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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Provinzialrat; Provinzialsteuern; Provinzialsynodalvorstand; Provinzialsynode; Provision

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Provinzialrat - Provision

zirksausschuß (s. d.) ein. Beschwerden gegen die Beschlüsse des Bezirksausschusses als Organ der Exekutive werden vom Provinzialrat entschieden, welcher aus dem Oberpräsidenten, einem vom Minister des Innern ernannten höhern Verwaltungsbeamten und fünf erwählten Mitgliedern des Provinzialausschusses besteht. Dieser Behörde stehen im Verein mit dem Minister des Innern auch die Abänderung der Amtsbezirke und die Vereinigung ländlicher Bezirke bezüglich der Polizeiverwaltung mit einem Stadtbezirk zu; sie darf dem Oberpräsidenten Vollmacht zum Erlaß von Polizeiverordnungen für mehrere Kreise oder den Umfang der ganzen Provinz erteilen. – Vgl. Brauchitsch, Die neuen preuß. Verwaltungsgesetze, neu hg. von Braunbehrens und Studt (4 Bde., Berl. 1889‒92; 4 Ergänzungsbände, ebd. 1888‒90); ^[Ergänzungsbände älter?] ferner von Stengel, Die Organisation der preuß. Verwaltung (Lpz. 1884) und die Lehrbücher des Verwaltungsrechts von Löning, G. Meyer, sowie die provinzialrechtlichen Artikel in Stengels «Wörterbuch des deutschen Verwaltungsrechts» (Freib. i. Br. 1889‒92).

Provinzialrat, s. Provinzialordnung.

Provinzialsteuern, s. Provinzialfinanzen.

Provinzialsynodalvorstand, das von der Provinzialsynode (s. d.) gewählte Kollegium, bestehend aus dem Vorsitzenden und bis zu sechs Beisitzern (zu gleichen Teilen Geistlichen und Laien). Der Vorsitzende (Präses) leitet die Verhandlungen der Provinzialsynode. Das Kollegium dauert aber auch bei nicht versammelter Synode fort bis zum Zusammentritt der neuen Synode nach drei Jahren. Der P. hat die Redaktion des Protokolls der Synode festzustellen und die gesamten Protokolle allen Gemeinden der Provinz zu übersenden. Der P. kann, wenn erforderlich, selbständige Sitzungen abhalten behufs Vorbereitung der Arbeiten der Provinzialsynode oder Ausführung ihrer Beschlüsse. Außerdem aber muß er zu den Sitzungen des Konsistoriums mit vollem Stimmrecht der einzelnen Mitglieder einberufen werden: 1) bei Besetzung der Stellen von Superintendenten; 2) zur Entscheidung von Rekursen wegen Entlassung von Gemeindeältesten oder Mitgliedern der Gemeindevertretung, worüber in erster Instanz der Kreissynodalvorstand (s. Kreissynode) entscheidet; endlich 3) bei dogmatischen Anklagen gegen Geistliche, sei es im Disciplinarverfahren, sei es bei Anstellungen. Andere wichtige Sachen kann das Konsistorium dem P. nach Gutdünken vorlegen.

Provinzialsynode, nach der preuß. Synodalordnung die kirchliche Vertretung zwischen der Kreissynode (s. d.) und der Generalsynode (s. Synodalverfassung). Den territorialen Bezirk der P. bilden die Staatsprovinzen. Für die Reg.-Bez. Cassel und Wiesbaden bestehen besondere Bezirkssynoden an Stelle der P.; Hannover hat keine P.; dagegen wurde eine solche in Schleswig-Holstein eingerichtet. Den Verband der Generalsynode bilden nur die neun alten preuß. Provinzen. Die übrigen deutschen Staaten haben das Institut der P. nicht, wohl aber Österreich unter der Bezeichnung Superintendentialversammlung. Die P. bestehen aus einer Anzahl von den Kreissynoden gewählter Mitglieder, ein Drittel Geistliche, ein Drittel Laien, ein Drittel «angesehene, kirchlich erfahrene und verdiente Männer»; dazu treten Abgeordnete der theol. Fakultäten, endlich Mitglieder, die vom Landesherrn als dem Träger des Kirchenregiments ernannt werden, deren Zahl aber nur ein Sechstel der gewählten betragen darf. Die P. treten aller drei Jahre zusammen und verhandeln ganz in parlamentarischen Formen, wählen auch den Provinzialsynodalvorstand (s. d.), entscheiden über die Legitimation der Mitglieder und geben sich ihre Geschäftsordnung. Die Verhandlungen erfolgen in Gegenwart eines königl. Kommissars. Den P. können Gesetzentwürfe vorgelegt werden, die ihre Entscheidung nur durch die Generalsynode finden können; sie haben außerdem ein gewisses Maß provinzialkirchlicher Gesetzgebung, können bei der Generalsynode Anregungen für die Landeskirche geben, sind durch Abgeordnete an den theol. Prüfungen beteiligt, wählen die Abgeordneten zur Generalsynode, haben eine Aufsicht über die Gemeinden und Kirchenkreise, überhaupt die Überwachung der kirchlichen Zustände der Provinz in jeder Beziehung, endlich die Verwaltung der Provinzialsynodalkasse. Die Beschlüsse der P. bedürfen der Genehmigung der kirchlichen Aufsichtsbehörde, des Konsistoriums.

In der katholischen Kirche hatten in der Zeit vom 3. bis 9. Jahrh. die P. (Metropolitansynoden, Versammlungen der Bischöfe einer Erzdiöcese) die allergrößte Bedeutung für die Fortbildung von Recht und Dogma der Kirche, bis sie später von den mittelalterlichen Papstkonzilien darin abgelöst wurden. Besonders berühmte P. waren die von Sardica 343 (erste Anerkennung der obersten Jurisdiktion des Bischofs von Rom), Laodicea 381 (Feststellung des Bibelkanons), die zahlreichen P. in Karthago für die afrik., in Toledo für die span. Kirche. In Frankreich traten seit dem 6. Jahrh. an Stelle der P. die Nationalkonzilien, das erste 511 zu Orléans. In der kath. Kirche haben die P. schon seit Jahrhunderten keine erhebliche Bedeutung mehr; neuestens scheint man sie in den überseeischen Ländern wieder belebt zu haben.

Provision (lat.), Vorsorge; Vorrat. Im katholischen Kirchenrecht ist P. (Jus provisionis) die Verleihung eines Kirchenamtes, welche der Kirchengewalt zusteht. Sie ist ordinaria, wenn sie durch den ordnungsmäßig Berechtigten vorgenommen wird, also bei niedern Ämtern durch den Bischof, entweder frei (collatio libera) oder gebunden an den Vorschlag eines Dritten (collatio non libera, s. Kollatur). Bei den Bistümern erfolgt die P. durch Wahl (s. Bischof); für die Domkapitel (s. d.) gelten noch besondere Vorschriften. Die provisio extraordinaria greift Platz, wenn an die Stelle des ordnungsmäßig Berechtigten ein höheres Organ tritt, und zwar entweder, wenn der Berechtigte schuldhafterweise von seinem Provisionsrechte in der zulässigen Frist keinen oder unrichtigen Gebrauch gemacht hat (ex jure devolutionis), oder weil der Papst sich die Verleihung der Stelle vorbehalten hat (reservatio). In der evang. Kirche erfolgt die P. durch den Landesherrn, entweder persönlich oder durch das kirchliche Regierungsorgan. Sie ist nach Analogie des staatlichen Beamtenrechts geordnet und bietet bei der in der Person des Landesherrn bestehenden Verbindung von Staats- und Kirchengewalt kaum Anlaß zu Streit. Dagegen besteht über die Frage des staatlichen Einflusses mit der kath. Kirche ein lebhafter Streit. Principiell weist die kath. Kirche alle Anforderungen des Staates als unberechtigt zurück. Dem preuß. Gesetz vom 11. Mai 1873 gegenüber wurde dieser Standpunkt auch mit äußerster Schärfe festgehalten, so daß der Staat schließlich die