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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Pfyffer von Altishofen; Phagocyten; Phantasie; Phenylurethan

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Pfyffer von Altishofen - Phenylurethan.

denselben stattfinden. Die Möglichkeit, daß einzelne Erophila-Formen Bastarde mit vollkommener Fruchtbarkeit darstellen, ist somit nicht ausgeschlossen, und Rosen behält sich deshalb weitere Versuche in dieser Richtung vor. Im ganzen neigt er jedoch zu der Ansicht, daß bei Erophila die Vielgestaltigkeit trotz vorwiegender Inzucht und ohne wesentliche Beteiligung von Bastardbildung zu stande gekommen sei. Hinsichtlich der Entstehung der verschiedenen Sippen und Formen nimmt er an, daß dieselbe durch freie, d. h. von der Umgebung unabhängige Variation hervorgerufen sei. Dieselbe besteht nicht in einer bloßen Steigerung und Weiterbildung einzelner Merkmale, sondern sie schafft neue und kombiniert die alten in neuer Weise, so daß die aus einer Art entstandenen Formen nicht graduell verschieden sind, wie es der Fall sein müßte, wenn ihre Entstehung unter dem Einfluß der natürlichen Zuchtwahl vor sich ginge. Die Variation bewirkt auch keine Vervollkommnung, sondern nur eine Vermehrung der Formen, von denen einige schlechter oder ebenso gut oder besser konstruiert sein können als ihre Eltern; nur der Rückschritt wird durch die Auslese im Kampf um das Dasein unmöglich gemacht. Sie erscheint demnach nicht als blind und vom Zufall abhängig, sondern wird durch noch unbekannte Gesetze geregelt, da man annehmen muß, daß gleiche oder ähnliche Kombinationen nächstverwandter Formen an verschiedenen Orten entstanden sind. In diesen Sätzen liegt eine Weiterbildung der Darwinschen Theorie in ähnlichem Sinne, wie sie Nägeli mit seinen Ideen über sprungweise Variation bereits angedeutet hat. Vgl. Jordan, Pugillus plantarum novarum (Par. 1852); Derselbe, Diagnoses d'espèces nouvelles ou méconnues (das. 1864); Derselbe, Remarques sur le fait de l'existence en société à l'état sauvage des espèces végétales affines et sur d'autres faits relatifs à la question de l'espèce (Lyon 1874); Darwin, Das Variieren der Pflanzen und Tiere im Zustand der Domestikation (deutsch von Carus, Stuttg. 1868); folgende Schriften von Nägeli: »Entstehung und Begriff der naturhistorischen Art« (Münch. 1865); »Über den Einfluß der äußern Verhältnisse auf die Varietätenbildung« (das. 1865); »Über die Zwischenformen zwischen den Pflanzenarten« (das. 1866); »Mechanisch-physiologische Theorie der Abstammungslehre« (das. 1883); Christ, Die Rosen der Schweiz (Bas, 1873); Focke, Synopsis Ruborum Germaniae (Bremen 1877); Kuntze, Methodik der Speziesbeschreibung und Rubus (Leipz. 1879); Nägeli und Peter, Die Hieracien Mitteleuropas (Münch. 1885); Rosen, Systematische und biologische Beobachtungen über Erophila verna (»Botan. Zeitung«, 1889).

Pfyffer von Altishofen, Alfons, schweizer. Generalstabschef, geb. 1834 zu Luzern, verbrachte seine Jugend teils in der Heimat, teils in Deutschland, wo sein Vater ein Landgut in der Nähe von Augsburg besaß, studierte auf deutschen Akademien Architektur, ging aber 1852, angeborner Neigung wie der Tradition seiner Familie folgend, zum Militärdienst über und trat als Offizier in das zweite neapolitanische Schweizerregiment ein. Bei der Auflösung desselben im J. 1859 blieb er als Adjutant und Generalstabsoffizier des Generals v. Mechel im Dienste des Königs Franz und zeichnete sich im Kriege gegen Garibaldi und die Piemontesen aus. Bei der Kapitulation von Gaeta gehörte er zu den 20 Personen, welche das entthronte Königspaar als Gefolge mit sich nehmen durfte, während die übrige Besatzung mit 25 Generalen kriegsgefangen wurde. Nach dem Sturze der Bourbonen kehrte er in seine Vaterstadt zurück und widmete sich seinem Beruf als Architekt (er baute unter anderm das Hôtel National in Luzern), dann aber auch dem Schweizer Militärwesen. Im Winter 1871 nahm er als Oberstleutnant im Stabe des Generals Herzog hervorragenden Anteil an jener raschen Vorschiebung der Schweizer Heereskräfte aus dem Berner Jura nach dem Traversthal, welche dem Übertritt der Franzosen bei Verrières voranging. 1875 zum Obersten der Infanterie befördert, erhielt er bald darauf das Kommando der 8. Division und übernahm 1882 die Leitung der eidgenössischen Generalbüreaus, in welcher Stellung er sich um die Ausbildung des schweizerischen Militärwesens große Verdienste erwarb und sich in der Gotthardbefestigung ein Denkmal schuf. Er starb 12. Jan. 1890.

Phagocyten, s. Blut, S. 123, und Immunität.

Phantasie, in der Psychologie die Fähigkeit, reproduzierte Vorstellungen (s. d.) zu solchen Komplexen zusammenzusetzen, wie sie bisher dem Individuum noch nicht in der Wahrnehmung geboten waren, also auch nicht durch eine bloße Erinnerungsleistung gebildet werden können. Die P. in diesem allgemeinsten Sinne ist dem Manne der Wissenschaft wie dem Künstler gleicherweise unentbehrlich, und sie arbeitet besonders lebhaft, wenn entweder ein bestimmter Zweck das Hinausgehen über die Erfahrung erfordert, z. B. in der Aufstellung von Hypothesen, oder die geringe Anzahl von Erfahrungen dem Thätigkeitsbedürfnis der Seele nicht genügt, z. B. beim Kinde. Die Erklärung der P. muß auf die Thatsache der fortwährenden Einwirkung unterbewußter psychischer Zuständlichkeiten auf oberbewußte und auf die Veränderungsfähigkeit der Wahrnehmungsresiduen zurückgehen (s. Bewußtsein und Vorstellung). Im einzelnen unterscheiden wir drei Arten der P.: 1) Die reproduktive P., mittels deren wir eine bisher noch nie im Bewußtsein vorhandene Verbindung zwischen zwei Vorstellungen vollziehen, etwa die Vorstellungen »golden« und »Berg« zu dem in Wahrnehmung und Erinnerung nicht gegebenen Vorstellungskomplex eines »goldenen Berges« verknüpfen. 2) Die produktive P., mittels deren die ästhetische Welt geschaffen wird. Sie kann nach den Hauptgruppen künstlerischer Veranlagung in musikalische, poetische, bildnerische P. gegliedert werden. Diese drei Klassen weichen so sehr voneinander ab, daß sie als Anlagen selten oder nie im gleichen Grade nebeneinander in demselben Individuum aufzutreten pflegen; hauptsächlich ist es die musikalische Produktivphantasie, welche die bildnerische, seltener die poetische von sich ausschließt oder doch beschränkt. 3) Die deutende P., mittels deren die Metapher des Dichters, die mythologische Naturauffassung, das Spiel des Kindes u. dgl. zu stande kommt. Sie folgt dem Gesetz der Substitution (s. Vorstellung), indem sie auf ein neues Objekt Eigenschaften bezieht, die in Wirklichkeit bloß mit ähnlichen Gegenständen verknüpft sind. Überhaupt aber lassen sich alle Formen der P. auf Associationsgesetze zurückführen, insoweit die intellektuelle Seite der P. in Betracht kommt, und es ist falsch, ihre Wirksamkeit als ein regelloses Ungefähr zu betrachten, denn wo thatsächlich ein solches Spiel ohne Zusammenhang herrscht, wie z. B. in wilden Träumen, im Fieber oder in pathologischen Zuständen der Ideenflucht, da sprechen wir zwar populär von »Phantasieren«, aber nicht wissenschaftlich von einer Leistung der P.

Phenylurethan (Euphorin), Phenylcarbaminsäure-Äthyläther C9H11NO2 ^[C_{9}H_{11}NO_{2}] entsteht aus Chlor- oder