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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Liudprand; Liukiu; Liutprand; Livadĭa; Livēdo; Liven

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Liudprand - Liven.

wenigstens seine Eigengüter wieder. Im J. 957 zog er zum zweitenmal nach Italien, um sich dies Königreich zum Ersatz für Schwaben zu erobern, siegte in zwei Treffen, eroberte Pavia, starb aber 6. Sept. 957 am Fieber und ward in Mainz begraben; er hinterließ einen einzigen Sohn, Otto, später Herzog von Schwaben. Liudolfs Andenken wurde vom Volk in Liedern gefeiert, seine Gestalt jedoch allmählich mit der des Herzogs Ernst von Schwaben, der ähnliche Schicksale hatte, verschmolzen (s. Herzog Ernst).

Liudprand, s. Liutprand 2).

Liukiu (Riukiu, Lu-tschu), zu Japan gehörige Inselgruppe im Großen Ozean, welche sich von der Colnetstraße unter 30° nördl. Br. in südwestlicher Richtung gegen Formosa bis zum 24.° südl. Br. hinzieht, außer den Linschoteninseln drei größere Gruppen bildet und 36 bewohnte Inseln nebst mehreren Riffen umfaßt, im ganzen 4828 qkm (88 QM.) mit (1882) 358,880 Einw. Einzelne der Inseln, namentlich die kleinern, wie im N. die Sieben Geschwister, sind vulkanisch und erheben sich steil aus dem Meer; andre scheinen Korallenbildungen zu sein, die Mehrzahl aber ist geologisch und botanisch noch ganz unbekannt. Das Klima geht vom subtropischen Charakter im N. in den tropischen im S. über und gilt durchweg für angenehm und gesund. Taifune und Erdbeben gehören, wie weiter nordwärts, zu den Plagen. Der Boden ist zum großen Teil sehr fruchtbar und bringt außer Reis, Weizen, Mais und einer Fülle der schönsten Früchte Thee, Zuckerrohr, Pfeffer, Baumwolle, Tabak und Firnisbäume hervor; berühmt sind die Farbhölzer. Die Bewohner bilden nach Körperbeschaffenheit, Sprache und Sitte mit den Japanern ein Volk. In der nördlichen Gruppe gilt Oshima als sehr fruchtbar und liefert namentlich Reis und Zucker. Der Haupthafen Tomari hat 5800 Einw. Zur mittlern Gruppe gehört Okinawa-shima oder Groß-L., eine wohlkultivierte Insel von wellenförmiger Beschaffenheit, mit 400 m hohen Hügeln, dem Hauptort Shiuri und dessen Hafen Nafa mit je ca. 11,000 Einw. Der zweite Hafen liegt im N. und heißt Kume. - Die Inselgruppe bildete früher ein selbständiges Königreich, das die Oberhoheit Japans anerkannte und an dieses einen kleinen jährlichen Tribut zahlte, aber auch an China Geschenke sandte. Als jedoch 1854 Japan sich mit China betreffs Formosa auseinander setzte, verbot es die weitere Übersendung von Geschenken an jenes und stellte 1876 die Gruppe als Okinawa Ken ganz unter japanische Verwaltung. Der König der Inseln wurde mediatisiert.

Liutprand (Luitprand), 1) König der Langobarden (712-744), eroberte 728 Ravenna und die Romagna, eilte 739 Karl Martell gegen die Araber zu Hilfe, welche er aus der Provence vertrieb, unterwarf sich 742 die Herzöge von Spoleto und Benevent wieder, die von ihm abgefallen waren und vom Papst Gregor II. unterstützt wurden. Er starb auf dem Gipfel seiner Macht 744.

2) (Liudprand) Bischof von Cremona, einer der wichtigsten Quellenschriftsteller für die deutsche Geschichte, geboren um 922 aus vornehmem langobardischen Geschlecht, bildete sich am Hof des Königs Hugo von Italien in Pavia und trat nach dessen Vertreibung (945) in die Dienste seines Nachfolgers Berengar, in dessen Auftrag er 949 als Gesandter nach Konstantinopel ging. Später verfeindete er sich mit Berengar, begab sich um 955 nach Deutschland, folgte 961 dem Kaiser Otto I. auf seinem Zug nach Italien, wurde 961 Bischof von Cremona und wohnte 963 der großen Synode in Rom bei. Seine abermalige Gesandtschaft nach Konstantinopel an den Kaiser Nikephoros (968) mit dem Zweck, Otto den Besitz von Unteritalien zu sichern und dessen Sohn mit der griechischen Prinzessin Theophano zu vermählen, blieb erfolglos. L. starb um 972. Seine "Antapodosis", d. h. Vergeltung (weil er sich darin an seinen Feinden, besonders Berengar und seiner Gemahlin Willa, rächen wollte), eine Geschichte seiner Zeit in sechs Büchern, reicht von 886 bis 950 und ist in den Jahren 958-962 abgefaßt; sie behandelt die Ereignisse in Deutschland, im griechischen Reich und besonders in Italien, ist lebendig geschrieben, in Einzelheiten nicht ganz zuverlässig, voller Anekdoten und gelehrter Citate aus klassischen Schriftstellern und gewährt einen wertvollen Einblick in die Sitten, Zustände und Denkweise seiner Zeit. Außerdem schrieb er: "De rebus gestis Ottonis Magni imperatoris" (960-964), in würdigerer Sprache rein sachlich geschrieben, und "De legatione Constantinopolitana" (bis zu seiner Abreise von Korfu, 7. Jan. 969), eine witzige, boshafte Satire auf den griechischen Hof. Die beiden ersten Werke besitzen wir in Liutprands eigner Handschrift. Die beste Ausgabe seiner Werke besorgte Pertz in den "Monumenta Germaniae historica", Bd. 3, eine kleine Ausgabe Dümmler (2. Aufl., Berl. 1879); ins Deutsche übersetzte sie v. Osten-Sacken (das. 1853). Vgl. Köpke, De vita et scriptis Liudprandi (Berl. 1842).

Livadĭa, 1) (Levadia) Stadt im griech. Nomos Attika und Böotien, am Fuß des Helikon, westlich vom See Topolias, mit Reis-, Seiden- und Baumwollbau und (1879) 4524 Einw. Nach L., dem alten Lebadeia (s. d.), wurde bis in die neuere Zeit der nördliche kontinentale Teil Griechenlands (zwischen Thessalien und Epirus im N. und dem Meerbusen von Korinth und Ägina) Livadien genannt. - 2) Besitzung der Kaiserin von Rußland am südlichen Ufer der Krim, in einer reizenden Gegend, 5 km vom Badeort Jalta, mit zwei Palästen, prachtvollen Gärten voll exotischer Gewächse, großartigen Parkanlagen und Weinbergen. Die ganze Umgegend ist ein Lieblingsaufenthalt der russischen Großen während der Herbstbadesaison geworden und weithin mit Villen und Schlössern bedeckt.

Livēdo, s. Livor.

Liven, ein dem finnischen Stamm angehöriges Volk an der Nordküste von Kurland, erstreckt sich in einer Breite von nur 1 km, zu beiden Seiten von Domesnäs, von Mellesille am Rigaischen Busen bis Lyserort an der Ostsee. Die L. sind der kümmerliche Rest der ehemaligen Bewohner des größten Teils von Kur- und Livland; sie leben noch in einer Anzahl von 2400 Köpfen in 12 Dörfern und unterscheiden sich streng von ihren Nachbarn, den Letten. Ihr Haupterwerb ist Fischerei und Seefahrt. Sie selbst kennen das Wort L. nicht und nennen sich Randalist (Strandbewohner). Sie sind Leute von hohem, schlankem Wuchs mit braunem, selten blondem Haar, grauen oder braunen Augen und mäßig langem, ziemlich breitem Kopf. Die livische Sprache, die alte Sprache Livlands, jetzt nur noch von den wenigen L. gesprochen, gehört zu dem finnisch-ugrischen Zweig des ural-altaischen Sprachstammes und ist am nächsten mit dem Finnischen und Esthnischen verwandt. Eine Grammatik und ein Wörterbuch lieferte Sjögren (hrsg. von Wiedemann, Petersb. 1861). Das Völkchen ist von Interesse als schwacher Überrest der einstigen finnischen Urbewohner des Landes und zeigt in Sitten und Gebräuchen noch viel Heidnisches. Vgl. Waldhauer, Zur Anthropologie der L. (Dorpat 1879).