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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Museum

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Museum.

aber auch unter der römischen Herrschaft blieb sie, einige Wechselfälle abgerechnet, in Wirksamkeit. Der römische Kaiser Claudius fügte ein zweites M. zu gleichem Zweck hinzu und benannte es nach sich. Vgl. Parthey, Das alexandrinische M. (Berl. 1838); Klippel, Über das alexandrinische M. (Götting. 1838). Andre berühmte Museen des Altertums waren zu Pergamon, Antiochia und Konstantinopel.

Seit dem Ende des Mittelalters bezeichnete man mit dem Ausdruck M. im weitern Sinn eine in einem besonders dazu hergestellten Gebäude zur Ansicht aufgestellte Sammlung seltener und interessanter Gegenstände aus dem Gebiet der Naturgeschichte oder der Künste; später verstand man darunter ein Gebäude zur Aufbewahrung von Kunstdenkmälern, bis in der Neuzeit das Wort M. für Kunst- und wissenschaftliche Sammlungen jeglicher Art angewendet wird. Es gibt anatomische, landwirtschaftliche, mineralogische, botanische, zoologische, geologische, naturhistorische, ethnologische, physikalische, historische, prähistorische, Waffen- u. a. Museen, in welchen die Geschichte und das System jeder Wissenschaft durch Naturerzeugnisse, Präparate oder Kunstprodukte veranschaulicht wird. Neben diesen wissenschaftlichen Museen bilden die Kunstmuseen, die sich wieder in solche für höhere Kunst (Malerei, Plastik) und in solche für das Kunstgewerbe teilen, eine besondere Gruppe (vgl. Kunstgewerbemuseum). Endlich gibt es Museen, welche der Aufbewahrung von Werken einzelner Meister dienen (Thorwaldsen-M. in Kopenhagen, Rauch-M. in Berlin, Ingres-M. in Montauban, Rietschel- und Schilling-M. in Dresden), und solche, die ihren Namen von ihren Stiftern tragen (Städelsches Institut in Frankfurt a. M., Suermondt-M. in Aachen, Wallraf-Richartz-M. in Köln). Die ersten Kunstmuseen wurden in Florenz angelegt. Man ging von Münz- und Gemmensammlungen aus, deren erste die Familie Este errichtete; dann sammelte man Büsten und schmückte damit Bibliotheken und Säle, während man andre Bildwerke in geräumigen Hallen und offenen Höfen aufstellte. Das berühmteste Lokal dieser Art war die Villa Borghese (s. d.) vor der Porta del Popolo in Rom. Dann stellte man in Museen überhaupt Kunstgegenstände des Altertums auf, Gemälde, Säulen, Reliefs etc., und vereinigte dieselben auch wohl mit Kunstgegenständen der neuern Zeit. Cosimo I. von Medici veranstaltete mehrere bedeutende Sammlungen, unter denen das Florentiner M. den berühmtesten Namen gewann. In Rom gehen die Museen im Vatikan (s. d.) auf Julius II. zurück. Im Italien des 16. Jahrh. wurden vornehmlich Antiken (griechische, römische, ägyptische und etruskische) gesammelt. Gemälde und Handzeichnungen traten erst später hinzu. Die Museen des Vatikans sind die umfangreichsten Roms. In Bezug auf Mannigfaltigkeit und Universalität stehen ihnen zur Seite das Louvre (s. d.) in Paris, welches seit dem Ende des vorigen Jahrhunderts Kunstzwecken eingeräumt wurde und zur Zeit Napoleons I. unter dem Namen Musée Napoleon aus allen Ländern zusammengeraubte Kunstschätze enthielt, das Britische M. (s. d.) zu London, die königlichen Museen zu Berlin (s. d., S. 755 u. 759), die Eremitage (s. d.) in Petersburg und die kaiserlichen Hofmuseen in Wien (s. d.). In Rom befinden sich außer dem M. des Vatikans noch ein M. im Lateran (s. d.) und zahlreiche Kunstsammlungen in Privatpalästen und Villen (s. die einzelnen Namen). Die älteste derselben ist das M. Kircherianum, von Kircher begründet, im Jesuitenkollegium. Von den übrigen Museen Italiens sind hervorzuheben: das Museo nazionale (früher Museo borbonico) in Neapel (mit den Ergebnissen der Ausgrabungen in den verschütteten Vesuvstädten), die Kunstsammlungen in den Uffizien, im Palazzo Pitti und im Museo nazionale (Bargello) zu Florenz, die Brera und das Museo Poldi-Pezzoli in Mailand, die Sammlung der Akademie und das Museo Correr in Venedig, ferner die Kunstsammlungen in Turin, Verona, Brescia, Genua (Privatpaläste), Bologna (Pinakothek) und Palermo. Frankreich besitzt außerhalb von Paris, wo noch das Luxembourgmuseum und das Musée Cluny zu nennen sind, gegen 250 (meist städtische oder von wissenschaftlichen Gesellschaften gegründete) Museen. Die bedeutendsten sind die in Marseille, Aix, Caen, Dijon, Besançon, Nîmes, Toulouse, Bordeaux, Montpellier, Tours, Grenoble, Nantes, Lille, Valenciennes, Lyon, St.-Germain, Versailles (historisches M.), Rouen und Amiens. Vgl. Clément de Ris, Les musées de province (2. Aufl., Par. 1871); Champier, L'année artistique (das. 1882). Von den Museen in Großbritannien und Irland ist das zu Oxford das älteste (1679 von Elias Ashmole gestiftet). Kunstsammler in großem Maßstab war schon Karl I., doch wurden seine Sammlungen nach seinem Tod zerstreut. Außerhalb Londons gibt es noch öffentliche Museen in Edinburg und Manchester. Die Mehrzahl der englischen Kunstsammlungen ist jedoch in Privatbesitz. Öffentliche Museen gibt es auch in Spanien (Madrid, Valencia, Granada, Toledo), Schweden (Stockholm), Norwegen (Christiania) und Dänemark (Kopenhagen). Doch sind es meist Gemälde- und andre Spezialsammlungen. Besonders reich an Museen sind Belgien (Brüssel, Antwerpen, Gent, Brügge, Lüttich) und Holland (Rijksmuseum zu Amsterdam, Rotterdam, Haag, Haarlem, Utrecht, Leiden). In Österreich-Ungarn bildet Wien den Mittelpunkt mit zahlreichen Museen für Kunst und Wissenschaft. Daneben kommt noch Pest in Betracht. Die an Museen reichsten Städte Deutschlands sind nächst Berlin Dresden und München. Im ganzen besitzt Deutschland gegen 210 Museen (d. h. öffentliche Kunstsammlungen jeglicher Art), teils den Staaten oder den Landesfürsten gehörig, teils städtische oder von Provinzialverbänden und Privatvereinen gegründete, unter denen die in Aachen, Augsburg, Braunschweig, Breslau, Darmstadt, Dessau, Düsseldorf, Frankfurt a. M., Gotha, Hamburg (Kunsthalle), Hannover, Karlsruhe, Kassel, Köln, Königsberg, Leipzig, Mainz (Römisch-Germanisches Zentralmuseum), Nürnberg (Germanisches M.), Oldenburg, Schwerin, Stuttgart, Trier und Weimar die bedeutendsten sind. Vgl. Springer, Kunsthandbuch für Deutschland, Österreich und die Schweiz (Berl. 1886). In den Vereinigten Staaten von Nordamerika gibt es auch eine Anzahl meist aus Privatmitteln gegründeter Kunstsammlungen, von denen besonders diejenigen in Boston (M. of fine arts), Cincinnati, New York (Metropolitan M. of art), Philadelphia und Washington (National M.) zu nennen sind. - M. nennt man außerdem geschlossene Gesellschaften, welche im Interesse geistiger Unterhaltung (Zeitungslektüre, Vorlesungen) gegründet sind. Als Titel von Büchern und Zeitschriften bezeichnet M. häufig ein Sammelwerk. In der Litteraturgeschichte bekannt sind das "Attische M." von Wieland, das "Britische M." (Leipz. 1770-81, 26 Bde.) und das "Deutsche M." (1776-88 und 1851-67). Von 1878 bis 1885 erschien in Dresden eine "Zeitschrift für Museologie" (hrsg. von Grässe).