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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Quellenkultus

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Quelle - Quellenkultus.

schränkt sich nicht auf die Wanderung des Wassers allein, sondern ist ganz besonders in dem Transport mineralischer Stoffe aus den Erdtiefen begründet. Im Gegensatz zu der transportierenden Thätigkeit des Flußwassers liegt der Schwerpunkt bei dem Quellwasser in den gelösten Stoffen, nicht in dem aufgewühlten, mechanisch transportierten Material. Nur ganz oberflächlich verlaufende Quellen trüben sich nach Regengüssen vorübergehend, transportieren also auch Schlamm; alle tiefer eindringenden Wasser unterliegen einem Filtrationsprozeß, welcher die mechanisch beigemengten Stoffe entfernt. Die Menge der gelösten Stoffe ist innerhalb weiter Grenzen variabel und von der Natur der Gesteine abhängig, welche das Wasser bei seinem unterirdischen Lauf überrieselt. Schon Plinius sagt: "Tales sunt aquae, quales terrae, per quas fluunt". Der Einzelverlauf des unterirdischen Laufs, namentlich das Zerschlagenwerden des Wassers auf die einzelnen Haarröhrchen und Haarspalten, ist in ein sehr klares Licht gestellt worden durch die von Knop ausgeführten Untersuchungen, welche zu dem Zweck des Nachweises eines unterirdischen Zusammenhangs zwischen dem bei Immendingen versinkenden Donauwasser und demjenigen der Aachquelle angestellt wurden. Obgleich die Luftlinie zwischen der Versinkungsstelle und der Aachquelle nur 11 km und die Höhendifferenz 160 m beträgt, konnte die Anreicherung an Chlornatrium, die man durch Versenkung einer großen Menge Kochsalz an der Versinkungsstelle hervorbrachte, an der Aachquelle erst nach 10 Stunden erstmals nachgewiesen werden. Die Versalzung erreichte das Maximum nach 60 Stunden, und erst nach 90 Stunden sank der Gehalt an Chlornatrium auf das gewöhnliche Minimum im Aachwasser zurück, ein deutlicher Beweis, wie verschieden die Wege waren, welche von den einzelnen Wasserteilchen eingeschlagen wurden, und wie gewunden selbst der Pfad des noch am schnellsten der Aach zueilenden Wassers sein mußte. Am wenigsten Stoffe enthalten die dem Buntsandstein entspringende Quellen, aber auch eine gewisse Kategorie heißer Quellen ist arm daran. Durch hohen Gehalt an einzelnen Mineralstoffen und Gasen oder durch die Führung ganz besonderer, therapeutisch wichtiger Stoffe ausgezeichnete Quellen heißen Mineralwässer (s. d.). Die folgende kleine Tabelle gibt ein Bild von den Schwankungen, welche sich in der Gesamtmenge der gelösten Stoffe abspielen. Auf 10,000 Teile Wasser kommen an gelösten Stoffen:

Teile Temp.

Tintenquelle, Teinach, Württemberg (Buntsandstein) 1,52 11,7°

Plombières, Vogesen (Granit) 2,45 52,0°

Badenweiler, Schwarzwald (Granit) 3,48 26,4°

Hauptstollenquelle in Baden-Baden (Granit) 28,39 65,2°

Karlsbader Sprudel (Granit) 62,93 72,5°

Mergentheimer Bittersalzquelle (Muschelkalk) 222,7 13,7°

Hackeborn zu Halle a. d. S. (Muschelkalk) 842,30 12,5°

Die enorme Wichtigkeit dieser Zahlen, welche den Gehalt an gelösten, also an festen, dem Erdinnern entführten Stoffen angeben, erhellt erst, wenn man die Wassermengen, die den betreffenden Quellen entströmen, mit in Rechnung zieht. So liefert beispielsweise die Karlsbader Q. jährlich 600,000 kg Natriumcarbonat, 10 Mill. kg Glaubersalz aus der Erdtiefe auf die Oberfläche, ja selbst an Fluor gelangen, obgleich erst in 300,000 Teilen Wasser ein Teil dieses Elements enthalten ist, jährlich doch 12,500 kg an das Tageslicht. Ändern sich bei Austritt des Quellwassers die für die Löslichkeit der mitgeführten Stoffe in der Tiefe der Quellkanäle herrschenden günstigen Verhältnisse, so entstehen Quellabsätze, gelegentlich in einer den Namen Gestein verdienenden Fülle. So schlägt sich durch Verlust an Kohlensäure das nur in kohlensäurehaltigem Wasser leicht lösliche Calciumcarbonat als Kalksinter oder Aragonit (Erbsenstein, Sprudelstein, s. d.) ab, das ebenfalls in kohlensäurehaltigem Wasser lösliche Eisencarbonat zersetzt sich zu Eisenhydroxyd, ein Gehalt an Schwefelwasserstoff liefert Schwefelabsätze; aus heißen, an Kieselsäure reichen Quellen entstehen durch Verdunstung des Wassers Kieselsinterablagerungen (vgl. Geiser). Oft sind in solchen Absätzen Quellwasserbestandteile in wägbarem Prozentsatz nachweisbar, von denen das Quellwasser selbst nur äußerst geringe Spuren enthält, wie z. B. Arsen in den Eisenoxydniederschlägen einer Reihe von Quellen.

Der Nachweis, die Auffindung und die Erschließung unterirdisch vorhandener Wasserhorizonte setzt die genaueste Kenntnis der den Untergrund der fraglichen Stelle bildenden Formationen und ihrer speziell am Untersuchungsort ausgebildeten Lagerung voraus. Die von einzelnen Individuen (Quellfindern, Wasserschmeckern) als Spezialität ausgebildete Aufsuchung unterirdischer Wasserhorizonte wird deshalb nur insofern die Beachtung des Gebildeten verdienen, als sie eben auf wissenschaftlichen Grundsätzen, gepaart mit einem durch zahlreiche Erfahrungen geschärften Blick, beruht. Als Typus eines solchen Praktikers sei der Abbé Paramelle genannt, dessen "Quellenkunde" von Cotta ins Deutsche übersetzt wurde (2. Aufl., Leipz. 1865). Was über diesen Rahmen hinaus ans Wunderbare grenzt (hat doch einer der modernsten Quellensucher sogar die mittelalterliche Wünschelrute wieder zu Ansehen zu bringen gesucht), ist schwindelhafte Zuthat, auf ein ungebildetes Publikum berechnet. Am besten wird der nach Wasser suchenden Bevölkerung durch streng wissenschaftliche Zusammenstellungen gedient, welche sich die präzise Darstellung der unterirdischen Wasserverhältnisse für kleinere Landesabschnitte zur Aufgabe machen. Ein Muster in dieser Beziehung ist Regelmanns Werk "Die Quellwasser Württembergs" (Stuttg. 1874). Vgl. auch Heim, Die Quellen (Basel 1885).

Quellenkultus (Quellendienst), die gewöhnlichste und weitverbreitetste Form der Verehrung des Wassers als segenspendenden Elements an seinem Ursprung. Auch da, wo einem Fluß mit langem Lauf der Kultus galt, wurde derselbe meist an seine Quelle verlegt, wie denn der Flußgott durch das nie fehlende Attribut der Urne, aus der das Wasser entströmt, stets als Personifikation der Quelle dargestellt wurde. Aber auch sonst widmeten fast alle Völker in ihrer mythischen Periode gewissen Quellen, sei es ihrer heilkräftigen oder vermeintlich begeisternden Wirkung wegen, einen besondern Kultus und pflegten dabei zu erzählen, daß diese Quellen von bestimmten Gottheiten zu Heil und Nutzen der Menschen erzeugt worden seien. Die Erzeugung der Wahrsagequellen wurde in Griechenland vorzugsweise dem Apollon, die der warmen Heilquellen meist dem Herakles zugeschrieben, und wie die Musenquelle am Parnaß durch den Huf des Pegasos eröffnet worden sein sollte und danach den Namen Hippokrene erhielt, so zeigte man auch in Deutschland verschiedene solcher Roßquellen, deren erste Erzeugung man einem Hufschlag vom Streitroß Odins oder Karls d. Gr. zuschrieb. Besonders viele heilige Quellen im Norden scheinen aber dem nordischen Apollon, Balder, zugeschrieben worden zu sein, wie die mancherlei Pholesbrunnen, Phulsborne, Fals- und Balde-^[folgende Seite]