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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Laos; Laotse

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Laos - Laotse.

und Ostbahn, von Natur fest, darum in der Kriegsgeschichte vielgenannt, Festung vierten Ranges, mit einer Citadelle, von einer alten Mauer umgeben, hat 5 Vorstädte am Fuß des Bergs, viele altertümliche öffentliche Gebäude, darunter die ehemalige Kathedrale Notre Dame im gotischen Stil des 12. Jahrh., mit schöner Fassade und 7 großenteils unvollendeten Türmen, ein ehemaliges bischöfliches Palais, jetzt Justizgebäude (L. ist seit 1790 nicht mehr Bischofsitz), ein Kloster, St.-Vincent, mit alter Kirche und 3 andre aufgehobene Klöster, welche jetzt als Gebäude der Präfektur, des Spitals und des Irrenhauses dienen. L. zählt (1886) 12,636 Einw., welche sich mit der Kultur von Gemüsen (berühmte Artischocken und Spargel), mit Weinbau, Fabrikation von Zwieback und Siebwaren beschäftigen und Handel mit den Geweben von St.-Quentin, den Glaswaren von St.-Gobain und den Eisenwaren von Folembray treiben. L. hat ein Kommunalcollège, eine Lehrer- und eine Lehrerinnenbildungsanstalt, eine Bibliothek von 30,000 Bänden, ein Kunst- und Antiquitätenmuseum, eine Akademische Gesellschaft und ist Sitz des Präfekten, eines Tribunals und Assisenhofs. Es ist Geburtsort der Könige Lothar und Ludwig V. sowie des Marschalls Serrurier, welchem hier 1863 ein Denkmal errichtet wurde. - L. war im 5. Jahrh. eine gallische Festung, Laudanum oder Lugdunum Clavatum genannt, und wurde bereits 515 ein Bischofsitz. Im 10. Jahrh. war es Residenz und letzte Besitzung der karolingischen Könige. 1419 wurde es von den Engländern, 1594 von König Heinrich IV. eingenommen. Hier siegten 9. und 10. März 1814 die Alliierten unter Blücher über die Franzosen unter Napoleon (Schlacht bei L.). Blücher hatte sich, um sich mit Bülow zu vereinigen, bis hinter die Aisne zurückgezogen und bei L. Stellung genommen, wo er, nachdem der Versuch, Napoleon entscheidend zu schlagen, durch das Gefecht von Craonne 7. März gescheitert war, den Angriff des Feindes mit 100,000 Mann erwartete. Während Bülow L. als festen Punkt behaupten sollte, gedachte Blücher mit den übrigen rechts und links aufgestellten Korps im Fall eines Angriffs hervorzubrechen. Obwohl die Franzosen kaum 50,000 Mann stark waren, durfte Napoleon doch einen Erfolg hoffen, da im Hauptquartier der Alliierten wegen Blüchers körperlicher und geistiger Niedergeschlagenheit eine gewisse Ratlosigkeit herrschte. Es war Napoleons kühner Plan, 9. März durch Überfall, den nächtliche Umgehung unterstützen sollte, L. selbst, den Schlüssel der feindlichen Stellung, zu nehmen. Doch gelang dies nicht, und während Napoleon den Kampf durch langsames Geschützfeuer hinzog, schritten um Mittag, als der Nebel sich verzogen, Bülow und Wintzingerode zum Angriff, der aber wegen mangelnder einheitlicher Leitung fehlschlug, so daß beide Teile nach einem hitzigen Gefecht ihre frühere Stellung wieder einnahmen. Die Entscheidung wurde durch einen nächtlichen Überfall, den die Verbündeten auf Yorks und Kleists Rat machten, 10. März herbeigeführt. Derselbe gelang trefflich: die feindlichen Bataillone wurden ganz unvorbereitet überrascht, die Geschütze genommen, die Reiterei von den Preußen teils niedergeritten, teils verjagt. Marmonts Korps ward völlig zersprengt und vermochte sich erst hinter der Aisne wieder zu sammeln; außer 2500 Gefangenen und 1500 Toten und Verwundeten hatte es fast seine ganze Artillerie, 45 Geschütze und 131 Munitionswagen verloren. Im letzten deutsch-französischen Krieg mußte sich die Citadelle von L. dem deutschen Heer (der 6. Kavalleriedivision) 9. Sept. 1870 ergeben; beim Einzug der deutschen Truppen wurde das Pulvermagazin von einem fanatischen französischen Unteroffizier in die Luft gesprengt, wodurch über 500 Personen, meist Einwohner der Stadt, aber auch 70 Mann vom 4. preußischen Jägerbataillon, getötet und verwundet und große Verwüstungen angerichtet wurden. Vgl. Melleville, Histoire de la ville de L. (Laon 1846, 2 Bde.).

Laos, Volksstamm, s. Lao.

Laotse (auch Laokiün), gewöhnlicher Name des chines. Weisen Lipeyang, eines ältern Zeitgenossen des Konfutse, soll im 6. Jahrh. v. Chr. in einem Dorf der jetzigen Provinz Honan geboren, später als Reichsgeschichtschreiber am kaiserlichen Hof angestellt gewesen sein, sich aber in höherm Alter in die Einsamkeit zurückgezogen und fortan ganz seinen philosophischen Spekulationen gelebt haben. Das Ergebnis derselben hat er in seinem tiefsinnigen und schwierigen Werk "Taoteh-king" (etwa s. v. w. "Kanon vom Logos und der Tugend", hrsg. mit franz. Übersetzung von Stan. Julien, Par. 1842; engl. von Chalmers, Lond. 1868; deutsch von Viktor v. Strauß, Leipz. 1870, und von R. v. Plänckner, das. 1870) niedergelegt. Seine Lehre setzt ihren Ausgangspunkt und ihr Ziel in das Tao (Weg, Vernunft, Logos). Mit diesem Namen bezeichnet er das höchste Wesen, welches Urgrund der physischen wie der moralischen Welt ist. Der Mensch soll mit Hilfe des Tao streben, sich ins Tao zu versenken, es begreifen, um in ihm zu wandeln und am Ende zu ihm zurückzukehren; alle wahre Tugend beruht nur in jenem Einssein mit dem Tao, im Sein, nicht im Thun des Menschen, und das Thun ist nur dann wahrhaft tugendhaft, wenn es der durch das Tao geläuterten sittlichen Natur selbst entspringt, nicht, wenn es durch äußere Ordnungen anerzogen wurde. Daß L. den Tao-Begriff von Frühern überkommen und nur selbständig weiter entwickelt habe, ist wahrscheinlich; daß er aber dabei von vorderasiatischen Religionsanschauungen beeinflußt gewesen sei, ist kaum denkbar. Sicher ist, daß die übrigens noch nicht hinreichend bekannte Sekte der Taosse mit ihren magisch-alchimistischen Phantastereien nicht als Nachfolgerin des Weisen, wie sie sich zu nennen liebt, gelten kann; sie verehrt ihn, ohne ihn zu verstehen. Im scharfen Gegensatz zu dem staatsmännischen, konservativen, überall die altvererbte äußere Ordnung und die Grundsätze der Autorität und Pietät verfechtenden Konfutse setzt L. den einzelnen Menschen als Selbstzweck und will die Vervollkommnung der Menschheit nicht durch äußere staatliche oder gesellschaftliche Satzungen, sondern durch läuternde Selbstverinnerlichung des Individuums erzielen. Mehr als die Achtung vor den besondern Pflichtverhältnissen, in welchen Staat, Gesellschaft und Familie ihren Grund und Halt finden, gilt ihm eine allgemeine Menschenliebe, die selbst Kränkungen mit Wohlthaten erwidert. Die Taosse, jetzt, soviel bekannt, arg herabgekommen und von der Mehrzahl ihrer Landsleute gering geschätzt, haben aus ihrer frühern Zeit mehrere sehr bedeutende und auch von Andersgläubigen hochgeachtete Schriftsteller aufzuweisen und mehr als einmal an den kaiserlichen Höfen in Gunst gestanden. Was sie von L. angenommen haben, eine reine, nur von ihnen vielfach ins Kleinliche gezogene Sittenlehre, Neigung zur Beschaulichkeit und Askese, das mag sie indischen Einflüssen zugänglich gemacht haben, deren Nachwirkung in dem heutigen Leben der Sekte, in ihrem Mönchs- und Klosterwesen wie in einzelnen ihrer religiösen Anschauungen unverkennbar ist.