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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Orber Reisig - Orchester.

Orber Reisig, nördlichste Teil des Spessart, östlich von Orb, besteht aus Buntsandstein, ist dicht bewaldet und erreicht im Horst eine Höhe von 543 m.

Orbetello, Stadt in der ital. Provinz Grosseto, auf einer Landzunge mitten in der Strandlagune, die sich im Schutz des Monte Argentario gebildet hat, Station der Maremmenbahn, hat ein Bistum, eine schöne Kirche, Gymnasialschule, ein etruskisches Museum und (1881) 3855 Einw. Mit dem Monte Argentario (s. d.) ist die Stadt durch einen Damm mit drei Brücken verbunden. Südöstlich liegen die Ruinen der alten etruskischen Stadt Cosa (s. d.).

Orbigny (spr. -bínji), Alcide Dessalines d', franz. Reisender und Naturforscher, geb. 1. Sept. 1802 zu Couëron (Unterloire), widmete sich dem Studium der Naturwissenschaften, legte 1824 der Akademie der Wissenschaften zu Paris eine Denkschrift über die Foraminiferen vor und bereiste 1826-33 in deren Auftrag Südamerika für das naturhistorische Museum. Er kehrte mit sehr umfangreichen Sammlungen zurück und veröffentlichte seine "Voyage dans l'Amérique méridionale" (Par. 1835-49, 7 Bde. mit 415 Kupfern und 18 Karten) auf Regierungskosten. Im Anschluß hieran erschienen: "L'homme américain" (Straßb. 1840, 2 Bde.) und "Descripcion geografica, historica y statistica di Bolivia" (Par. 1846, Bd. 1). Ein ganz besonderes Verdienst hat sich O. um die Geologie, namentlich aber die Paläontologie, erworben. Seiner "Paléontologie française" (1840 bis 1860, 8 Bde.; wird von andern fortgesetzt) folgten die Werke: "Paléontologie universelle" und "Mollusques vivants et fossiles" (1846), welches Werk als zu umfassend aufgegeben werden mußte; doch veröffentlichte er noch den "Prodrome de paléontologie" (1858, 3 Bde.), in welchem er 18,000 Arten verzeichnet. Seine jetzt veralteten Ansichten über die Bildungsgeschichte der Erdrinde hat er in dem "Cours élémentaire de paléontologie" (1851-52, 3 Bde.) dargelegt. Er starb 30. Juni 1857 in Paris. - Sein Bruder Charles d'O., geb. 2. Dez. 1806, gest. 15. Febr. 1876, hat sich als Naturforscher durch seine Arbeiten über das Pariser Becken, durch ein "Dictionnaire universel d'histoire naturelle" (Par. 1839 bis 1849, 13 Bde.; neue Ausg. von Fredol, 1876 ff., 28 Bde.) und die "Géologie appliquée aux arts, aux mines et à l'agriculture" (mit Gente, das. 1851; deutsch, Leipz. 1852) bekannt gemacht.

Orbikulār (lat.), kreisförmig, rund.

Orbilĭus Pupillus, röm. Grammatiker, aus Benevent, diente als Soldat und wurde dann Lehrer der Grammatik erst in seiner Vaterstadt, dann seit 63 v. Chr. in Rom, wo er im Alter von fast 100 Jahren in großer Dürftigkeit starb. Seinen Mißmut über seine traurige Lage ließ er gern an seinen Schülern aus, zu denen auch Horaz gehörte, der ihn den "Prügler" (plagosus) nennt. Noch jetzt ist sein Name Bezeichnung eines pedantischen Schultyrannen.

Orbis (lat.), Kreis, Scheibe, besonders Erdkreis.

Orbis pictus (lat., "die gemalte Welt"), Titel zahlreicher der Belehrung und Unterhaltung gewidmeter Jugendschriften, welche von der Erde, ihren Bewohnern und allem, was dahin gehört, das Merkwürdigste behandeln und durch Bilder erläutern, also Begriff und Anschauung zu verbinden suchen. Sie sind sämtlich Nachahmungen des 1657 von Comenius (s. d.) herausgegebenen "Orbis sensualium pictus, hoc est omnium fundamentalium in mundo rerum et in vita actionum pictura et nomenclatura", der unzählige Male aufgelegt und in viele Sprachen übersetzt wurde. Eine Erneuerung des O. p. im Sinn des 18. Jahrh. war Basedows "Elementarwerk". In neuester Zeit fand weite Verbreitung der von Lauckhard herausgegebene O. p. (5. Aufl., Leipz. 1883, 3 Bde.).

Orbis terrārum (lat.), Erd- oder Weltkreis, bei den Römern Inbegriff der Länder und der Bewohner derselben auf der Erde, soweit sie bekannt war.

Orbĭta (lat.), Augenhöhle.

Orbität (lat.), Kinder- oder Elternlosigkeit.

Orca, Schwertfisch, s. Delphine.

Orcagna (spr. -kannja), eigentlich Andrea di Cione, genannt O. oder Arcagnolo, florentinischer Maler, Bildhauer und Architekt. Sein Geburtsjahr ist unbekannt, sein Todesjahr wahrscheinlich 1368. Als Maler ein Nachfolger Giottos, war er bemüht, durch Energie der Charakteristik der Verflachung des Giottoschen Stils entgegenzuarbeiten. Seine Hauptwerke sind die drei großen Fresken: Jüngstes Gericht, Hölle und Paradies in der Cappella Strozzi am Querhaus zu Santa Maria Novella in Florenz. In derselben Kapelle befindet sich ein mit seinem Namen bezeichnetes, von 1357 datiertes Altarbild mit Christus, welcher Schlüssel und Buch den Heiligen Petrus und Thomas von Aquino überreicht. Die Nationalgalerie in London besitzt von ihm ein großes Altarwerk mit der Krönung Mariä durch Christus. Die Bilder vom Triumph des Todes, vom Jüngsten Gericht und von der Hölle im Campo santo zu Pisa sind ihm mit Unrecht zugeschrieben worden. In seinen echten Werken zeigt er sich als einen Maler von hohem sittlichen Ernst, von einer aufs Erhabene gerichteten Charakterzeichnung und ausgebildeten Schönheitssinn. Als Architekt war er am Bau von Or San Michele in Florenz, dessen östlicher Teil ihm zugeschrieben wird, und an der Loggia de' Lanzi thätig. Als Bildhauer hat er das herrliche Tabernakel im Innern von Or San Michele (1359) ausgeführt.

Orcanette (franz.), s. v. w. Alkannarot.

Orceïn, s. Orcin.

Orchester hieß im Theater der Griechen der Teil der Bühne, auf welchem sich der Chor bewegte (orchestra, "Tanzplatz"); beim Versuch der Wiederbelebung der antiken Tragödie, welcher bekanntlich die Kunstgattung der Oper (s. d.) ins Leben rief, ging der Name O. auf den Raum über, den die den Gesang der Bühnendarsteller begleitenden Instrumentenspieler einnehmen (zwischen Bühne und Publikum), sowie schließlich auf die Instrumenten selbst. Heute ist die letztere Bedeutung die vulgäre, und wenn man z. B. sagt, daß eine Bühne ein großes O. habe, so meint man nicht die Größe des Raums, sondern die Anzahl der Musiker. Jede Vereinigung von Instrumentenspielern verschiedener Art zum Zweck der Ausführung größerer Instrumentalwerke (oder Vokalwerke mit Instrumentalbegleitung) heißt heute ein O. Je nach der Zusammensetzung unterscheidet man das Streichorchester, in welchem nur Streichinstrumente beschäftigt sind, und das Harmonieorchester, das nur Blasinstrumente enthält; noch spezieller das Blechorchester (Messingorchester), in welchem auch die Holzblasinstrumente nicht vertreten sind, sondern nur Hörner, Trompeten, Posaunen und ähnliche Instrumente, weshalb die von einem solchen O. aufgeführte Musik auch Hornmusik genannt wird. Das aus Blas- und Schlaginstrumenten zusammengesetzte O. nennt man Militärmusik oder Janitscharenmusik (türkische Musik). Alle diese O. sind von untergeordneter Bedeutung gegenüber dem vollen O. oder großen O., von welchem das sogen. kleine O. nur eine Abart ist. Das große sowohl als das