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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Odeum; Odeur; Ödgartenwirtschaft; Odiel; Odilienberg; Odilo, Sankt; Odin; Oedicnemus

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Odeum - Odin.

mandos des 8. Armeekorps, eines Stadtgouverneurs, des Gerichtshof für Südrußland, eines Kreis- und eines Handelsgerichts sowie andrer Gerichtsbehörden, eines Lehrbezirks, einer Zensurbehörde, eines Zoll- und eines Acciseamtes, eines Steuerkontrollamtes, eines Hafenkapitäns, der Konsuln sämtlicher Handelsstaaten Europas und Amerikas und einer Telegraphenstation, welche auch Annahmestelle der europäisch-indischen Telegraphenlinie ist. Vgl. J. Jahnson, Statistik des Getreidehandels im Odessaer Rayon (russisch, Petersb. 1870).

[Geschichte.] Gegen Ende des 18. Jahrh. lag in der Gegend des heutigen O. ein tatarisches Dorf, und da, wo sich jetzt der Boulevard erstreckt, erhob sich eine türkische Burg (Hadschibej), die 14. Sept. 1789 von den Russen unter dem Generalmajor Joseph de Ribas mit Sturm genommen wurde. Dank seiner günstigen Handelslage begann der kleine Ort bald aufzublühen und sich in eine Stadt umzuwandeln, welche auf Befehl Katharinas II. 22. Aug. 1794 den Namen O. (nach der im Altertum in der Nähe gelegenen griechischen Kolonie Odessos) erhielt. Unter der Leitung des ersten Gouverneurs, de Ribas, begann der Bau eines Forts zum Schutz der Reede; bald darauf ward von der Regierung auch die Anlage des Hafens (1795), der Quarantäne und der Zollhäuser befohlen und O. zum ersten Kriegshafen des Schwarzen Meers erklärt. Später wurden jedoch die Anstalten für Kriegszwecke nach Nikolajew, dagegen der Sitz des Generalgouverneurs von Neurußland nach O. verlegt, den als letzter General v. Kotzebue (bis 1874) einnahm. Seitdem ist das Generalgouvernement aufgehoben. Von 1811 bis 1857 genoß O. Zollfreiheit, eine Vergünstigung, welche bei der ohnehin bevorzugten geographischen Lage und der Fruchtbarkeit des Hinterlandes nicht verfehlte, der Stadt einen Aufschwung zu geben, der ohne Unterbrechung bis in die jüngste Zeit andauerte und O. zum Hauptausfuhr- und Stapelplatz für Südrußland machte. Auch der Krimkrieg vermochte O. nicht zu schädigen, obgleich die Stadt von der vorbeisegelnden englischen Flotte 10. April 1854 beschossen wurde. Eine traurige Berühmtheit erlangte O. durch die wiederholt auftretende Choleraepidemie, welche 1866 von hier nach Deutschland verschleppt wurde, und durch die 1859 und 1871 von der griechischen Bevölkerung angestifteten Judenhetzen. Seit 1876 ist O. durch eine Anzahl Küstenbatterien befestigt, welche den Zweck haben, die Stadt gegen eine Beschießung von der See aus sicherzustellen.

Odeum (griech. Odeion), ursprünglich jede zu musikalischen Wettkämpfen der Rhapsoden und Musiker gewählte Stätte; später insbesondere das Gebäude, welches man eigens zu diesem Zweck und zwar zuerst in Athen errichtete. Die Odeen waren im Äußern den Theatern, aus denen sie hervorgingen, ähnlich, nur viel kleiner, und bildeten mit einem kreisförmigen Dach versehene, auf Säulen ruhende Rotunden. Auch die innere Einrichtung unterschied sich nicht wesentlich von der der Theater; nur war die Bühne den akustischen Zwecken angemessen gebaut, wie denn z. B. die Bühne in drei unter stumpfen Winkeln aneinander stoßenden Wänden endigte. Das erste O. erbaute Perikles um 445 v. Chr. zu Athen (s. d., S. 998); zwei andre, prachtvollem ließ Herodes Atticus in der Nähe der Akropolis zu Athen (das prächtigste des Altertums) und zu Korinth errichten; ein viertes zu Paträ ward aus der Beute ausgeführt, welche die Einwohner von Paträ gemacht hatten, als sie den Ätoliern gegen die Gallier beistanden. Bald verbreiteten sich diese Odeen über ganz Griechenland und von da nach Rom, wo Domitian und andre Kaiser dergleichen erbauten. Außerhalb Rom war das zu Catana in Sizilien das berühmteste. In neuerer Zeit pflegt man mit dem Namen O. größere, der Musik, dem Theater und Tanz, überhaupt dem gesellschaftlichen Vergnügen gewidmete Gebäude zu benennen. Bekannt ist das Pariser Odéon, ein 1782 erbautes Theater, auch le second Théâtre Français genannt, weil es bis zur Einführung der Theaterfreiheit mit diesem das Privileg, klassische Stücke aufführen zu dürfen, teilte.

Odeur (franz., spr. -ör), Duft, Wohlgeruch; wohlriechender Stoff.

Ödgartenwirtschaft, s. v. w. Egartenwirtschaft.

Oedicnemus, s. Dickfuß.

Odiel, Küstenfluß in der span. Provinz Huelva, entspringt auf der Sierra de Aracena, fließt südlich, vereinigt sich unterhalb Huelva mit dem Rio Tinto und fällt in die Bai von Huelva des Atlantischen Ozeans.

Odilienberg, s. Ottilienberg.

Odilo, Sankt, geboren um 962 zu Clermont, ward 994 Abt von Cluny (s. d.), verbreitete die Reform und Regel von Cluny fast über alle Klöster Frankreichs, Italiens und Spaniens und stiftete das Fest aller Seelen; er starb 1049 in Sauvigny ^[richtig: Souvigny] u. ward 1345 kanonisiert. Vgl. Ringholz, Der heil. Abt O. (Wien 1885).

Odin (nord. Odhinn, althochd. Wuotan, sächs. Wodan), ein allen germanischen Völkern gemeinsamer Gott, Herrscher über Himmel und Erde. Er ist zwar nicht Schöpfer der Welt, aber ihr Ordner und Lenker. Er wird Allvater (Alfadur) und Vater der Zeit genannt; als Sonne gedacht, führt er den Beinamen des Feueräugigen, alles Verbrennenden; Vater der Erschlagenen heißt er, weil er die in der Schlacht gefallenen Helden bei sich in Walhalla (s. d.) aufnimmt. Er ist der Gott des Kriegs, insbesondere des Siegs, der Erfinder der Runen und damit jeglicher Wissenschaft sowie der Weissagung und der Dichtkunst, der Einführer der Opfer, der Gesetzgeber, der Kenner der Religionsgeheimnisse, überhaupt der weiseste unter den Asen, seitdem er aus Mimirs Brunnen getrunken, wofür er (nach der ältern Edda) ein Auge zum Pfand einsetzen mußte, weshalb er einäugig erscheint (s. Mimir). Er führt gegen 200 Beinamen, sämtlich Bezeichnungen seines verschiedenen Wesens und Wirkens. Von ihm und seiner Gemahlin Frigg (s. d.) stammt das Asengeschlecht. Sein Wohnsitz ist zu Asgard, wo er von seinem prächtigen Palast Hlidskialf aus die ganze Welt überschaut. Seine Raben Hugin ("Gedanke") und Munin ("Gedächtnis") fliegen jeden Tag über das Erdenrund und bringen ihm Nachricht von allem, was sie wahrgenommen. Zwei Wölfe, Geri und Freki, verzehren in Walhalla alle dem O. vorgesetzte Speisen, während er selbst nur Wein genießt. Zu seinen merkwürdigen Besitztümern gehören der achtfüßige Sleipner, das beste aller Rosse, der wunderbare Speer Gungner und der Armring Draupner. O. geht zugleich mit der Welt unter, indem er mit dem Wolfe Fenrir kämpft und von diesem verschlungen wird (s. Götterdämmerung). Schon in der jüngern Edda erscheint ein schwankendes und unklares Bild von O.; in der christlichen Zeit lebt er in der Sage stellenweise als Teufel fort. Eine große Rolle spielt O. als Stammvater der nordischen Königsgeschlechts. Später erklärte man die Göttersagen menschlich. So stellt Snorri Sturleson O. als einen klugen Mann dar, der es durch Zauberkünste dahin gebracht habe, daß man ihn als einen Gott verehrte. Nach ihm war O. Beherrscher von Asaland mit der Hauptstadt As-^[folgende Seite]