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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Ohnmachtfeier – Ohrenkrankheiten

schwach und unregelmäßig, der Herzschlag oft kaum wahrnehmbar, der ganze Zustand ein dem Tode ähnlicher. Der schwächste Grad der O. ist die Ohnmachtneigung (Schwächeanwandlung, Flauwerden), bei welcher momentan Sinne und Kräfte schwinden, Schwarzwerden vor den Augen, Schwindel und Ohrensausen eintreten, ohne daß es zum völligen Verlust des Bewußtseins und des willkürlichen Bewegungsvermögens kommt. Die höchsten Grade der O. nennt man Scheintod (s. d.). Die Dauer des Ohnmachtsanfalls schwankt zwischen wenigen Minuten bis zu mehrern Stunden, ja mitunter selbst Tagen. Das Erwachen aus der O. erfolgt in der Regel unter tiefem Seufzen und Gähnen, Aufstoßen, leichtem Zucken im Gesicht, Rückkehr der Wärme und der roten Lippen. Die O. tritt ein nach heftigen Gemüts- und starken Sinneseindrücken, körperlichen Überanstrengungen, namentlich nach langem Stehen, ferner nach raschem Temperaturwechsel, Einatmen schlechter Luft in überfüllten Räumen, heftigen Schmerzen, Blutverlusten u. s. w., ist daher bei den zarter organisierten Individuen (Frauen, schwächlichen Männern) häufiger als bei kräftigen Personen. Häufig ist die O. auch eine Teilerscheinung von Erkrankungen anderer Art (Herzkrankheiten, Hysterie, Hirnkrankheiten) oder Vergiftungen. Manchmal geht die O. dem Tode vorher, in den meisten Fällen ist sie aber nur ein vorübergehender Zustand, der entweder aus einer plötzlichen Blutüberfüllung des Gehirns oder auch umgekehrt auf einer schnell eintretenden Blutarmut desselben beruht. In den gewöhnlichen Fällen kann die Wiederkehr des Bewußtseins beschleunigt werden durch Erleichterung der Atmung (Entfernung beengender Kleidungsstücke, frische reine Luft), horizontale Lagerung mit tief gelagertem Kopfe, Hautreize (Bespritzen mit kaltem Wasser, Reiben der Haut, Senfteige) oder Sinnesreize (Riechmittel von Salmiakgeist, Essig u. s. w.). Nur wenn der Ohnmächtige ein gerötetes Gesicht und rote Lippen zeigt, was auf Blutandrang nach dem Kopfe deutet, soll man ihn mit dem Kopfe und Oberleib hoch lagern. Nach dem Erwachen aus der O. trinke der Patient etwas kaltes Wasser und verweile noch einige Zeit in horizontaler oder halb sitzender Lage.

Ohnmachtfeier, s. Mariä sieben Freuden.

Ohnvogel, alter Name des Pelikans (s. d.).

Ohr, im weitern Sinne das gesamte Gehörorgan, im engern Sinne der äußere Teil desselben, die Ohrmuschel samt dem äußern Gehörgang. (S. Gehör mit Tafeln: Das Gehörorgan des Menschen Ⅰ, Ⅱ).

Öhr, bei Nadeln (s. d.) die zum Einziehen des Fadens dienende Durchbohrung des Nadelschaftes; bei Äxten, Beilen u.s. w. die Höhlung zum Einsetzen des Stiels; an metallenen Knöpfen der kleine Ring, mittels dessen dieselben festgenäht werden.

Ohra, Dorf im Kreis Danziger Höhe des preuß. Reg.-Bez. Danzig, zwischen Mottlau und Radaune, an der Linie Danzig-Dirschau der Preuß. Staatsbahnen, hatte 1890: 6567,1895: 6874 E., darunter 2774 Katholiken, Post, Telegraph, Pferdebahnverbindung mit Danzig (s. d., Karte), evang. Kirche, Acker- und Gemüsebau und in der Nähe die Knabenerziehungsanstalt Johannishof.

Ohraffe, der Ohrenmaki (s. d.).

Ohrbäder, Ohrblutgeschwulst, s. Ohrenkrankheiten.

Ohrdruf. 1) Landratsamtsbezirk im Herzogtum Sachsen-Gotha, hat 183,75 qkm, 1830: 32743 E., darunter 301 Katholiken und 25 Israeliten, 1895: 35081 (17087 männl., 17994 weibl.) E. und 7962 Haushaltungen und umfaßt die Amtsgerichtsbezirke O., Liebenstein und Zella St. Blasii. – 2) Immediatstadt und Hauptort der Hohenlohe-Langenburgschen Grafschaft Obergleichen, an der Ohra, am Fuße des Thüringer Waldes und an der Nebenlinie Gotha-O.-Gräfenroda der Preuß. Staatsbahnen, Sitz des Landratsamtes und eines Amtsgerichts (Landgericht Gotha), hatte 1890 mit Hundsbrunn 5919 E., darunter 67 Katholiken, 1895: 6164 E., Postamt erster Klasse, Telegraph, Schloß, Realschule mit Progymnasium, Gewerbeschule: Kupferhammerwerke, Fabrikation von Porzellan, Bleiweiß, Spielwaren, Papier, Schuh- und Stahlwaren. In der Nähe das Hammerwerk Luisenthal, jetzt Bad und Sommerfrische.

Ohre, linker Nebenfluß der Elbe im preuß. Reg.-Bez. Magdeburg, entspringt bei Wittingen im Hannoverischen, durchfließt den Drömling (s. d.), berührt Calvörde, Neuhaldensleben und Wolmirstedt und mündet 105 km lang oberhalb Rogätz.

Öhre, s. Hausflur.

Ohrecke, s. Gehör.

Ohreiterung, s. Ohrenkrankheiten.

Ohrenbeichte, s. Beichte.

Ohrenfledermaus (Plecotus auritus Keys. et Blas., s. Tafel: Fledermäuse Ⅱ, Fig. 2), eine in Deutschland häufige Fledermaus von 8,5 cm Körperlänge und von 25 cm Klafterung; Farbe oben mäusegrau, unten heller. Die Ohren sind 3,3 cm lang.

Ohrenfluß, Eiterung im äußern Gehörgang oder im Mittelohr, s. Ohrenkrankheiten.

Ohrenheilkunde, Otiatrik, die wissenschaftliche Behandlung der Ohrenkrankheiten (s. d.), die sich erst seit Beginn der zweiten Hälfte des 19. Jahrh. zu einer besondern Disciplin entwickelt hat.

Ohrenklingen, s. Ohrentönen.

Ohrenkrankheiten oder Gehörkrankheiten, zu den häufiger vorkommenden Affektionen gehörige Erkrankungen, die durchaus einer sorgsamen Pflege und Behandlung bedürfen, da sie bei Vernachlässigung sehr leicht dauernde und schwere Funktionsstörungen zurücklassen. Die Untersuchung eines erkrankten Gehörorgans erfolgt zunächst vermittelst der Ohrtrichter, kleiner cylindrischer, verschieden weiter Trichter aus Metall oder Hartgummi, welche zur Geradestreckung des Gehörgangs in den äußern Gehörgang eingeführt werden. Wirft man hierauf vermittelst eines in der Mitte durchlöcherten Hohlspiegels (Ohrenspiegels) Tageslicht oder künstliches Licht in den Gehörgang hinein, so kann man an dem hell beleuchteten Trommelfell selbst die feinsten krankhaften Veränderungen genau erkennen. Sehr wichtig ist in vielen Fällen auch die Untersuchung der Ohrtrompete mit dem Ohrkatheter, einer gekrümmten katheterförmigen Röhre aus Metall oder Hartgummi, welche durch die Nase in die Ohrtrompete eingeführt wird und durch welche Luft oder medikamentöse Flüssigkeiten in die Paukenhöhle gebracht werden können. Bei Verstopfung der Ohrtrompete bedient man sich auch häufig des Valsalvaschen Versuchs (s. d.) oder noch besser des sog. Politzerschen Verfahrens, welches darin besteht, daß während eines Schlingaktes die Luft des Nasenrachenraums durch das Zusammendrücken eines Kautschukballons verdichtet und in die Ohrtrompete eingetrieben wird. Zur Bestimmung der Hörfähigkeit benutzt man teils das Ticken einer Taschenuhr oder des Politzerschen Hörmessers, teils die Flüstersprache und die Stimmgabel; vermittelst der letztern gelingt es häufig, den