Schnellsuche:

Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Noterbe; Note sensible; Notfeuer; Notfrist; Notgesetz; Nothafen; Nothelfer; Nothemd; Nothnagel; Nothomb

264

Noterbe - Nothomb.

Noterbe, derjenige, welcher kraft gesetzlicher Bestimmung auf den Nachlaß eines Verstorbenen den durch letztwillige Verfügung des Erblassers eingesetzten Erben gegenüber einen gewissen Anspruch erheben kann; es sei denn, daß ein Enterbungsgrund vorliegt, aus welchem die Enterbung entweder erfolgt ist, oder doch hätte erfolgen können. Derjenige Teil des Nachlasses, welchen die Noterben für sich beanspruchen können, ist der Pflichtteil (s. d.). Die Rechtsgrundsätze über die Erbfolge gegen ein Testament und über die Rechtsverhältnisse der Noterben bilden das Noterbenrecht.

Note sensible (franz., spr. nott ssangssihbl), in der Musik s. v. w. Leitton (Subsemitonium modi).

Notfeuer (altd. Nodfyr, Wildfeuer), im german. Altertum das zu religiösem Gebrauch und für Heilzwecke gebrauchte Feuer, welches nach der Methode der Naturvölker durch Reibung zweier Hölzer neu erzeugt werden mußte. Sowohl die Oster- und Johannisfeuer als auch diejenigen, durch welche man das kranke Vieh trieb, mußten nach vorausgegangener Löschung aller brennenden Feuer im Ort so erzeugt werden. Die Sitte fand sich übrigens bereits im alten Indien und ging auf Griechen und Römer über, bei denen das Feuer der Vesta an einem bestimmten Tag im Jahr (wie später die Osterfeuer), oder wenn es aus Nachlässigkeit verlöscht war, auf diese Weise neu erzeugt werden mußte, wie auch dasjenige, durch welches bei dem Hirtenfest der Palilien in Rom die Viehherden getrieben wurden. Am längsten hat sich die Sitte in Thüringen und im Harz erhalten, wo noch 1842 und später (in der Gegend von Quedlinburg) amtlich von den Ortsschulzen N. angeordnet wurden, um die Schweine gegen Milzbrand zu schützen.

Notfrist (Fatale, Tempus fatale), eine prozessualische Frist, deren Dauer schon durch das Gesetz bestimmt und deren Versäumnis ebenfalls durch das Gesetz mit dem Ausschluß derjenigen Handlung bedroht ist, zu deren Vornahme jene Frist bestimmt wurde. Dies gilt namentlich von den zur Einwendung von Rechtsmitteln gegen richterliche Urteile und Verfügungen gesetzten Fristen, und zwar betrug die hierzu tausende N. früher in der Regel zehn Tage (das sogen. Decendium fatale, daher Fatalien, s. v. w. Notfristen). Die deutsche Zivil- und die deutsche Strafprozeßordnung haben jedoch die zehntägige Appellationsfrist nicht beibehalten; vielmehr ist für das Rechtsmittel der Beschwerde gegen richterliche Verfügungen in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten eine N. von zwei Wochen und für die Berufung gegen Endurteile und für die Revision eine N. von einem Monat gegeben, während im Strafprozeß für die Berufung und für die Revision eine N. von einer Woche gegeben ist. Im Zivilprozeß können Notfristen durch Übereinkommen der Parteien nicht verlängert werden.

Notgesetz, s. Ausnahmegesetz.

Nothafen, im Gegensatz zum Abladungs- oder Bestimmungshafen derjenige Hafen, in welchen ein Schiff lediglich aus dem Grund einläuft, um einer Seenot oder Seegefahr zu entgehen, z. B. um eine notwendige Reparatur vornehmen zu lassen.

Nothelfer (Notheilige), in der kathol. Kirche diejenigen Heiligen, von denen man in besondern Nöten Hilfe erwartet. Es werden gewöhnlich 14 N. angeführt: Acatius, Blasius, Christophorus, Cyriacus, Dionysius der Areopagit, Egidius, Erasmus, Eustachius, Georg der Märtyrer, Pantaleon, Vitus, Barbara, Katharina und Margarete, von denen jeder wieder bei bestimmten Übeln hilfreich ist. - N. war auch die Bezeichnung für diejenigen Freiwilligen, welche während des Kriegs 1870/71 ihre Dienste für den Transport und die Begleitung der Verwundeten und Kranken zur Verfügung stellten. Gegenwärtig versteht man nach den Bestimmungen des preußischen Kriegsministerium unter N. die Genossenschaften freiwillige Krankenpfleger.

Nothemd (Georgenhemd), ein leinenes Hemd, welches von noch unberührten Mädchen unter bestimmten Zeremonien und Zaubersprüchen gesponnen und mit eingewebten magischen Zeichen versehen sein sollte. Der Träger desselben sollte stich-, hieb- und kugelfest werden, die Spinnerinnen aber verfielen der Sage nach dem Teufel.

Nothnagel, Hermann, Mediziner, geb. 28. Sept. 1841 zu Alt-Lietzegöricke in der Provinz Brandenburg, studierte zu Berlin, promovierte daselbst 1864, habilitierte sich als Privatdozent für innere Medizin in Königsberg, später zu Berlin und Breslau, wurde 1872 Professor für medizinische Poliklinik und Arzneimittellehre in Freiburg, 1874 Professor für klinische Medizin in Jena und 1882 in Wien. N. hat sich besonders um die Arzneimittellehre und die Nervenpathologie verdient gemacht. Er schrieb: "Handbuch der Arzneimittellehre" (6. Aufl., mit Roßbach, Berl. 1887); "Topische Diagnostik der Gehirnkrankheiten" (das. 1879); "Beiträge zur Physiologie und Pathologie des Darms" (das. 1884).

Nothomb (spr. notóng), Jean Baptiste, Baron von, belg. Staatsmann, geb. 3. Juli 1805 zu Messanez im Luxemburgischen, studierte zu Lüttich Jura und Cameralia und ließ sich als Advokat in Brüssel nieder. An dem Kampf gegen die niederländische Regierung nahm er lebhaften Anteil, und besonders 1829 und 1830 übte er als einer der Hauptredakteure des "Courrier des Pays-Bas" einen großen Einfluß auf den Gang der Tagesereignisse. Von der provisorischen Regierung zum Mitglied der Verfassungskommission ernannt, arbeitete er den Verfassungsentwurf für die losgerissenen Provinzen aus und wurde darauf zum Mitglied des Kongresses und im November 1830 von der provisorischen Regierung zum Mitglied des diplomatischen Komitees ernannt. Er betrieb mit Eifer und Erfolg die Errichtung einer konstitutionellen Monarchie und die Trennung von Kirche und Staat, stimmte für die Wahl des Herzogs von Nemours zum König u. erwirkte 1831 als Generalsekretär der auswärtigen Angelegenheiten im Ministerium van de Weyer nach der Wahl des Herzogs Leopold von dem Londoner Kongreß die für Belgien so günstigen 18 Artikel. Die Stellung als Generalsekretär blieb ihm unter allen Ministerwechseln, und er galt als Hauptleiter der auswärtigen Politik Belgiens. Daneben war er in der Deputiertenkammer ein Führer der gemäßigten Partei. 1837 erhielt er das neuerrichtete Ministerium für öffentliche Bauten, Marine, Miliz und die Posten, in welcher Stellung er eine treffliche organisatorische Thätigkeit und Tüchtigkeit entfaltete und das großartige belgische Eisenbahnnetz begründete. Nach dem Sturz des de Theuxschen Ministeriums (1840) trat auch N. aus dem Kabinett und wurde zum belgischen Gesandten am deutschen Bundestag ernannt. 1841 nach Belgien zurückgekehrt, zerfiel er mit Lebeau und seinen übrigen liberalen Freunden, da er an der Allianz mit der katholischen Partei festhielt, und nachdem er 1842 unter gleichzeitiger Erhebung in den Adelstand zum Minister des Innern ernannt worden, bildete er 1843 ein neues Kabinett, das eine katholisch-liberale Richtung verfolgte, aber die bereits erfolgte Spaltung der Parteien nicht zu überwinden vermochte und 1845