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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Phrenesie - Phryne.

meinsamen Gottheiten aller P. sowie den besondern Gottheiten der einzelnen geopfert ward. Hier versammelten sich unter dem Vorsitz des Phratriarchen die Mitglieder (Phratoren) an bestimmten Tagen, namentlich am Feste der Apaturien, an welchem die Aufnahme der im abgelaufenen Jahr Gebornen und der neuvermählten Bürgerinnen in die Phratrie des Mannes erfolgte. Diese Aufnahme galt als Bedingung der Ausübung staatsbürgerlicher Rechte.

Phrenesīe (griech.), im allgemeinen jede hitzige, mit Irrereden verbundene Gehirnaffektion; oft auch als gleichbedeutend mit Wahnsinn gebraucht. Daher phrenetisch (phrenitisch), s. v. w. hirnwütig, unsinnig, rasend.

Phrenītis (griech.), Zwerchfellentzündung.

Phrenologie (griech.), Geistes-, Gehirnlehre, besonders die Gallsche Schädellehre (s. d.); daher Phrenolog, der sich mit derselben beschäftigt.

Phrenopathie (griech.), s. v. w. Geisteskrankheit, weil das Zwerchfell (griech. phren) von den Alten als Sitz der geistigen Regungen betrachtet wurde.

Phrixos, im griech. Mythus Sohn des Athamas, Königs von Böotien, und der Nephele, sollte auf Betrieb seiner Stiefmutter Ino dem Zeus geopfert werden, entfloh aber mit seiner Schwester Helle (s. d.) auf einem von Hermes gesandten Widder mit goldenem Fell. Zwischen Sigeion und der Chersonesos stürzte Helle ins Meer (Hellespont); P. aber gelangte nach Kolchis, opferte hier den Widder dem Zeus Phyxios und schenkte das Goldene Vlies dem König Äetes, welcher dasselbe in dem Hain des Ares an einer Eiche aufhing und P. seine Tochter Chalkiope zur Gattin gab. Vgl. Athamas.

Phronēsis (griech.), Einsicht, Klugheit.

Phrontist (griech.), Denker, Grübler, spekulativer Philosoph; Phrontisterion, Studierzimmer, Lehrsaal, Schule eines Phrontisten.

Phryganeodĕa (Phryganiden, Köcherjungfern), Familie aus der Ordnung der Netzflügler, s. Köcherjungfern.

Phrygĭen, im Altertum Landschaft Kleinasiens, umfaßte ursprünglich das ganze Innere der Westhälfte der Halbinsel, vom mittlern Halys (Kisil Irmak) und dem Salzsee Tatta (Tuz Tschöllü) im O. bis zu den Quellgebieten des Hermos (Groß-P.), sowie die später zu Mysien gerechnete Südküste der Propontis bis zum Hellespont (Klein-P. oder P. am Hellespont) und wurde später, nachdem der ganze Nordosten 278 v. Chr. von den Galatern erobert worden und im SO. viel Land westlich von Ikonion an Lykaonien verloren gegangen war, von Bithynien, Mysien, Lydien, Karien, Pisidien, Lykaonien und Galatien begrenzt. Eine eigne Geschichte hat P. eigentlich nicht. Es kam frühzeitig zum lydischen, nachher zum persischen Reich, wurde von Alexander d. Gr. erobert, war nach dessen Tod im wechselnden Besitz seiner Feldherren, ward 189 den pergamenischen Königen unterthan und kam 130 zur römischen Provinz Asia. P. ist vorwiegend Hochebene mit teilweise tief eingeschnittenen, engen Flußthälern und vereinzelten, meist nicht hohen Gebirgen (darunter der Dindymos, jetzt Murad Dagh); Hauptflüsse sind: Hermos und Mäander im W., der Thymbres (Pursak) im NO.; im S. fanden sich mehrere große Salzseen. Als die bedeutendsten Städte sind anzuführen im Gebiet des Mäander: Kelänä, später Residenz der einheimischen Könige, Apameia Kibotos, Kolossä, Laodikeia und Hierapolis; im N.: Doryläon, Kotyäon, Prymnessos und das schlachten berühmte Ipsos. P. war reich an allerlei Produkten der Natur und des Ackerbaues. Den Goldreichtum bezeugt die dort einheimische Midassage; Marmor wurde besonders bei Synnada gebrochen, und vor allem berühmt waren die Schafe des Landes und ihre treffliche Wolle. Das Volk der Phrygier ist in seine Sitze von Osten her durch Armenien und Kappadokien eingewandert. Schon Herodot hebt ihre Verwandtschaft mit den Armeniern hervor, und daß beide Völker verwandt und arischen Stammes sind, haben die neuern Forschungen bewiesen. Einzelne Teile der Phrygier drangen in vorhistorischer Zeit bis in die Balkanhalbinsel vor, wo sie sich unter dem Namen "Bryger" oder "Briger" niederließen. In ältester Zeit nahmen die Phrygier einen viel bedeutendern Raum ein als in historischer; Spuren ihrer Nationalität begegnen uns in der Troas, in Lykien, Bithynien, am Sipylos, bei Milet etc. Das Vorrücken semitischer Völker beschränkte dann diese weite Ausdehnung: der sagenhafte Ninos soll seine Eroberungszüge bis P. ausgedehnt haben; Lydier und Karier, welche starke Spuren semitischer Beimischung zeigen, vergrößerte ihr Gebiet auf Kosten der Phrygier, während im NW. Thraker über den Hellespont in phrygisches Gebiet eindrangen. Im 6. Jahrh. unterwarf der Lydier Krösos das ganze Land bis an den Halys, verlor es aber 549 mit seinem ganzen Reich an die Perser. Die Phrygier erscheinen als ein friedliches, gegen fremde Eindrücke fast widerstandsloses Volk. Ein wunderlicher, mystisch-phantastischer Grundzug geht durch ihr Wesen hindurch und unterscheidet sie unverkennbar von den Hellenen. Der Ackerbau erscheint als ihre Hauptbeschäftigung; auch der Handel muß schon frühzeitig bei ihnen geblüht haben. Die Kunst des Stickens und Teppichwebens, der Acker-, Wein- und Bergbau und deren Geräte, besonders der Wagen, galten für phrygische Erfindungen. Das schlagendste Zeugnis von ihrer Kultur aber gaben ihre wohlgebauten Städte, deren schon Homer erwähnt. Vitruvs Angabe, daß die Phrygier die Felshügel aushöhlten und die Räume zu Wohnungen erweiterten, erhält durch die Entdeckungen neuerer Reisenden (Hamilton, Texier, H. Barth etc.) Bestätigung. Dieselben fanden z. B. im Thal des Seid Su bei Doghanly prächtige Höhlengräber und Felsenstädte, zum Teil mit Inschriften. Was die Religion der Phrygier anlangt, so war deren Einwirkung auf die hellenischen Religionsbegriffe höchst bedeutend. Manche dunkle griechische Mythen sind offenbar phrygischen Ursprungs. Als eigentliche Landesgottheiten sind ein Gott Men oder Manes (der phrygische Zeus der Griechen?), Kybele (Rhea, Agdistis) und, ihr zur Seite stehend, Attys anzusehen, denen ein orgiastischer Kultus mit wildem Lärm gewidmet war.

Phrygische Mütze, Kopfbedeckung der alten Phrygier, eine kegelförmige, hohe Mütze mit nach vorn geneigter ausgestopfter Kuppe, an den Ohren mit zwei schmalen Laschen versehen; auf Kunstwerken des Altertums (z. B. Parisstatuen) häufig, das Vorbild der Jakobinermütze (s. Abbildung).

^[Abb.: Phrygische Mütze.]

Phrygische Tonart, s. Griechische Musik und Kirchentöne.

Phryne, berühmte griech. Hetäre, aus Thespiä gebürtig, hieß eigentlich Mnesarete und erhielt den Namen P. ("Kröte") wegen ihrer Blässe; sie war erst eine arme Kapernhändlerin, gelangte dann aber in