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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Parlamentär; Parlamentarier; Parlamentarisch; Parlamentarismus; Parlamentärschiff; Parlando

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Parlamentär - Parlando.

sur l'histoire de France" von Beugnot veröffentlicht. 1302 erhielt es seinen festen Sitz in Paris. Sämtliche Pairs hatten Sitz und Stimme im P., außerdem zählte es seit 1344: 3 Präsidenten und 78 Räte, welche seit 1401 vom P. selbst bestimmt und 1468 für unabsetzbar erklärt wurden. Franz I. führte die Käuflichkeit der Stellen ein. Zuletzt bestand das P. von Paris aus 7 Kammern mit einem Präsidenten, 9 Vizepräsidenten (présidents à mortier, nach der Mütze, die sie trugen), 15 Präsidenten der Kammer und 150 Räten. Auch in den neuerworbenen Gebieten errichteten die Könige Parlamente, die mit dem Pariser zusammen eine Korporation bildeten, so in Toulouse 1302, Grenoble 1451, Bordeaux 1462, Dijon 1477, Rouen 1499, Aix 1501, Rennes 1553, Pau 1620, Metz 1633, Besançon 1676, Trévoux 1696, Douai 1713, Nancy 1773. Kein Gesetz hatte Gültigkeit, wenn es nicht in die Protokolle der Parlamente eingetragen war, und hierdurch erlangten dieselben, besonders das Pariser, politische Macht. Verweigerte das P. die Eintragung, so konnte der König selbst im P. erscheinen und sie befehlen; dies nannte man ein Lit de justice (s. d.). Schon Richelieu war bestrebt, den Parlamenten ihre Bedeutung zu nehmen, und sprach ihnen in dem Lit de justice vom 20. Febr. 1640 jede politische Gewalt für immer ab. Nach seinem Tod erhob sich das Pariser P. wieder, vernichtete das Testament Ludwigs XIII. und erregte gegen Mazarin den Aufstand der Fronde (s. d.). Nach dessen Niederwerfung wagte das P. unter Ludwig XIV. keinen Widerstand gegen dessen Befehle. Erst nach seinem Tod (1715) vernichtete es sein Testament und ernannte den Herzog von Orléans zum Regenten. Wegen seiner Opposition gegen Laws Finanzprojekte ward es nach Blois, wegen seiner Parteinahme für die Jansenisten 1752 nach Pontoise verlegt, aber 1754 nach Paris zurückberufen. Wegen seines Widerspruchs gegen die verderbliche Politik des Hofs ward es im Januar 1771 vom Kanzler Maupeou aufgelöst, der einen neuen Gerichtshof ohne das Recht der Einzeichnung, das sogen. Maupeou-P., organisierte. Ludwig XVI. stellte die alte Korporation wieder her. Weil das P. sich aber allen Reformen widersetzte und aus Rücksicht auf seine und des hohen Adels Interessen die von den Notabeln genehmigten Steuergesetze zu registrieren sich weigerte, erzwang der Minister Loménie durch das Lit de justice von 1787 die Einzeichnung, verbannte das P. nach Troyes und ersetzte es 1788 durch einen Hofrat (cour plénière). Necker stellte das P. wieder her, doch wurden die Parlamente durch Dekret vom März 1790 für immer aufgehoben. Vgl. Voltaire, Histoire du parlement de Paris (Par. 1769); Dufey, Histoire des actes et remontrances des parlements (das. 1826, 2 Bde.); Bastard de l'Estang, Les parlements de France (das. 1857, 2 Bde.); Demaze, Histoire du parlement de Paris (das. 1857, 2 Bde.); Mérilhou, Les parlements de France (das. 1863).

Über das deutsche oder Frankfurter P. (die konstituierende Nationalversammlung in Frankfurt a. M. 1848-49) s. Deutschland, Geschichte, S. 889.

Parlamentär (franz. parlementaire), ein mit Aufträgen an die feindliche Armee Abgesandter, in der Regel ein Offizier. Er gibt sich durch Signale oder durch eine weiße Fahne etc. als P. zu erkennen und ist völkerrechtlich unverletzlich. Nur ausnahmsweise wird ein P. und dann gewöhnlich mit verbundenen Augen durch die Vorpostenlinie eingelassen und zu höhern Führern gebracht; gewöhnlich muß er Briefe etc., die er bringt, dem Offizier der ersten Feldwache, auf die er trifft, übergeben und außerhalb der Postenlinie die Antwort abwarten.

Parlamentarier, Mitglied eines Parlaments, namentlich ein solches, welches sich die parlamentarische Thätigkeit zur Lebensaufgabe macht. Berufsparlamentarier, dasjenige Mitglied der Volksvertretung, welches außer der parlamentarischen keine sonstige Berufsthätigkeit hat.

Parlamentarisch (franz.), das Parlament (s. d.) betreffend, dahin gehörig, z. B. parlamentarische Beredsamkeit, parlamentarische Redefreiheit, parlamentarische Verhandlung etc. Unparlamentarisch, den parlamentarischen Takt verletzend, ist eine Handlungsweise oder Äußerung, welche der parlamentarischen Geschäftsordnung zuwiderläuft oder doch gegen parlamentarischen Brauch und Sitte verstößt, antiparlamentarisch eine solche, welche die verfassungsmäßige Stellung der Volksvertretung verletzt. Parlamentarische Regierungsweise (parlamentarisches System), s. Parlamentarismus.

Parlamentarismus, die Gesamtheit der parlamentarischen Einrichtungen, das parlamentarische Wesen und Leben eines Landes; insbesondere die parlamentarische Regierungsweise (parlamentarisches System), wonach eine konstitutionelle Regierung bei den wichtigsten Regierungshandlungen, namentlich in der Gesetzgebung und bei der Ausübung der staatlichen Finanzgewalt, an die Mitwirkung und Zustimmung der Volksvertretung nicht nur verfassungsmäßig gebunden ist, sondern auch thatsächlich sich daran bindet. Aber auch die Ausartung dieses Systems (Parlamentsregierung, Parlamentsherrschaft) wird P. genannt, wenn der Schwerpunkt der Regierung und die Regierungsgewalt selbst zum Nachteil des monarchischen Prinzips sich in den Händen des Parlaments befindet. Endlich wird unter P. namentlich das englische Regierungssystem (Ministerregierung) verstanden. Nach einer 1782 zum Abschluß gelangten Praxis wird nämlich das englische Kabinett (Ministerium) stets aus den Führern derjenigen Partei gebildet, welche jeweilig im Unterhaus die Mehrheit besitzt. Daher ist der englische Premierminister oder erste Lord des Schatzes zugleich das Haupt der Regierung wie dasjenige der parlamentarischen Majoritätspartei. Bei der Machtstellung des englischen Parlaments würde eine Regierung, welche sich mit der Mehrheit desselben nicht im vollsten Einklang befände, in der That unhaltbar sein, und ebendarum tritt das Kabinett ab, wenn es die Mehrheit im Unterhaus nicht mehr für sich hat. Dies System hat auch in andern konstitutionellen Staaten Nachahmung gefunden, während es in Deutschland lebhaft bekämpft und von der herrschenden Ansicht als unvereinbar mit der deutschen Auffassung der Monarchie und mit der historischen Entwickelung derselben in den deutschen Staaten bezeichnet wird. Vgl. Bucher, Der P. (2. Aufl., Stuttg. 1881); Hamilton, Parlamentarische Logik, Taktik und Rhetorik (2. Aufl., Tübing. 1872); Prins, Démocratie et le régime parlementaire (Brüssel 1884); Ojea y Somoza, El parlamentarismo (Madr. 1884).

Parlamentärschiff (Kartellschiff), das Schiff, auf welchem ein Parlamentär an die feindliche Flotte abgeschickt wird; führt die weiße Parlamentärflagge.

Parlando (parlante, ital., "redend") bezeichnet in der Musik, daß sich der Gesang mit gleichsam sprechendem Vortrag der Rede nähern soll. Das P. kommt oft in einzelnen kürzern Stellen vor, wird aber auch auf ganze Tonstücke ausgedehnt, z. B. in der