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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Musen; Müsen; Musenalmanache; Musenroß; Musensohn; Musette; Musēum

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Müsen - Museum.

Der Lieblingsaufenthalt der M. war der Helikon; sie badeten sich in dem Quell Hippokrene und den Flüssen Permessos und Olmios. Auf dem Olymp hatten sie ihre Wohnung gemeinsam mit den Charitinnen und dem Himeros; auch auf dem Kithäron, Pindos und Parnassos verweilten sie gern. Hier befand sich die Kastalische Quelle, aus welcher Begeisterung zur Poesie und Weissagung getrunken wurde. Im Göttersaal sind sie beim Mahl anwesend und erfreuen die Unsterblichen durch ihren Gesang. Ihr Führer ist Apollon (daher Musagetes genannt). Hesiod teilt ihnen auch die Kunst des Tanzes zu; mit den Charitinnen führen sie gemeinschaftlich Chorreigen auf. Sie sind ewig jungfräulich und frei von jeder sinnlichen Regung, doch heißen viele berühmte Sänger der Mythenzeit ihre Söhne. Weil Apollon auch der Gott der Weissagung ist, so liegen auch den M. Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft klar vor Augen. Sie üben auch das musikalische Richteramt, z. B. im Wettkampf zwischen Apollon und Marsyas, und lassen sich selbst in Wettkämpfe ein. Die bildende Kunst stellte die M. anfangs in der Dreizahl dar mit Flöte, Leier und Barbiton, so die Gruppe des Ageladas, Kanachos und Aristokles. Die Neunzahl trat erst auf, als Apollon Musagetes mit langem Kitharodengewand und schwungvoller Haltung sein Kunstideal erhalten hatte, wurde dann aber sehr häufig in Statuen (Giebelgruppe des Praxias in Delphi, Gruppen des Lysippos, Strongylion u. a.), Reliefs und Gemälden behandelt. Die jetzt noch beliebten, namentlich in der Römerzeit gern wiederholten Musentypen haben sich, wie es scheint, erst in der alexandrinischen Epoche entwickelt. In Relief finden sich (außer auf verschiedenen Sarkophagen, z. B. dem Pariser Sarkophag des Louvre, s. Abbildung) die M. auch vereint in der sogen. Homer-Apotheose des Künstlers Archelaos von Priene (Britisches Museum, London). Unter den erhaltenen Statuengruppen sind die bekanntesten: 1) die in der Villa des Cassius zu Tivoli gefundene Gruppe, jetzt im Vatikan, 2) eine aus der Sammlung der Königin Christina von Schweden nach Madrid gekommene Gruppe und 3) diejenige des Berliner Museums (früher als Töchter des Lykomedes bezeichnet). Vgl. Deiters, Über die Verehrung der M. bei den Griechen (Bonn 1868); Krause, Die M., Grazien, Horen u. Nymphen etc. (Halle 1871); Oberg, Musarum typi (Berl. 1873); Rödiger, Die M. (Leipz. 1875); Trendelenburg, Der Musenchor, Relief einer Marmorbasis aus Halikarnaß (Berl. 1876); Bie, Die M. in der antiken Kunst (das. 1887).

Müsen, Dorf im preuß. Regierungsbezirk Arnsberg, Kreis Siegen, hat eine evang. Kirche, ein großes Eisenhütten- und Stahlwerk (für Rohstahl und Spiegeleisen), 2 Hütten auf Silber, Blei und Kupfer und (1885) 1502 Einw. Nahebei liegt der Stahlberg mit ausgezeichnetem Eisenerzlager und bedeutendem Bergbau auf Spateisenstein, Bleierz und Blende. Der Betrieb des Bergbaues datiert aus dem Jahr 1200.

Musenalmanache, jährlich erscheinende Sammlungen dichterischer Erzeugnisse, kamen zur Zeit der wieder auflebenden Poesie der Deutschen um die Mitte des 18. Jahrh. in Aufnahme und dienten geraume Zeit als Vereinigungspunkte für die bedeutendsten poetischen Kräfte der Nation. Schon vor dem Aufkommen der eigentlichen M. gab es Sammelplätze für poetische Versuche, unter denen zu nennen sind: die "Poesien der Niedersachsen" von Weichmann (Hamb. 1721-36, 6 Bde.), welche Hagedorns Jünglingsgaben aufnahmen; die "Belustigungen des Verstandes und Witzes" von Schwabe (Leipz. 1741-45, 8 Bde.), in denen Gellert, Kleist u. a. zuerst vor die Öffentlichkeit traten, und deren Fortsetzung: "Neue Beiträge zum Vergnügen des Verstandes und Witzes" (Brem. 1745-48, 6 Bde.; gewöhnlich die "Bremischen Beiträge" genannt), woran sich die "Sammlung vermischter Schriften" von den Verfassern der "Bremischen Beiträge" (Leipz. 1748-54, 8 Bde.) anschloß. Einige Jahrzehnte später (1769) verbanden sich Gotter und Boje zur Herausgabe einer poetischen Blumenlese, welcher sie nach dem Vorbild des seit 1765 herausgekommenen französischen "Almanac des Muses" den Titel "Musenalmanach" gaben. Er ward später von Boje allein bis 1775, dann von Göckingk, seit 1778 von Bürger und 1794-1805 von K. Reinhard redigiert. In ihm legten die Mitglieder des Göttinger Dichterbundes (s. d.) ihre dichterischen Produktionen nieder. Diesem "Göttinger Musenalmanach" folgte 1776 der sogen. "Hamburgische Musenalmanach" von Voß, dann der in Leipzig 1770-1781 von Th. H. Schmid herausgegebene sowie seit 1777 der sogen. "Wienerische Musenalmanach". Die bedeutendste Erscheinung auf diesem Feld war jedoch der 1796-1801 von Schiller herausgegebene "Musenalmanach", an welchem außer Schiller und Goethe die talentvollsten Dichter jener Zeit teilnahmen. Nach diesem entstanden die M. von A. W. Schlegel und Tieck (Tübing. 1802), von Vermehren (Jena 1802-1803), von Varnhagen v. Ense und Chamisso (1804) und von Leo v. Seckendorf (1807-1808) und das "Poetische Taschenbuch" von Fr. Schlegel (Berl. 1805-1806). In der nächsten Zeit wurden die M. von den neu aufkommenden "Taschenbüchern" (s. d.) verdrängt, und erst 1830 traten wieder zwei M. gleichzeitig hervor: der Berliner "Musenalmanach" von M. Veit, der aber nur zwei Jahrgänge erlebte, und der Leipziger von Am. Wendt, der als "Deutscher Musenalmanach" 1834-39 von Chamisso und G. Schwab fortgesetzt und von den bedeutendsten Dichtern mit Beiträgen ausgestattet ward. Neuere Erscheinungen von Bedeutung sind der "Deutsche Musenalmanach" von Echtermeyer und Ruge (Berl. 1840-41), der von K. Schad (Würzb. 1850-59) und der von O. Gruppe (Berl. 1851-55).

Musenroß, s. v. w. Pegasos.

Musensohn, s. v. w. Student.

Musette (franz., spr. mü-), s. v. w. Dudelsack (s. d.); danach auch Bezeichnung eines im Tripeltakt geschriebenen Tanzes, der zur Zeit Ludwigs XIV. und Ludwigs XV., wo die M. Favoritinstrument war, in Aufnahme kam; offenbar wurde derselbe mit Musetten begleitet, wie daraus hervorgeht, daß das Charakteristische des Tanzes ein festliegender Baß ist.

Musēum (v. griech. musa, Muse), ursprünglich ein Musentempel; dann überhaupt ein den Musen, d. h. der Gelehrsamkeit, den Wissenschaften und Künsten, geweihter Ort etc. Das bedeutendste und wichtigste M. des Altertums im letztern Sinn war das zu Alexandria, als dessen Stifter gewöhnlich Ptolemäos Philadelphos (284-246 v. Chr.) genannt wird. Es befand sich in dem Teil des königlichen Palastes, welcher zugleich für die Bibliothek bestimmt war. Dort versammelte sich eine ausgewählte Gesellschaft von Gelehrten, die auf Staatskosten unterhalten wurden, um ungestört ihren wissenschaftlichen Bestrebungen leben zu können. Ihre Thätigkeit war eine vorherrschend philologische und zwar sowohl kritische als exegetische; aber auch Poesie wurde geübt und für die Medizin und die sogen. exakten Wissenschaften ein fruchtbarer Boden gewonnen. Die größte Blüte der Anstalt fällt in die Zeiten der Ptolemäer;