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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Neutralität; Neutral-Moresnet; Neutralrot; Neutralsalze; Neutralviolett; Neutrum; Neu-Ulm

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Neutralität - Neu-Ulm

durch Säuren farblos wird. Auch Fluorescein, Phthalein, Rosolsäure und andere Indikatoren (s. d.) werden in neuerer Zeit hierzu verwendet. Man sagt dann, wenn die Flüssigkeit auf die genannten Farbstoffe wirkungslos ist, die Säure sei von der Base gesättigt worden, und nennt demnach den Zustand, in dem sich die Verbindung befindet, einen gesättigten, den Akt aber, durch den dieser Zustand herbeigeführt wurde, die Sättigung (s. d.), und den Moment, in dem durch fortgesetzte Hinzufügung der einen Substanz zur andern die Sättigung vollendet wird, den Sättigungspunkt. In ähnlicher Weise gebraucht man diesen Ausdruck bei physik. Vorgängen, die auf einem Ausgleich polar entgegengesetzter Zustände beruhen. So kann man z. B. positive Elektricität durch negative neutralisieren. - über N. im völkerrechtlichen Sinne s. Neutralität.

Neutralität, das völkerrechtliche Verhältnis derjenigen Staaten, welche an einem ausgebrochenen Kriege auf keiner von beiden Seiten teilnehmen (lat. qui neutrarum partium sunt, daher Neutrale), zu den kriegführenden. Im heutigen Europäischen Völkerrecht (s. d.) bedeutet die N. die Fortdauer der friedlichen Staatengemeinschaft auch während des unter einzelnen Staaten geführten Krieges (s. d.) als eines Ausnahmezustandes, deren Bestrebungen daher notwendig dahin gerichtet sind, den unvermeidlich gewordenen Krieg zu lokalisieren, d. h. in möglichst enge örtliche Grenzen zu schließen. Diesem Zweck entsprechend sind im heutigen Völkerrecht die Pflichten der N. mit einer Schärfe ausgeprägt, welche für die ältere, unklare Vorstellung einer unvollkommenen oder beschränkten N. keinen Raum mehr läßt. Insbesondere sind mit der Pflicht des Neutralen, nicht zu gestatten, daß einer der Kriegführenden das neutrale Gebiet zum Schauplatz, Ausgangs- oder Stützpunkt von Operationen gegen den andern Teil mache, die sog. Staatsservituten (s. d.) eines Besatzungs- oder Durchzugsrechts auf neutralem Boden schlechthin unvereinbar. Es kann dem Kriegführenden nicht verwehrt sein, den von seinem Feinde besetzten Platz anzugreifen und dem Anrücken feindlicher Streitkräfte über neutralen Boden auf diesem zuvorzukommen, und er macht sich damit zu seinem Teile keines Neutralitätsbruches schuldig. Auch das umgekehrte Verhältnis der sog. Neutralisierung einzelner Gebietsteile für den Fall, daß sich der Territorialstaat im Kriegszustande befinden werde, wie es der Wiener Kongreß für den an die Schweiz grenzenden Teil von Savoyen vorgesehen hat, wird sich in Wirklichkeit ohne fortdauerndes Einverständnis aller beteiligten Kriegführenden und Neutralen kaum durchführen lassen. Daß die weitere Pflicht der N., keinem der Kriegführenden Angriffs- oder Verteidigungsmittel zuzuführen, nach dem geltenden Völkerrechte die Unterthanen des neutralen Staates nicht bindet, hat allerdings England in der Auseinandersetzung mit Deutschland während des Krieges von 1870 durch gefochten. Der Kriegführende ist gegen solche Unterstützung seines Gegners auf den Selbstschutz angewiesen, den im Seekriege die Behandlung der Konterbande (s. d.) ausreichend ermöglicht, während im Landkriege, wie jenes Beispiel zeigt, auch eine große militär. Überlegenheit sich in dieser Richtung unzulänglich erweisen kann. Die N. liegt, wie der Eintritt in den Krieg an sich, in der freien Entschließung jedes völkerrechtlich selbständigen Staates, kann jedoch für einen voraus-

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gesehenen Fall vertragsmäßig zugesichert werden. Die von den sog. neutralisierten Staaten (Schweiz, Belgien, Luxemburg) ein für allemal übernommene Verpflichtung, in jedem Kriege neutral zu bleiben, wird mit der völkerrechtlichen Selbständigkeit dieser Staaten nur dadurch vereinbar, daß sie nicht einem Staate, sondern allen Großmächten gegenüber eingegangen worden, und daß sie unter denselben Voraussetzungen wie jeder völkerrechtliche Vertrag als kündbar anzusehen ist. Wie hart gerade auf diesen Staaten die Pflicht der N. lastet, hat sich erst im Deutsch-Französischen Kriege von 1870 bis 1871 gezeigt. Um die Zeit der Schlacht von Sedan schwebte Belgien, welches keine Veranstaltung getroffen hatte, um Truppenteile der Kriegführenden vom Überschreiten seiner Grenzen abzuhalten oder nach erfolgtem Übertritt zu entwaffnen und zu internieren, in der Gefahr, daß die etwa übergetretenen franz. Heeresteile von deutschen Truppen auf belg. Gebiet würden verfolgt werden, wozu die Anweisung mit vollem Grunde schon gegeben war. Und nach der Niederlage der Armee Bourbakis im Jan. 1871 bedürfte die Schweiz eines beträchtlichen Truppenaufgebots, um das in ihr Gebiet sich zurückziehende Heer zu entwaffnen und zu internieren. Der Ausdruck neutralisieren ist übrigens im Pariser Vertrage vom 30. März 1856 auf das Schwarze Meer in dem Sinne angewendet worden, daß die Uferstaaten daselbst keine Kriegsflotte unterhalten durften, welche Beschränkung durch den Londoner Vertrag vom 13. März 1871 aufgehoben wurde; ferner in mehrern Vereinbarungen auf die Werke und Anlagen der Donauschiffahrt und der Kongokommission (s. Kongokonferenz) und in der Genfer Konvention (s. d.) auf die Lazarette und das Sanitätspersonal der Kriegführenden, dort in dem Sinne, daß die Anlagen nicht zum Stützpunkt militär. Operationen gemacht und damit einem Angriff ausgesetzt werden dürfen, hier in der Bedeutung, daß jede feindselige Behandlung der zur Pflege der Verwundeten bestimmten Anstalten und Personen ausgeschlossen ist. Die Pflichten der N. im Seekriege haben eine scharfe Fassung erhalten in den drei Regeln des zwischen England und den Vereinigten Staaten 8. Mai 1871 geschlossenen Vertrags über die Regelung der sog. Alabamafrage (s. d.) durch das Genfer Schiedsgericht, über die entsprechenden Rechte der Neutralen s. Seekriegsrecht und Seebeute.

Neutral-Moresnet, Ort, s. Moresnet.

Neutralrot, Neutralviolett, s. Eurhodine.

Neutralsalze, Salze, deren Lösungen gegen Pflanzenfarben sich indifferent verhalten, rotes Lackmus weder bläuen, noch blaues röten. Etwas anderes sind neutrale Salze. (S. Salze.)

Neutrum, s. Genus.

Neu-Ulm. 1) Bezirksamt im bayr. Reg.-Bez. Schwaben, hat 329,73 qkm, 1890: 20494, 1895: 20293 (9547

männl., 10746 weibl.) E. in 87 Ortschaften, darunter 1 Stadt. -

2) N. in Schwaben, unmittelbare Stadt und Hauptort des Bezirksamtes N., Ulm gegenüber, an der Donau und an den Linien Ulm-Augsburg und Ulm-Kempten der Bayr. Staatsbahnen, Sitz des Bezirksamtes und eines Amtsgerichts (Landgericht Memmingen),hatte 1890: 7921, 1895: 8684 E., darunter 3581 Evangelische und 78 Israe-

^[Wappen der Stadt Neu-Ulm]