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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Manier - Manihot.

das Toben schwächer, das Benehmen natürlicher, der Schlaf kehrt wieder, und die Kranken bekommen das Bewußtsein ihrer Krankheit und sind dann bald völlig genesen. Im schlimmen Fall zieht sich die Unruhe auf Jahre in die Länge, es gesellen sich Benommenheit, Unreinlichkeit, allmähliche Geistesschwäche hinzu, welche oft erst nach vielen Jahren den gänzlichen Verfall herbeiführen. Höchst selten reibt die Tobsucht auf der Höhe der Krankheit die Kräfte bis zur Erschöpfung auf, wenn nicht etwa andre körperliche Leiden zur M. sich hinzugesellen.

Unter den Ursachen spielt die Erblichkeit die Hauptrolle. Nächstdem kommen in Betracht Blutverluste und dadurch bedingte schlechte Ernährung des Gehirns, schwere Wochenbetten (Puerperalmanie), langdauernde Störungen des Monatsflusses, lange fortgesetzte Säfteverluste durch Stillen eines Kindes, Verletzungen des Schädels, Vergiftung mit Atropin. Im höhern Alter bringt die Rückbildung des Gehirns nicht so ganz selten diese Symptomengruppe zur Ausbildung, wobei natürlich die Aussicht auf Heilerfolg höchst gering ist, während im allgemeinen die M. zu den verhältnismäßig gutartigen Formen des Irrsinns zu zählen ist. Die Behandlung der M. richtet sich vorzugsweise gegen das Toben (Hyperkinesis) und die Schlaflosigkeit (Agrypnie). Man wendet Chloralhydrat mit Morphium, Einpackungen nach der Gräfenberger Methode und stundenlange lauwarme Bäder von 24-28° C. an. Jedenfalls ist dringend die Überführung der Patienten in eine Irrenanstalt anzuraten, da das Verbleiben in der Familie unberechenbare Gefahren nach sich ziehen kann.

Manīer (franz. manière), im allgemeinen die "Art und Weise", wie man etwas zu thun pflegt, besonders wenn damit den Forderungen der Wohlanständigkeit genügt wird; tadelnde Bezeichnung solcher Eigenschaften eines Kunstwerkes, welche nicht durch das Wesen des dargestellten Gegenstandes gegeben sind, sondern in sklavischer Nachahmung oder individueller Gewohnheit ihren Grund haben. So nennt man in der Malerei Manieristen diejenigen, welche den Stil eines großen Meisters geistlos nachahmen; auch verfällt derjenige in M., der eine von ihm eingeschlagene Richtung fortwährend wiederholt, so daß sie zuletzt ins Mechanische, Geistlose und Unnatürliche (Manierierte) ausartet. Fälschlich wird das Wort M. auch oft gleichbedeutend mit Stil genommen. - In der Musik versteht man unter Manieren s. v. w. Verzierungen (s. d.).

Manière criblée, s. Schrotblätter.

Manifést (lat.), öffentliche Erklärung einer Staatsregierung zur Rechtfertigung ihrer Handlungsweise, wie sie namentlich bei Eröffnung eines Kriegs erlassen zu werden pflegt (Kriegsmanifest); wird auch auf andre öffentliche Kundgebungen angewandt, wie man z. B. von einem Wahlmanifest, welches eine politische Partei erläßt, zu sprechen pflegt. Im Seerecht heißt M. der Frachtbrief über die gesamte Ladung eines Schiffs, in welchem die einzelnen Frachtbriefe auszugsweise zusammengestellt sind.

Manifestation (lat., "Offenbarung"), die wörtliche Erklärung oder Darlegung unsrer Gedanken und Absichten, z. B. M. des Willens; in der neuern naturphilosophischen Terminologie die Erscheinung des Unendlichen im Endlichen oder die Entzweiung des ursprünglich Einen und Absoluten, wodurch dasselbe in Gegensätzen (als Ideales und Reales, Subjektives und Objektives, Geist und Materie etc.) hervortritt, welches Hervortreten als eine Offenbarung des (immanenten) Göttlichen in der Natur betrachtet wird.

Manifestationseid, s. Offenbarungseid.

Maniguette, s. Habzelia.

Manihikiinseln (Roggeveen-Archipel), zentralpolynes. Inselgruppe, welche sich unter 10° südl. Br. zwischen den Unioninseln und den Markesasinseln hinzieht, 137 qkm (2,5 QM.) groß. Die Mehrzahl der Inseln scheint bewohnt zu sein, und zwar hatten 1877 Pukapuka 348, Manihiki 380, Rakäanga 400 und Tongarewa (Penrhyn) 300 Bewohner. Die Gesamtbevölkerung schätzt man auf 1600. Die Inseln sind niedrige, bewaldete Atolle oder Laguneninseln, auf welchen die Londoner Missionsgesellschaft von den Herveyinseln aus Stationen errichtet hat. Die Inseln Caroline, Malden und Starbuck sind englischer Besitz.

Manihot Plum. (Maniok), Gattung aus der Familie der Euphorbiaceen, große, perennierende Kräuter oder Halbsträucher, selten Bäume, mit großen, knolligen Wurzeln, einfachen oder handförmig geteilten Blättern, Blüten in armblütigen, einfachen oder zusammengesetzten, oft terminalen Trauben oder Trugdolden und dreiknöpfigen Kapselfrüchten. 40 fast sämtlich südamerikanische Arten. M. utilissima Pohl (Jatropha manihot L., bitterer Maniok, bittere Inka, Kassawastrauch), ein im tropischen Amerika einheimischer Strauch von 2 m Höhe, mit an der Spitze dicht beblätterten Zweigen, fünf- bis siebenteiligen, oberseits dunkelgrünen, unterseits seegrünen, langgestielten Blättern, armblütigen Blütenständen, zolllangen, kugelig länglichen, runzelig flügeligen Früchten und weißgrau marmorierten Samen, wird im tropischen Amerika bis Florida, auch in Afrika und Asien kultiviert. Die 30-60 cm langen, in Büscheln beisammenstehenden, milchsaft- und stärkemehlreichen Wurzeln enthalten auch Blausäure und sind deshalb giftig; durch geeignete Behandlung wird aber die flüchtige Blausäure entfernt, und man erhält dann ein gutes Nahrungsmittel. Die Benutzung der Knollen stammt von den Indianern, und sie bilden auch heute die Grundlage des Ernährungssystems der Brasilier. Gleich vielen tropischen Nutzpflanzen liefert der Kassawastrauch bei sehr geringer Arbeit einen hohen Ertrag. Man raspelt und zerreibt die Knollen, preßt die Masse aus, wäscht sie durch Bambusrohrgeflecht und röstet sie in Öfen. Die in der Presse zurückbleibende Masse liefert das Maniok- oder Mandiokamehl (farinha); aus der ablaufenden Flüssigkeit schlägt sich Stärkemehl (polvilho) nieder, welches geröstet Tapioka liefert. In andern Provinzen erhält man nach modifiziertem Verfahren etwas andre Produkte; auch bereitet man aus dem Mehl Kuchen, die unserm Brot mehr oder weniger ähnlich sind, und auf den Antillen mischt man das Mandiokamehl mit Weizenmehl und bäckt daraus Brot (conaque). Vgl. Kassawa. Die frische Wurzel benutzt man als Heilmittel bei Geschwüren. Die Blätter des M. werden als Gemüse gegessen. M. Aipi Pohl (süßer Maniok, süße Juka, Kassawastrauch) ist ein 2 m hoher Strauch Brasiliens, der daselbst sowie im ganzen tropischen Amerika häufig kultiviert wird. Die Wurzel wird, da sie einen milden Saft besitzt, mit weniger Mühe als die von M. utilissima Pohl (s. Tafel "Nahrungspflanzen I") vielfach zur Bereitung von Maniok benutzt. M. Janipha Pohl (Jatropha Janipha Pohl) ist ein 2-4 m hoher Strauch Südamerikas, dessen knollige, büschelige Wurzel ebenfalls als süße Kassawa geröstet oder gebraten gegessen wird. Die Samen aller drei Arten wirken purgierend und brechenerregend.