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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Leibeserben - Leibnitz

gung verschwanden. Die letzten Reste der L. in Deutschland wurden 1832 in der sächs. Oberlausitz und 1848 in den österr. Ländern getilgt.

In Rußland wurde die L. bereits unter Kaiser Alexander Ⅰ. in den drei Ostseeprovinzen auf Initiative der dortigen Ritterschaften aufgehoben. Die Pläne der Abschaffung im eigentlichen Rußland stießen auf den hartnäckigsten Widerstand; unter Nikolaus begnügte man sich der Willkür der Herren Schranken zu ziehen, freilich vergeblich, da man den Leibeigenen ein Recht der Klage gegen den Herrn nicht zugestand. Zu den Leibeigenen gehörten nicht nur Bauern, sondern auch städtische Arbeiter, ja Händler, die Dienerschaft u. s. w. Die Beziehungen der Herren waren vielfach patriarchalische. Einzelne ließ man technisch ausbilden und war stolz darauf, reiche Kapitalisten und selbst Künstler unter ihnen zu besitzen. Viele Leibeigene arbeiteten auf eigene Rechnung oft in entlegenen Gegenden und gaben dem Herrn nur einen geringen Teil ihres Erwerbs als sog. Obrok ab. Immer aber war der Grad ihrer Abhängigkeit durch die Humanität oder Tyrannei des Gebieters bedingt, dessen Strafgewalt fast unbeschränkt war; nur die Befugnis stand demselben nicht mehr zu, bei willkürlichem Verkauf die Bande der Ehe zu lösen. Die endliche Freigebung der Leibeigenen erfolgte durch Manifest des Kaisers Alexander Ⅱ. vom 19. Febr. (3. März) 1861. (S. Bauernemancipation und Rußland.)

Vgl. Sugenheim, Geschichte der Aufhebung der L. und Hörigkeit in Europa bis um die Mitte des 19. Jahrh. (Petersb. 1861); Engelmann, Die L. in Rußland (Lpz. 1884); G. F. Knapp, Die Bauernbefreiung und der Ursprung der Landarbeiter in den ältern Teilen Preußens (ebd. 1887); ders., Die Landarbeiter in Knechtschaft und Freiheit (ebd. 1891).

Leibeserben, in manchen Gegenden Bezeichnung für Descendenten des Erblassers (s. Abkömmling); in manchen Gesetzen auch für uneheliche Abkömmlinge, soweit sie erbfähig sind.

Leibesfrucht, s. Embryo (Bd. 6, S. 70 b).

Leibeskadron, s. Leibtruppen.

Leibesübungen, s. Gymnastik und Turnen.

Leibesverstopfung, s. Stuhlverstopfung.

Leibfuchs, s. Fuchs (student.).

Leibgarde, Leibwache, die seit dem Ende des 15. Jahrh. übliche Benennung der zum persönlichen Schutze des Fürsten bestimmten Haustruppen (s. d.). Die franz. Garde du Corps wurde 1440 errichtet, durch die Revolution wieder aufgelöst, 1815 wieder errichtet und 1830 aufgelöst. Napoleon Ⅲ. errichtete die Centgardes (s. d.). In Brandenburg-Preußen wurde 1542 die Trabantengarde zu Fuß errichtet, 1571 die L. der einspännigen Knechte zu Roß, die der Große Kurfürst sehr vermehrte und Kurfürst Friedrich Ⅲ. 1692 Garde du Corps benannte. Jetzt bestehen außer den unter Haustruppen erwähnten L. in Deutschland nur noch die L. der Kaiserin (s. Leibgendarmerie), die hess. Garde-Unteroffiziercompagnie, in Rußland die Compagnie der Palastgrenadiere, in England die Yeomen of Queen’s Guard und die Gentlemen at Arms, in Spanien die Monteros de Espinosa, die Alabaderos und die L. zu Pferd. Auch die früher an fast allen Höfen bestehenden Schweizer- und Trabantengarden waren L.

Leibgarde-Kosaken, zum russ. Gardekorps und zum Convoi (russ. Konwoj) des Kaisers gehörender Truppenteil. Es bestehen das 1. und 2. Leibgarde-Donkosaken-Regiment (Regiment des Kaisers und Ataman-Regiment des Thronfolgers) mit je 4 Eskadrons im Frieden und je 6 Eskadrons im Kriege und die Leidgarde-Ural-Eskadron, beide der 1. Gardekavalleriedivision zugeteilt, sowie die Leibgarde-Don-Batterie mit 6 bespannten Geschützen, zur reitenden Garde-Artilleriebrigade gehörig. Den Convoi des Kaisers bilden: die 1. und 2. Leibgarde-Kuban-, die 3. und 4. Leibgarde-Terekkosaken-Eskadron, im Frieden zu je 130, im Kriege zu je 245 Kosaken, und das Leibgarde-Krim-Tatarenkommando von 1 Offizier, 8 Mann, 17 Pferden im Frieden und 1 Offizier, 15 Mann, 31 Pferden im Kriege.

Leibgedinge oder Leibzucht (Vitalitium), vielfach gleichbedeutend mit Auszug (s. d.). Im eigentlichen Sinne und seit dem frühen deutschen Mittelalter ist L. der zur Versorgung der überlebenden Witwe im voraus vom Ehemann bestellte lebenslängliche Nießbrauch an gewissen Grundstücken. Der Ehemann durfte die Leibgedingsgüter ohne Zustimmung der Frau nicht veräußern. Das L. ist mitunter unabhängig von einer Wiederheirat der Witwe, mitunter aber lediglich Witwenversorgung. Daraus hat sich später als Gegenleistung der Mitgift der Ehefrau das Gegenvermächtnis (s. d.) entwickelt, das im Preuß. Allg. Landrecht L. genannt wird, wenn es in einem Nießbrauch von Gütern oder Kapitalien besteht; bei Rittergütern wurde diese Art der L. als Dotalicium (s. Donatio propter nuptias) bezeichnet. Anderwärts wird L. das Wittum (s. d.) genannt, überhaupt das, was der Witwe zu ihrem Unterhalt, unabhängig von etwaigem Eingebrachten, ausgesetzt ist oder zusteht.

Leibgendarmerie, im allgemeinen eine aus gut gedienten Mannschaften sich ergänzende meist berittene Truppe, welche zum Ordonnanz- und Wachtdienst bei der Person des Monarchen bestimmt ist; derartige Formationen finden sich fast in allen Staaten. – In Preußen ist die bis dahin in Stärke eines Zuges bestehende L. des Kaisers 1889 durch einen zweiten Zug vermehrt worden, welcher die Bezeichnung als L. der Kaiserin erhielt und zu ihrem Geleit bestimmt ist. Die L. trägt den Stahlhelm sowie Lederhosen und hohe Stiefel der Kürassiere, die Mannschaften des ersten Zuges grünes, die des zweiten Zuges weißes Koller. Für den Hofgaladienst trägt der zweite Zug eine Uniform ähnlich der Tracht der Kürassiere im 18. Jahrh.

Leibl, Wilhelm, Maler, geb. 23. Okt. 1844 zu Köln, lernte auf der Akademie in München unter Piloty und Ramberg und studierte 1869‒70 in Paris unter dem Einflusse Courbets, entwickelte aber selbständig einen tief in die Natur eindringenden Realismus. Von seinen Werken besitzt die Münchener Pinakothek: In der Bauernstube und In der Kleinstadt; die Sammlung Schön in Worms das bekannteste: Frauen in der Kirche; die Sammlung Stewart in Paris: Die lesenden Bauern; die Sammlung Liebieg in Reichenberg: Junge Männer beim Wein u. s. w. Auf der Centenarausstellung in Paris 1889 war L. mit: Vorarlberger Bäuerin mit Kind, und Frauen aus Dachau; auf der Ausstellung 1893 in München mit: Altes Bauernpaar, Laubsammlerin, vertreten. Auf der Kunstausstellung zu Berlin 1895 erhielt er die große goldene Medaille. L. lebt in Aibling in Oberbayern und widmet sich neben der Malerei auch der Radierkunst.

Leibnitz. 1) Bezirkshauptmannschaft in Steiermark, hat 743,07 qkm und (1890) 63981 (31704