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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Ratzeburg; Ratzel; Ratzes; Rau; Raub

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Ratzeburg - Raub.

der zu Mecklenburg-Strelitz gehörige "Domhof" mit dem Dom einnimmt) und an der Eisenbahn von Büchen nach Lübeck, 10 m ü. M. Der Dom, eine rundbogige, kreuzförmige Pfeilerbasilika aus dem Anfang des 13. Jahrh., ist eins der schönsten Bauwerke im nördlichen Deutschland. Die Stadt hat ein Gymnasium, ein Schullehrerseminar, ein Landratsamt, ein Amtsgericht und (1885) mit der Garnison (ein Jägerbataillon Nr. 9) 4315 meist evangel. Einwohner. Der mecklenburgische Anteil zählt 220 Einw.

Ratzeburg, Julius Theodor, Zoolog, geb. 16. Febr. 1801 zu Berlin, wo sein Vater Professor an der Tierarzneischule war, studierte daselbst seit 1821 Medizin und Naturwissenschaften, besonders Botanik, habilitierte sich 1828 als Privatdozent an der Universität, ging 1830 als Professor der Naturwissenschaften an die Forstakademie zu Eberswalde, trat 1869 in den Ruhestand und lebte fortan in Berlin, wo er 24. Okt. 1871 starb. Epochemachend waren Ratzeburgs entomologische Schriften: "Die Forstinsekten" (Berl. 1837-44, 3 Tle. und Supplement; 2. Aufl., Wien 1885); "Die Waldverderber und ihre Feinde" (Berl. 1841, 8. Aufl. von Judeich und Nitsche als "Lehrbuch der mitteleuropäischen Insektenkunde", Wien 1885 ff., mit Biographie); "Die Ichneumonen der Forstinsekten" (Berl. 1844-52, 3 Bde.); "Die Nachkrankheiten und die Reproduktion der Kiefer nach dem Fraß der Forleule" (das. 1862); "Die Waldverderbnis oder dauernder Schaden, welcher durch Insektenfraß, Schälen etc. an lebenden Waldbäumen entsteht" (das. 1866-68, 2 Bde.). Außerdem schrieb er: "Medizinische Zoologie" (mit Brandt, Berl. 1827-34, 2 Bde.); "Abbildung und Beschreibung der in Deutschland wild wachsenden Giftgewächse" (mit Brandt und Phöbus, das. 1834; 2. Aufl. 1838); "Forstnaturwissenschaftliche Reisen" (das. 1842); "Die Standortsgewächse und Unkräuter Deutschlands" (das. 1859) und ein "Forstwissenschaftliches Schriftstellerlexikon" (das. 1872-73).

Ratzel, Friedrich, Reisender und Naturforscher, geb. 30. Aug. 1844 zu Karlsruhe, studierte Naturwissenschaften und Geographie auf verschiedenen Universitäten Deutschlands und machte 1869-75 Reisen durch Italien, Ungarn, Siebenbürgen, Nordamerika, Mexiko, Cuba etc. Auch machte er 1870 den Krieg gegen Frankreich als Freiwilliger mit; 1876 wurde er zum Professor der Geographie am Polytechnikum zu München ernannt und 1886 an die Universität Leipzig berufen. Er schrieb: "Sein und Werden der organischen Welt" (Leipz. 1868); "Wandertage eines Naturforschers" (das. 1873-74, 2 Bde.); "Vorgeschichte des europäischen Menschen" (Münch. 1875); "Die chinesische Auswanderung" (Bresl. 1876); "Städte- und Kulturbilder aus Nordamerika" (Leipz. 1876, 2 Bde.); "Die Vereinigten Staaten von Nordamerika" (Münch. 1878-80, 2 Bde.); "Aus Mexiko, Reiseskizzen aus den Jahren 1874 und 1875" (Bresl. 1878); "Die Erde, in 24 Vorträgen" (Stuttg. 1881); "Anthropogeographie" (das. 1882) und "Völkerkunde" (Leipz. 1886-88, 3 Bde.).

Ratzes, kleines Bad in Südtirol, Bezirkshauptmannschaft Bozen, 1056 m ü. M., am Fuß des Plateaus der Seißer Alpe und des Schlern gelegen, hat eine kalte Schwefel- und Alaunquelle und ist im Sommer sehr besucht. Vgl. Proßliner, Das Bad R. in Südtirol (Bilin 1883).

Rau, 1) Karl Heinrich, hervorragender deutscher Nationalökonom, geb. 23. Nov. 1792 zu Erlangen, habilitierte sich dort 1812 als Dozent der Staatswissenschaften und gewann 1814 einen von der Göttinger Societät ausgesetzten Preis über die Frage: "Wie sind die Nachteile der Aufhebung des Zunftwesens zu entfernen?" Schon 1818 wurde er außerordentlicher, dann ordentlicher Professor und Universitätsbibliothekar in Erlangen; 1822 folgte er einem Ruf nach Heidelberg und wirkte dort bis zu seinem 18. März 1870 erfolgten Tod. Er erhielt den Titel als Geheimer Hofrat und war 1837-40 Mitglied der badischen Ersten Kammer. Seit 1834 gab er, später in Gemeinschaft mit Hanssen, das "Archiv der politischen Ökonomie" heraus. Sein weitverbreitetes Hauptwerk: "Lehrbuch der politischen Ökonomie" (Heidelb. 1826-32, 3 Bde.), zeichnet sich durch gute Systematik, Litteraturnachweise und reiche Sammlung von Materialien aus. Er führte zuerst die Teilung der politischen Ökonomie in Volkswirtschaftslehre (Bd. 1 des Lehrbuchs, 8. Aufl., Leipz. 1869), Volkswirtschaftspolitik (Bd. 2, 5. Aufl. 1862 bis 1863) und Finanzwissenschaft (Bd. 3, 5. Aufl. 1864-65) durch. Nach Raus Tod übernahmen Adolf Wagner und Erwin Nasse eine den Charakter des Werkes völlig umgestaltende Neubearbeitung (Leipz. 1871 ff.), die noch nicht vollendet ist.

2) Heribert, Schriftsteller und Wortführer der Freien Gemeinden, geb. 11. Febr. 1813 zu Frankfurt a. M., widmete sich erst dem Kaufmannsstand, schloß sich dann 1842 der freireligiösen Bewegung an, studierte 1844-46 noch Theologie in Heidelberg und wurde zum Prediger der Freien Gemeinde in Stuttgart, 1849 in Mannheim erwählt, aber im Juni 1856 von der Regierung seiner Stelle enthoben. Er lebte seitdem in seiner Vaterstadt schriftstellerisch beschäftigt, versah 1868-74 das Predigeramt bei der deutsch-katholischen Gemeinde in Offenbach und starb 26. Sept. 1876 in Frankfurt. Von seinen Schriften populärphilosophischen und theologischen Inhalts sind hervorzuheben: "Evangelium der Natur" (Mannh. 1853; 6. Aufl., Leipz. 1886); "Katechismus der Vernunftreligion" (4. Aufl., Wiesb. 1873); "Apostelgeschichte des Geistes" (Neustadt a. d. Hardt 1857-59, 2 Bde.); "Neue Stunden der Andacht" (Leipz. 1859; 6. Aufl. 1885, 3 Bde.); "Das Papsttum, seine Entstehung, seine Blüte und sein Verfall" (Stuttg. 1872); "Kulturgeschichtliche Vorlesungen" (Wiesbad. 1875). Als Romanschriftsteller hat er besonders auf dem Gebiet des kulturhistorisch-biographischen Romans eine große Fruchtbarkeit entwickelt. Von diesen belletristischen Werken nennen wir: "Kaiser und Narr" (Leipz. 1845, 3 Bde.); "Mozart" (Frankf. 1858, 6 Bde.; 5. Aufl., Berl. 1887, 3 Bde.); "Beethoven" (Frankf. 1859, 4 Bde.; 3. Aufl. 1886); "Alexander v. Humboldt" (das. 1860-61, 7 Bde.); "Jean Paul" (Leipz. 1861, 4 Bde.); "Hölderlin" (das. 1862, 2 Bde.); "Garibaldi" (Berl. 1864, 3 Bde.) und "Deutschlands Kassandra" (Stuttg. 1871). Nach seinem Tod erschien "Liederfrühling aus dem Herbst des Lebens", Gedichte (Leipz. 1878)

Raub (Rapina), das Verbrechen desjenigen, welcher mit Gewalt gegen eine Person oder unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben eine fremde bewegliche Sache einem andern in der Absicht wegnimmt, sich dieselbe rechtswidrig zuzueignen (deutsches Strafgesetzbuch, § 249). Von dem Diebstahl, als der gewaltlosen widerrechtliche Zueignung einer fremden beweglichen Sache, unterscheidet sich der R. durch die dabei angewendete Gewaltthätigkeit gegen eine Person. Daher geht der Diebstahl auch in R. über, wenn der auf frischer That betroffene Dieb gegen eine Person Gewalt verübt oder Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben anwendet, um sich im Besitz