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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Marr; Marrené; Marschall von Biberstein; Marschner; Marseille

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Marr - Marseille.

Die Marmore von den Inseln Paros und Naxos, die, nahe bei einander gelegen in der Mitte der Cykladen, sich in ihrer geologischen Beschaffenheit gleichen, sind an dem gröbern Kalkspatkorn von den attischen Marmoren zu unterscheiden. Ferner ist keine dichte oder feinkörnige Grundmasse zwischen den deutlich erkennbaren einzelnen Kalkspatkristallen übriggeblieben, sondern die ganze Gesteinsmasse ist zu einem körnigen oder grobkörnigen Mosaik von Kalkspatkristallen auskristallisiert; hierdurch kann man den besten parischen, den verhältnismäßig nicht so grobkörnigen Lychnites-Lithos, von dem besten, gut auskristallisierten pentelischen M. unterscheiden. Dieser Lychnites-Lithos (Lampenstein) war der berühmteste Statuenmarmor des Altertums; z. B. ist aus ihm der Hermes des Praxiteles gemeißelt. Dieser M. stand nicht zu Tage, sondern er wurde in unterirdischen Gruben gewonnen, weil die nur 2-4 m dicke Schicht des besten Statuenmarmors mit Winkeln von 5-70° nach O. zu in den Berg einfällt; schief nach unten eindringende Schleppschächte führen von mehreren Eingängen, die in einer Höhe von ca. 200 m über dem Meere stehen, durch ausgedehnte Höhlungen und Grotten (alle künstlich in den Felsen gehauen) bis zu einer Tiefe von ca. 140-120 m ü. M. hinab. Durch die Arbeiten einer neuern Gesellschaft, welche im J. 1879 gegründet und im J. 1884 bankrott wurde, sind die Schuttmassen aus einigen Teilen dieser Gruben so weit entfernt worden, daß man die gute Marmorschicht im Anstehenden auf eine Länge von ca. 300 m längs der Linie verfolgen kann, an welcher an der Peripherie in der Tiefe der Grotten die antiken Arbeiten aufgehört hatten. Die Alten haben von dieser 2-4 m mächtigen Bank besten Statuenmarmors aus diesen Gruben mindestens 30,000 cbm herausgeschafft, nur einen Teil freilich als brauchbare Blöcke, sehr viel auch als Brockenwerk. Die neue Gesellschaft mußte deshalb die Arbeit einstellen, weil ihr nicht gelang, große ganze Blöcke des Statuenmarmors aus der zerklüfteten Bank herauszuarbeiten und fördern zu lassen. Herr Cordellas in Athen glaubt aber nach neuern Untersuchungen, daß auf der Südostseite der Bank der M. weniger brüchig sei, und will deshalb die Arbeiten von einer neuen Gesellschaft wieder aufnehmen lassen.

Die Struktur dieses Lychnites, des bei Lampenlicht gewonnenen Steines, charakterisiert sich dadurch, daß die ganze Gesteinsmasse aus Kalkspatkristallen zusammengesetzt ist, ohne daß eine dichte oder feinkörnige Zwischenmasse zwischen den Kristallen zu bemerken ist; dieser M. hat daher die Struktur wie etwa unser sogen. Kolonialzucker, im Gegensatz zu dem feinkörnigern pentelischen oder attischen M., der in seinem Korne unserm gewöhnlichen Rübenzucker gleicht. Das gröbere, zugleich feste Kristallgefüge verschafft dem Lychnites seine verhältnismäßig große Durchsichtigkeit: das Licht dringt in keinen M. tiefer ein als in diesen. Der beste pentelische M. läßt das Licht nur bis zu Gesteinsdicken von 15 mm, der beste karrarische bis zu 25 mm, der Lychnites aus der Nymphengrotte aber bis zu 35 mm durchscheinen und eindringen. Auf diesem verhältnismäßig tiefen Eindringen des Lichtes beruht zum großen Teil die Schönheit des guten parischen Marmors. Daher kann sicherlich nicht die ganze Statue des Hermes von Olympia bemalt gewesen sein, weil die Farbendecke gerade die beste Eigenschaft dieses kostbaren Marmors, feine relative Durchsichtigkeit, verdeckt haben würde.

Der Peloponnes ist arm an M.; dort wurde nur bunter M. gebrochen, roter und schwarzer, deren antike Brüche aber erst zum Teil wieder aufgefunden sind. Eigentlicher Statuenmarmor ist sonst nicht vorhanden. Der bunte aber wurde im Altertum namentlich zu Rom viel verarbeitet, besonders der schwarze von Tänaron.

Marr, Karl, Maler, geb. 14. Febr. 1858 zu Milwaukee (Wisconsin) als Sohn deutscher Eltern, begab sich zu seiner künstlerischen Ausbildung nach Deutschland, wo er seine Studien in Weimar bei Schauß begann und dann in Berlin bei Gussow und in München bei Otto Seitz, G. Max und W. Lindenschmit fortsetzte. Letzterer gewann auf M. einen entscheidenden Einfluß, der sich in dem figurenreichen Kolossalgemälde: die Flagellanten, offenbarte, das dem Künstler, der vorher nur ein größeres Bild, eine Episode aus den deutschen Befreiungskriegen 1813, gemalt hatte, auf der Münchener Ausstellung von 1889 eine erste Medaille eintrug. Es ist ein Sittenbild aus der Geschichte Roms im Mittelalter, der Einbruch der Geißelbrüder im Herbst 1260, deren Fanatismus die Bevölkerung Roms ansteckte. Ein langer Zug halbnackter Flagellanten schreitet über einen freien Platz an einer Kirche vorüber und reizt die zuschauende Volksmenge zur Nachfolge. Die Tiefe und Mannigfaltigkeit der Charakteristik der zahlreichen Figuren, die dramatisch-erregte Komposition und die malerische Darstellung vereinigen sich zu einer kraftvollen Wirkung. Größere koloristische Reize als in diesem auf einen kühlen Ton gestimmten Gemälde entfaltete M. in einer zweiten Episode aus den Napoleonischen Kriegen: in Deutschland 1806, in der er das Elend einer deutschen Familie unter dem Drucke französischer Einquartierung ergreifend schilderte. M. lebt in München.

Marrené, Valerie, poln. Romanschriftstellerin, geboren um 1830 als Tochter des Generals de Grandville-Malecki, heiratete nach dem Tode ihres ersten Gatten Morzkowski den Gutsbesitzer Marrené, lebt seit 1876 in Warschau als eins der Häupter des Positivistenkreises. Sie debütierte schon 1850 mit einer Übersetzung des »Tancred« von d'Israeli, 1857 mit dem Originalroman »Der neue Gladiator« und veröffentlichte in den beiden letzten Jahrzehnten eine Unzahl von meistens tendenziösen, pessimistisch-realistischen Sittenromanen, unter denen hervorzuheben sind: »Jerzy« (1864), »Leben für Leben« (1867), »Der Mann Eleonorens« (1869), »Der Götze Million« (1872), »Männer und Frauen« (1874), »Das blaue Tüchlein« (1876), »Grundsätze und Thaten« (1877), »January« (1879), »Der Sumpf« (1885), »Im Grunde des Lebens« (1887), »Novellen« (1888) etc. Vgl. O. Chmielowski, Autorki Polskie (Warsch. 1885).

Marschall von Biberstein, Adolf, Freiherr von, wurde nach dem Rücktritt des Grafen Herbert v. Bismarck im April 1890 zum Staatssekretär des Auswärtigen Amtes des Deutschen Reiches ernannt.

Marschner, Adolf Eduard, Liederkomponist, geb. 5. März 1810, lebte als Gesang- und Klavierlehrer in Leipzig, wo er 9. Sept. 1853 starb. Veröffentlichte Männerchöre (am bekanntesten: »Warum bist du so ferne?«, »Horst du das mächtige Klingen«) und Lieder für eine Singstimme.

Marseille. Im Hafen von M. sind im J. 1889: 8555 Schiffe (6155 französische und 2400 fremde) von 4,724,081 Ton. eingelaufen und 8390 Schiffe (5974 französische und 2416 fremde) von 4,672,596 T. ausgelaufen. Im Vergleich zum Vorjahr hat die