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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Lehnhaus - Lehnsfolge

Major und zum Flügeladjutanten des Königs Wilhelm ernannt, in dessen militär. Gefolge er seitdem verblieb. Die Feldzüge von 1866 in Böhmen und von 1870/71 in Frankreich machte L. im Großen Hauptquartier mit; 1868 wurde er Oberstlieutenant, 1871 Oberst, bald darauf Commandeur der Leibgendarmerie, 1876 Generalmajor und 1881 Generallieutenant und Generaladjutant. Kaiser Wilhelm Ⅱ. beförderte ihn 1888 unter Belassung seines Ranges als Generaladjutant zum General der Kavallerie.

Lehnhaus, Ruine bei Lähn.

Lehnin, Marktflecken im Kreis Zauch-Belzig des preuß. Reg.-Bez. Potsdam, an mehrern Seen, die durch den Emsterkanal mit der Havel verbunden sind, hat (1895) 2192 (1890: 2319) E., Post, Telegraph und die schöne Ruine eines vom Markgrafen Otto Ⅰ. 1180 gegründeten Cistercienserklosters (auch Himmelpfort am See genannt), die Fürstengruft der brandenb. Askanier. Das Kloster wurde 1542 durch Joachim Ⅱ. aufgehoben und in ein Amt verwandelt. Die 1262 geweihte Klosterkirche ist neuerdings restauriert worden. – Vgl. Heffter, Geschichte des Klosters L. (Brandenb. 1851); Sello, L., Beiträge zur Geschichte von Kloster und Amt (Berl. 1381).

Viel Aufsehen hat die Lehninsche Weissagung (das Vaticinium Lehninense) gemacht, ein aus 100 leoninischen Versen bestehendes Gedicht, das, angeblich von dem Mönch Hermann im 13. Jahrh. verfaßt, zuerst um 1693 auftauchte. In dieser «Weissagung» wird das Aussterben des askanischen Hauses in Brandenburg und das Emporblühen des hohenzollernschen beklagt, jeder Regent des letztern Hauses bis auf das elfte Geschlecht wird charakterisiert, die Zeit des Untergangs der Hohenzollern bestimmt und dann die Einheit Deutschlands und die Wiederherstellung der kath. Kirche prophezeit. Nur bis in die Zeit kurz vor dem Tode des Großen Kurfürsten stimmt seine Erzählung mit dem wirklichen Verlauf der Begebenheiten überein; alle spätern angeblichen Prophezeiungen treffen nicht mehr zu, die mannigfachen Deutungen, die man versucht hat, konnten daran nichts ändern. Zuerst veröffentlicht wurde das Vaticinium in Lilienthals «Gelehrtem Preußen» (Königsb. 1723) und dann sehr häufig bis in die neueste Zeit wieder abgedruckt. Obgleich die Echtheit schon in der Mitte des 18. Jahrh. bekämpft und später überzeugend widerlegt worden ist, wurde es doch von polit. und kirchlichen Parteien immer von neuem zu Zwecken der Tagespolitik ausgenutzt, so z. B. in Bouverots «Extrait d’un manuscrit relatif à la prophétie du frère de Lehnin» (1846; deutsch von W. von Schütz, Würzb. 1847) und in Boosts Schrift «Die Weissagungen des Mönchs Hermann zu L.» (Augsb. 1848). Das Gedicht ist ein späteres Machwerk, vermutlich 1684 oder 1685 entstanden. Als Urheber der Fälschung gilt der Propst an der Petrikirche in Berlin, Andreas Fromm, der als eifriger orthodoxer Lutheraner mit den Reformierten in Streit geraten war, nach Böhmen flüchtete und zur kath. Kirche übertrat, dann als Kanonikus 1685 in Leitmeritz starb. – Vgl. Hilgenfeld, Die Lehninische Weissagung über die Mark Brandenburg (Lpz. 1875); Sabell, Litteratur der sog. Lehninschen Weissagung (Heilbr. 1879); Pröhle, Die Lehninische Weissagung (Berl. 1888).

Lehnsatz (grch. Lemma), ein Satz, der in irgend einer Wissenschaft zur Anwendung kommt, während sein Beweis in eine andere Wissenschaft gehört, den also die eine Wissenschaft von der andern gleichsam entlehnt. So bedient sich die Mechanik der Lehrsätze der Geometrie, die analytische Geometrie derer der Algebra als Lehnsätze u. s. w.

Lehnschulden, s. Lehnsfolge.

Lehnschulze, s. Schulze.

Lehnseid, s. Eid (Bd. 5, S. 771 a).

Lehnserneuerung, die neue Belehnung, welche bei Änderungen in der Person des Herrn (Herrenfall, Thronfall) und des Vasallen (Lehnsfall) auf innerhalb Jahr und Tag einzureichende Mutung des Vasallen nach Ableistung des Lehnseides eintritt. Das Recht der L. war für den Lehnsherrn ein Ersatz der frühern Nichtvererblichkeit der Lehn.

Lehnsfähigkeit. Zur Errichtung oder weitern Verleihung eines Lehns ist nur derjenige fähig, welcher sich Ritterdienste versprechen lassen kann, also Kaiser, Landesherr, ritterbürtige Personen, im modernen Staate nur der Landesherr (Bayr. Lehnsedikt von 1808, M. 22 fg.). Absolut zum Erwerbe eines Lehns unfähig waren Juden, Ehrlose, Exkommunizierte; relativ unfähig körperlich Behinderte, wie Frauen und Kranke; rechtlich nicht waffenfähige (nicht zum Heerschild gehörende) Personen (Geistliche, Städter, Bauern, jurist. Personen). Der Lehnsherr kann über die relative Lehnsunfähigkeit bei der Beleihung hinwegsehen. Mit der Gleichstellung der Stände sind die Beschränkungen der L. gefallen.

Lehnsfall, s. Lehnserneuerung.

Lehnsfehler, s. Felonie.

Lehnsfolge, der Eintritt eines neuen Vasallen nach dem Abgang, namentlich dem Tode des bisherigen. Nach langobard. Lehnsrecht sind beim Tode des Lehnsbesitzers als dessen Nachfolger im Lehn berufen die lehnsfähigen Abkömmlinge des zuerst Beliehenen, an erster Stelle die Abkömmlinge des letzten Besitzers unter Eintritt der Abkömmlinge eines vorverstorbenen Descendenten in dessen Stelle, sodann die lehnsfähigen Seitenverwandten unter Bevorzugung der nächsten Linie und in dieser des nächsten Grades (Linealgradualsystem). Oft wurde das Lehn einem gegen eine Abfindung der übrigen überlassen, welche alsdann bis zum Abgang der besitzenden Linie ausgeschlossen blieben. Nach deutschem Recht waren nur die Söhne eines Vasallen berufen, nicht alle vom ersten Erwerber abstammenden Seitenverwandten, doch wurde ein Successionsrecht derselben durch eine Gesamtbelehnung geschaffen, über Kognatensuccession s. Weiberlehn und Kunkellehn.

Die Allodialerbschaft des letzten Besitzers steht mit der Lehnserbschaft in keinem Zusammenhange. Fallen beide an verschiedene Personen, so tritt die Sonderung des Lehns vom Erbe ein. Ein Descendent als Lehnsfolger haftet für die Schulden des letzten Besitzers auch mit dem Lehn, soweit er nicht durch die Wohlthat des Inventars geschützt ist, nach Partikularrechten, wenigstens mit den Lehnsfrüchten, auch wenn er nicht Allodialerbe des Vaters geworden ist. Die Rechte des Lehnsherrn und der Seitenverwandten werden dadurch nicht beeinträchtigt. Ein Seitenverwandter haftet, wenn er als ein Lehnsfolger eintritt, für Schulden seines Vorgängers nur, wenn er oder sein Ascendent sie konsentiert hat, oder aus besonderm Grunde, z. B. weil ein aufgenommenes Kapital in das Lehn verwendet ist; ebenso hat er die Verpflichtung, die Töchter des letzten Besitzers zu alimentieren und auszustatten. Das sind die Lehnschulden im Gegensatz zu den übrigen Schulden