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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Reichsschatzamt - Reichsstände

der R., und durch den Lunéviller Frieden und den Reichsdeputationshauptschluß (1803) ward seine ganze Stellung gefährdet. Die Säkularisierung der geistlichen Staaten nahm der katholischen R. die Pfründen, die sie bisher genossen hatte. Dann eröffneten die größern Reichsfürsten seit 1803 und 1804, trotz kaiserl. Abmahnungen, einen kleinen Krieg gegen die R., dem sie zum Teil schon erlegen war, als die Rheinbundsakte 1806 ihre Selbständigkeit aufhob und sie unter die landesfürstl. Hoheit stellte. – Vgl. Roth von Schreckenstein, Geschichte der ehemaligen freien R. in Schwaben, Franken und am Rheinstrom (2 Bde., Tüb. 1859‒62).

Reichsschatzamt, die oberste, 1879 von dem Reichskanzleramt getrennte Finanzverwaltungsbehörde des Deutschen Reichs, an deren Spitze ein Staatssekretär steht. Zum Ressort des R. gehören insbesondere die Vorbereitung des Reichshaushaltsetats, das Kassen- und Rechnungswesen sowie die Münz-, Reichspapiergeld- und Reichsschuldenangelegenheiten. Unter der Verwaltung des R. steht auch die Reichshauptkasse und der Reichskriegsschatz (s. Kriegsschatz).

Reichsschluß, s. Reichstag.

Reichsschuldbuch, Deutsches, s. Einschreibesystem.

Reichsschuldenkommission, eine Kommission, die aus drei Mitgliedern des Bundesrats, drei Mitgliedern des Reichstags und dem Präsidenten des Rechnungshofs des Deutschen Reichs besteht und die Aufsicht führt über die Reichsschuldenverwaltung. Die R., der von der Reichsschuldenverwaltung (s. d.) alle Monats- und Jahresabschlüsse sowohl über Verzinsung als Tilgung der Reichsschulden einzureichen sind, hat mindestens einmal halbjährlich eine Revision vorzunehmen und darüber dem Bundesrat und Reichstag Bericht zu erstatten. Die R. hat außerdem die Aufsicht über die Verwaltung des Reichskriegsschatzes, des Reichsinvalidenfonds und des Reichstagsgebäudefonds sowie die Kontrolle über die An- und Ausfertigung, Einziehung und Vernichtung der Banknoten der Reichsbank, zu welchem Zweck sie durch ein vom Kaiser ernanntes Mitglied verstärkt wird.

Reichsschuldenverwaltung, eine von der allgemeinen Reichsfinanzverwaltung abgesonderte, selbständige Behörde zur Verwaltung der Reichsschulden (s. Deutschland und Deutsches Reich, Bd. 5, S. 152 b), die der preuß. Hauptverwaltung der Staatsschulden übertragen ist. Sie besteht aus einem Präsidenten und vier Räten und steht unter Aufsicht der Reichsschuldenkommission (s. d.). Die oberste Leitung steht dem Reichskanzler zu. Die Funktionen der R. sind: 1) Konvertierung von Schuldverschreibungen; 2) Verwaltung der Passivkapitalien des Reichs sowie der Verzinsungs-, Betriebs- und Tilgungsfonds; 3) Anfertigung, Ausgabe und Wiedereinziehung der Reichsschuldverschreibungen, einschließlich der Schatzanweisungen; 4) Einregistrierung von Reichsgarantien.

Reichsschulkommission, hat den Zweck, die einheitliche Gestaltung der Vorbildung für den Einjährig-Freiwilligendienst zu überwachen und ihr Gutachten abzugeben über Anträge von Lehranstalten auf Erteilung der Fähigkeit, Berechtigungsscheine auszustellen. Sie besteht aus einem vom Reichskanzler ernannten Vorsitzenden und sechs Mitgliedern, von denen je eins die vier Königreiche, die übrigen zwei die übrigen Einzelstaaten nach bestimmter Reihenfolge ernennen.

Reichsstaatsrecht, s. Öffentliches Recht.

Reichsstädte, im ehemaligen Deutschen Reiche die Städte, die unmittelbar unter dem Reiche standen und Sitz und Stimme auf dem Reichstage hatten. Die Städte erlangten die Reichsunmittelbarkeit (s. d.) teils durch kaiserl. Verleihung, teils durch Gewalt und Vertrag, indem sie sich seit der Mitte des 13. Jahrh. von der entstehenden Landeshoheit der Fürsten, meist der Bischöfe oder Äbte, befreiten. Von ihnen zu unterscheiden sind die seit dem 14. Jahrh. entstehenden Freien Städte (s. d.). Die R. im engern Sinne waren dem Reiche mehr verpflichtet als jene; sie zahlten jährliche Reichssteuern und waren der Verpfändung ausgesetzt. Seit dem 13. Jahrh. fanden die R. Zutritt zu den Reichstagen; doch wurde ihr Sitz- und Stimmrecht erst im Westfälischen Frieden 1648 geregelt. Sie bildeten seitdem das dritte Kolleg, das in eine schwäb. und eine rhein. Bank zerfiel und dasselbe Stimmrecht besaß wie die Kollegien der Kurfürsten und Fürsten. Die Verfassung der R. entwickelte sich unter dem Einfluß der innern Kämpfe höchst verschieden, je nachdem die Stadträte aus den Geschlechtern oder Zünften oder aus beiden gewählt wurden. Doch bewahrte weder die aristokratische noch die demokratische Form der Verfassungen die 51 R., die sich ihre Selbständigkeit bis zur Französischen Revolution erhalten hatten, vor Erstarrung und Verknöcherung. Der Reichsdeputationshauptschluß vom 25. Febr. 1803 unterwarf die R., bis auf Hamburg, Augsburg, Nürnberg, Lübeck, Bremen und Frankfurt a. M., der Landeshoheit anderer Reichsstände, und auch diese sechs büßten ihre Reichsunmittelbarkeit bald ein: Augsburg nach dem Preßburger Frieden 4. Mai 1806, Frankfurt und Nürnberg nach Errichtung des Rheinbundes 12. Juli 1806, die drei Hansestädte durch ein Dekret Napoleons 13. Dez. 1810. Nach den deutschen Befreiungskriegen wurden Lübeck, Frankfurt a. M., Bremen und Hamburg als Freie Städte wiederhergestellt und 8. Juni 1815 in den Deutschen Bund aufgenommen. Infolge des Deutschen Krieges von 1866 wurde Frankfurt dem Königreich Preußen einverleibt (18. Okt. 1866), während die drei Hansestädte selbständige Glieder des Norddeutschen Bundes und 1871 des neuen Deutschen Reichs wurden. – Vgl. Hüllmann, Städtewesen des Mittelalters (4 Bde., Bonn 1826‒29); Arnold, Verfassungsgeschichte der deutschen Freistädte (2 Bde, Gotha 1854); Schmid, Die mediatisierten freien R. Teutschlands (Frankf. 1861); Heusler, Ursprung der deutschen Stadtverfassung (Weim. 1872); Brülcke, Die Entwicklung der Reichsstandschaft der Städte (Hamb. 1881); H. Keussen, Die polit. Stellung der R. mit besonderer Berücksichtigung ihrer Reichsstandschaft unter König Friedrich Ⅲ. 1440‒57 (Bonn 1885); Dietz, Die polit. Stellung der deutschen Städte 1421‒31 (Gieß. 1889).

Reichsstände, im vormaligen Deutschen Reiche die unmittelbaren Glieder des Reichs, die auf den Reichstagen Sitz und Stimme hatten. Sie waren entweder geistliche, zu denen die geistlichen Kurfürsten, die Erzbischöfe und Bischöfe, die Äbte der unmittelbar unter den Schutz des Königs gestellten, also nicht landsässigen Klöster, der Hoch-und Deutschmeister und der Johannitermeister gerechnet wurden, oder weltliche: die weltlichen Kurfürsten, Herzöge, Fürsten, Landgrafen, Markgrafen, Burggrafen und eine Anzahl Grafen und sogar einige Freiherren, welche in dem Kollegium der Fürsten