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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Reitdiep; Reiten, im Whistspiel; Reïter.; Reïteration; Reiterei

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Reitdiep - Reiterei.

diese Teile einwirken. Es scheint, als ob Verletzung eines Großhirnschenkels oder eines Sehhügels den R. nach der gesunden Seite hin bewirke; doch sind die Angaben der Physiologen hierüber sehr schwankend. Auch beim Menschen ist der R. beobachtet worden.

Reitdiep, der untere Lauf der Hanse (s. d.), insbesondere der Teil zwischen Groningen und Zoutkamp an dem Lauwers. Seit 1876 ist es vom Lauwers durch Deich und Schleusen getrennt.

Reiten, im Whistspiel etc., s. Impasse.

Reïter. (abgekürzt v. reïteretur, lat.), "es werde wiederholt (nochmals) gegeben", auf Rezepten.

Reïteration (lat.), Wiederholung; reïterativ, wiederholt, abermalig.

Reiterei (Kavallerie, franz. Cavalerie, v. ital. cavallo, lat. caballus, Pferd), die zu Pferd fechtende Truppe, die zweite Hauptwaffe der Heere, weniger zahlreich als das Fußvolk. Sie ist im Vergleich zu letzterm schwieriger zu beschaffen, kostspieliger zu erhalten, langsamer auszubilden und bei eintretendem Verlust schwerer zu ersetzen. Der Gebrauch der R. beruht auf Ausnutzung der Kraft und Schnelligkeit des Pferdes; davor tritt selbst die Bewaffnung zurück. Letztere muß aber in blanken Waffen, Säbel, Pallasch (zu Hieb und Stich), Lanze, bestehen, denn das Schießen zu Pferd ist unsicher. Der Karabiner (s. d.) kann nur wirksam zur Anwendung kommen, wenn der Reiter absitzt, also als Fußkämpfer auftritt. Sonst dienen die Schußwaffen der R. wesentlich zu Signalschüssen. Durch ihre Schnelligkeit ist die R. unentbehrlich für das rasche Einholen von Nachrichten und Überbringen von Meldungen und Befehlen; zugleich erleichtert der hohe Sitz des Reiters den raschen Überblick und das Zurechtfinden im Terrain und erhöht die Bedeutung der R. für Sicherheits-, Aufklärungs- und Kundschaftsdienst, wozu sie deshalb auch überall gebraucht wird, wo irgend ein Pferd noch gut fortkommen kann. In der Marschleistung übertrifft R. das Fußvolk bei Zurücklegung kürzerer Strecken und bei Gewaltmärschen auf einige Tage; auf längere Dauer aber widersteht das Pferd weniger den erschöpfenden äußern Einflüssen und gleicht die Ausdauer der Infanterie die Schnelligkeit der Pferde wieder aus. Im Kampf soll die R. durch die Wucht, welche die aufs höchste entwickelte Schnelligkeit des Pferdes erzeugt, im "Chok", den Gegner um- und überreiten, und erst nachdem durch diesen Anprall die Ordnung beim Gegner gestört ist, tritt der Gebrauch der Waffen ein. Wirksam ist der Chok aber nur, wenn die R. in geordneten, geschlossenen Abteilungen auftritt, und wenn der Gegner womöglich überrascht wird. Der Angriff muß fortgesetzt werden, bis auch die hintern Treffen des Gegners durchbrochen und geworfen sind; erst dann ist der Erfolg gesichert. Zur vollen Ausnutzung der Kraft der Pferde und Geltendmachung aller Waffen muß die R. in entwickelter Linie attackieren, vorher, um überraschend den Gegner in ungünstiger Lage, womöglich in Flanke und Rücken, anfallen zu können, verdeckt in dichten Massen (Kolonnen) manövrieren und zur Attacke rasch aufmarschieren, nachher, wenn durch den Angriff die eigne Ordnung gelöst ist, womöglich die Teten der fliehenden Feinde überholen, dabei aber gegen das Auftreten neuer feindlicher R. durch geschlossen folgende Reserven gedeckt sein. Dies die Hauptgesichtspunkte der Führung, deren schwere Kunst im richtigen Erkennen und raschen Ausnutzen der schnell vorübergehenden günstigen Momente für das Auftreten der R. besteht, die aber dann eines gewaltigen moralischen Eindrucks gewiß sein kann. Zur vollen Ausnutzung kommt R. nur, wo sie freie Umsicht, Raum zur Entwickelung und zum Anlauf sowie möglichst ebenen, festen Boden unter sich hat. Nebel und Dunkelheit machen ihre Bewegungen, ja den Gang des einzelnen Pferdes unsicher. Nach dem Schlag der Pferde und Menschen scheidet man die R. in leichte und schwere; letztere sollte durch stärkere Tiere und kräftigere Menschen befähigt sein, im Gefecht eine größere Wucht des Anpralls auszuüben, u. trat zu diesem Zweck auch möglichst nur geschlossen zur Attacke auf. Die leichte R. hat durch die Wendigkeit der kleinere Pferde mehr die Fähigkeit, Terrainhindernisse zu überwinden etc.; ihr sollte mehr der Aufklärungs- und Sicherheitsdienst, der Kampf in aufgelöster Ordnung und, wo es nötig, das Fußgefecht zufallen. In neuester Zeit ist diese Unterscheidung fast ganz in Wegfall gekommen, die Verwendung der R. wird mehr und mehr eine gleiche. Die Benennungen der Regimenter als Kürassiere, Karabiniere, Dragoner, Husaren, und Ulanen decken sich nicht in allen Heeren gleichmäßig mit den Begriffen von leicht und schwer. Zur schweren R. gehören überall die Panzerreiter (Kürassiere, s. d.), zur leichten die Husaren und Chevau-legers; die Lanzenreiter (Lanciers, Ulanen) gelten bald als schwere, bald als leichte, in Deutschland dem Pferdeschlag und der Fütterung nach als eine sogen. mittlere R. Alle Arten R. sind jetzt mit dem Karabiner, die Unteroffiziere mit Revolvern bewaffnet und werden auf das Gefecht zu Fuß eingeübt. Verwendungseinheit der R. ist die Eskadron von 100-150 Pferden, darüber Regimenter von meist 4 Eskadrons. Zu höhern Verbänden ist die R. in Brigaden (meist 2 Regimenter) und in selbständigen Divisionen (2-3 Brigaden mit zugeteilten reitenden Batterien) vereinigt. Die einzige Verwendungsart der R. im Gefecht ist die Attacke, die Form dazu die Linie, bei größern Abteilungen in mehreren Treffen, deren zweites hinter den Flügeln (zur Flankendeckung), ein drittes als Reserve mit je 400-500 Schritt Abstand folgt. Nur wo zum Aufmarsch kein Raum oder keine Zeit ist, attackiert die R. in Kolonnen und, wo der Gegner nicht mehr in geschlossenen Abteilungen gegenübersteht, es also mehr auf rasches Einholen des wankenden Feindes ankommt, in aufgelöster Ordnung. Ein Angriff in Echelons (s. d.), jedes in sich in Linie, ergibt sich stets da, wo die Zeit fehlt, in Einer Linie aufzumarschieren. Zum Fernhalten einzelner feindlicher Reiter, während die R. steht, manövriert oder sich sammelt, dient das Vorziehen einzelner Reiter mit aufgenommene Schußwaffe, das Plänkeln oder Flankieren. Im Gefecht wie im Sicherheitsdienst ist endlich zu unterscheiden die Verwendung der R. in unmittelbarer Verbindung mit den andern Waffen als Divisionskavallerie (vgl. Division) und in größern selbständigen Kavalleriedivisionen oder -Korps, die vor und nach den Schlachten um Tagemärsche dem Heer voraus den Gegner aufsuchen und die Bewegungen des eignen Heers verschleiern, also eine hauptsächlich operative Thätigkeit haben, im Gegensatz zu der Schlachtenthätigkeit der Divisionskavallerie. Das Stärkeverhältnis der R. zur Infanterie, nach Zeit und Ländern vielfach wechselnd, ist in den europäischen Heeren seit den Napoleonischen Kriegen ziemlich gleichmäßig mit 1/5-1/7 des Fußvolkes festgehalten worden.

Geschichte. Während der Ursprung der R. bis in die mythische Zeit hinaufreicht, bildete doch erst Kyros in Persien eine Nationalkavallerie, welche zuletzt 120,000 Mann zählte; in der Schlacht bei Marathon hatten die Perser 10,000 Mann, bei Platää 40,000, im makedo-^[folgende Seite]