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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Marchena; Marches; Marcheschvan; Marchese; Marchesi

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Marchena - Marchesi.

ins Abendland sei das M. erst durch die Kreuzzüge gelangt; vielmehr treffen wir Spuren von ihm im Occident in weit früherer Zeit. Das klassische Altertum schon besaß Märchenhaftes oder Anklänge an das M. in Hülle und Fülle (von der Homerischen Kirke an bis zum Ring des Gyges bei Platon), wenn auch noch nicht das M. selbst als Kunstgattung. Dagegen taucht in der Zeit des Neuplatonismus, welcher als ein Übergang des antiken Bewußtseins zur Romantik bezeichnet werden kann, eine Dichtung des Altertums auf, welche technisch ein M. genannt werden kann, die reizvolle Episode von "Amor und Psyche" in Apulejus' "Goldenem Esel". Gleicherweise deuten Stellen in der altdeutschen Heldensage auf das Vorhandensein von M. bei den Germanen in uralter Zeit. Gesammelt begegnen uns M. am frühsten in den "Tredeci piacevoli notti" des Straparola (Vened. 1550), im "Pentamerone" des Giambattista Basile (gestorben um 1637 in Neapel), in den "Gesta Romanorum" (Mitte des 14. Jahrh.) etc. In Frankreich beginnen die eigentlichen Märchensammlungen erst zu Ende des 17. Jahrh.; Perrault eröffnete sie mit den als echte Volksmärchen zu betrachtenden "Contes de ma mère l'Oye"; 1704 folgte Gallands gute Übersetzung von "Tausendundeine Nacht" (s. d.), jener berühmten, in der Mitte des 16. Jahrh. im Orient zusammengestellten Sammlung arabischer M. Besondern Märchenreichtum haben England, Schottland und Irland aufzuweisen, vorzüglich die dortigen Nachkommen der keltischen Urbewohner. Die M. der skandinavischen Reiche zeigen nahe Verwandtschaft mit den deutschen. Reiche Fülle von M. findet sich bei den Slawen. In Deutschland treten Sammlungen von M. seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts auf. Die "Volksmärchen" von Musäus (1782) und Benedikte Naubert sind novellistisch und romantisch verarbeitete Volkssagen. Die erste wahrhaft bedeutende, in Darstellung und Fassung vollkommen echte Sammlung deutscher M. sind die "Kinder- und Hausmärchen" der Brüder Grimm (zuerst 1812-13, 2 Bde.; ein 3. Band, 1822, enthält litterarische Nachweise bezüglich der M.). Unter den sonstigen deutschen Sammlungen steht der Grimmschen am nächsten die von L. Bechstein (zuerst 1845); außerdem sind als die bessern zu nennen: die von E. M. Arndt (1818), Löhr (1818), J. W. ^[Johannes Wilhelm] Wolf (1845 u. 1851), Zingerle (1852-54), E. Meier (1852), H. Pröhle (1853) u. a. Mit M. des Auslandes machten uns durch Übertragungen bekannt: die Brüder Grimm (Irland, 1826), Graf Mailáth (Ungarn, 1825), Vogl (Slawonien, 1837), Schott (Walachei, 1845), Asbjörnson (Norwegen), Bade (Bretagne, 1847), Iken (Persien, 1847), Gaal (Ungarn, 1858), Schleicher (Litauen, 1857), Waldau (Böhmen, 1860), Hahn (Griechenland und Albanien, 1863), Schneller (Welschtirol, 1867), Kreutzwald (Esthland, 1869), Wenzig (Westslawen, 1869), Knortz (Indianermärchen, 1870 und 1879), Gonzenbach (Sizilien, 1870), Österley (Orient, 1873), Carmen Sylva (Rumänien, 1882), Leskien und Brugman (Litauen, 1882), Goldschmidt (Rußland, 1882), Veckenstedt (Litauen, 1883), Krauß (Südslawen, 1883-84), Brauns (Japan, 1884), Poestion (Island, 1884; Lappland, 1885) u. a. Unter den Kunstpoeten haben sich im M. mit dem meisten Glück versucht: Goethe, L. Tieck, Chamisso, E. T. A. Hoffmann, Fouqué, Kl. Brentano, der Däne Andersen, R. Leander (Volkmann) u. a. Vgl. Maaß, Das deutsche M. (Hamb. 1887).

Marchena (spr. -tschēna), Bezirksstadt in der span. Provinz Sevilla, an der Andalusischen Eisenbahn, hat einen Palast der Herzöge von Arcos, eine Kirche, Santa Maria (maurischer Bau), eine Schwefelquelle mit Badeanstalt und (1878) 13,768 Einw.

Marches (engl., spr. mártsches) entspricht dem deutschen Mark (s. v. w. Grenze) und wird namentlich auf die Grenzbezirke zwischen England, Schottland und Wales angewandt. In der schottischen Jurisprudenz bedeutet M. Eigentums- oder Gutsgrenze.

Marcheschvan (hebr., auch abgekürzt Cheschvan), im jüdischen Kalender der zweite Monat des bürgerlichen, der achte des Festjahrs, dem Oktober entsprechend, hat abwechselnd 29 oder 30 Tage.

Marchese (ital., spr. -kēse), s. v. w. Marquis; Marchesa, Marquise; vgl. Marquis und Adel, S. 110.

Marchesi (spr. -kēsi), 1) Pompeo, Cavaliere, ital. Bildhauer, geb. 1790 zu Mailand, bildete sich unter Canova und nach der Antike und ward Professor an der Akademie in Mailand. Von seinen ersten Arbeiten sind die Reliefs am Simplonbogen, eine Terpsichore und eine Venus Urania, die kolossalen Statuen des heil. Ambrosius und des Königs Karl Emanuel, die Bildsäule Voltas und das Denkmal der Sängerin Malibran zu nennen. Später fertigte M. die sitzende Statue Goethes in Marmor für die Stadtbibliothek in Frankfurt, dann (mit Manfredoni) das Standbild Kaiser Franz' I. für Graz und das Standbild desselben Kaisers für die Hofburg in Wien. Seine besten Arbeiten sind das Grabmal des Herzogs Emanuel Philipp von Savoyen in Turin (1843) und die gute Mutter oder das Karfreitagsfest, kolossale Marmorgruppe, in der Kirche San Carlo zu Mailand. M. verband Anmut u. Weichheit der Form mit maßvoller Durchbildung. Er starb 6. Febr. 1858 in Mailand.

2) Salvatore (eigentlich Ritter Salvatore de Castrone), Opern- und Konzertsänger (Bariton), geb. 15. Jan. 1822 zu Palermo, war erst Militär, studierte darauf in Palermo die Rechte, daneben Gesang und Komposition, ging 1849 als politischer Flüchtling nach New York, wo er an der Italienischen Oper engagiert wurde, setzte 1850 bei Garcia in London seine Gesangstudien fort und machte sich als Konzertsänger einen Namen. Seit 1852 mit der Sängerin Mathilde Graumann (s. unten) verheiratet, machte er mit derselben Konzertreisen nach den Hauptstädten Deutschlands, Italiens, Frankreichs, nach Brüssel, London etc., überall Triumphe feiernd, war dann 1854-61 am Konservatorium zu Wien als Lehrer thätig, begleitete seine Gattin darauf nach Paris, 1865 nach Köln und kehrte mit derselben 1868 an das Wiener Konservatorium zurück. Seit 1881 haben beide ihren Wohnsitz wieder in Paris. M. hat sich auch als Komponist von Liedern, Vokalisen etc. sowie als Herausgeber einer trefflichen Gesangschule einen Namen gemacht. - Seine Gattin Mathilde, geborne Graumann, geb. 26. März 1826 zu Frankfurt a. M., erhielt ihre musikalische Ausbildung von O. Nicolai in Wien und M. Garcia in Paris, bei dem sie vier Jahre hindurch studierte, und war bereits in Paris und London als Konzertsängerin angesehen, als sie sich mit M. verheiratete. Neben diesem übernahm sie 1854 die Stelle einer Gesanglehrerin am Konservatorium in Wien, errichtete 1861 eine Privatgesangschule in Paris und folgte 1865 einem Ruf Hillers an das Konservatorium zu Köln, von wo sie 1868 nach Wien zurückkehrte. Hier entfaltete sie als Gesanglehrerin zunächst wieder am Konservatorium, dann 1878-81 als Leiterin einer eignen Schule eine ungemein erfolgreiche Thätigkeit und hat für eine Reihe von Bühnen vorzügliche dramatische Gesangskräfte herangebildet. In gleicher Weise wirkt sie seit