorgerufen wird, und weil überdies der Ankauf der nötigen Verpflegungsmittel oft mit großen Weitläufigkeiten und Schwierigkeiten verknüpft sein würde, so hat man, namentlich in Preußen, schon seit längerer Zeit das System der Naturalleistungen und Naturallieferungen eingeführt. Jetzt ist dasselbe für das Deutsche Reich durch das Gesetz vom 13. Juni 1873 über die K. und die zugehörige Ausführungsverordnung vom 1. April 1876 geregelt. Dazu gehört noch die Verordnung vom 18. April 1882, welche die Form der Marschrouten für die Kriegsverhältnisse festsetzt. Hiernach sollen die K. nur insoweit in Anspruch genommen werden, als für die Beschaffung der Bedürfnisse nicht anderweitig, insbesondere nicht durch freien Ankauf, Barzahlung und Entnahme aus den Magazinen, gesorgt werden kann. Auch wird für die K. regelmäßig eine Entschädigung aus Reichsmitteln gewährt; nur Naturalquartier und Stallung sind unentgeltlich zu beschaffen, wofern es sich nicht um die zur Besatzung des Ortes gehörigen Truppenteile oder um Ersatztruppen in ihren Standquartieren handelt. Für diese wird, ebenso wie für die Naturalverpflegung der Truppen, nach den für den Friedenszustand geltenden Sätzen Entschädigung gewährt (s. Einquartierung). Die Verpflichtung zu K. liegt zunächst den Gemeinden ob, welche sich dann wiederum an die einzelnen Leistungspflichtigen halten, zu welch letztern aber die Ausländer, welche sich in dem Gemeindebezirk aufhalten, nicht zu rechnen sind. Gegenstand und Umfang der K. wird auf Requisition der Militärbehörden durch die zuständigen Zivilbehörden bestimmt, und zwar gehören außer Naturalquartier und Naturalverpflegung noch die Überlassung von Transportmitteln und Gespannen für militärische Zwecke, Stellung von Mannschaften als Gespannführer, Wegweiser und Boten sowie zum Weg-, Eisenbahn- und Brückenbau u. dgl., ferner die Überweisung der für den Kriegsbedarf erforderlichen Grundstücke, Gebäude und Materialien, sodann die Gewährung von Feuerungsmaterial und Lagerstroh für Lager und Biwaks und überhaupt der sonstigen Dienste und Gegenstände, deren Leistung und Lieferung das militärische Interesse erforderlich macht, insbesondere von Bewaffnungs- und Ausrüstungsgegenständen, von Arznei- und Verbandmitteln, soweit solche in dem Gemeindebezirk vorhanden, hierher. Für gewisse K, nämlich für die Lieferung des Bedarfs an lebendem Vieh, Brotmaterial, Hafer, Heu und Stroh, kann durch Beschluß des Bundesrats an Stelle der Gemeindelieferungen die Verpflichtung größerer Lieferungsverbände zur Füllung der Kriegsmagazine angeordnet werden. Solche K. werden Landlieferungen genannt. Die Lieferungsverbände sind thunlichst im Anschluß an die bestehenden Kreise oder an die sonstige Bezirkseinteilung zu bil-^[folgende Seite]