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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Reitzenstein - Rej von Naglowice.

Reitzenstein, Franziska von, unter dem Pseudonym Franz v. Nemmersdorf bekannte Romanschriftstellerin, geb. 19. Sept. 1834 auf Schloß Härdenstein in Schwaben als die Tochter des Oberappellationsgerichtsrats v. Nyß, beschäftigte sich frühzeitig mit ernsten, namentlich geschichtlichen und anthropologischen, Studien, verheiratet sich noch sehr jung (1849) mit dem bayrischen Rittmeister Freiherrn von R., wurde bald Witwe und lebt gegenwärtig in Rom. Von ihren Romanen, die sich durch freie, weltmännische Auffassung der Lebensverhältnisse, zum Teil auch durch Sinn für das historisch Bedeutende auszeichnen, nennen wir: "Unter den Ruinen. Roman aus Roms Gegenwart" (Leipz. 1861, 4 Bde.); "Moderne Gesellschaft" (das. 1863, 4. Bde.); "La Stella" (Münch. 1863); "Doge und Papst" (Bresl. 1865, 2 Bde.), mit vorzüglicher Schilderung des Treibens im alten Venedig; "Allein in der Welt" (Berl. 1868, 3 Bde.); "Unter den Waffen" (das. 1869, 3 Bde.); "Ritter unserer Zeit" (Nürnb. 1873, 3 Bde.); "Ein Gentleman" (Jena 1874, 4 Bde.); "Ein Ehestandsdrama" (das. 1876, 4 Bde.); "Gebt Raum!" (Dresd. 1880, 3 Bde.) etc.

Rei Vindicatio (lat., Vindikation, Eigentumsklage), die dem nicht besitzenden Eigentümer einer Sache gegen jeden, der diese Sache besitzt, zustehende Klage auf Anerkennung des Eigentums und Herausgabe der Sache mit allem Zubehör.

Reiz, in der Physiologie und Pathologie bestimmte Einwirkungen auf lebende Gewebe, unter deren Einfluß diese aus dem ruhenden in den thätigen Zustand übertreten. Man unterscheidet innere und äußere Reize und bezeichnet als innere Reize die ihrer nähern Beschaffenheit nach noch unerkannten Vorgänge in dem Zentralnervensystem, durch welche ein erregter Zustand der Gewebe herbeigeführt wird. Äußere Reize sind nicht im Tierkörper selbst erzeugte, sondern von außen denselben treffende Einwirkungen. Diese zerfallen wieder in zwei Kategorien: 1) Die natürlichen Sinnesreize (Tasteindruck, Wärme, Licht, Schall, Geschmacks- und Geruchsreize) verursachen mittels der Wirkung auf besondere Endapparate, die Sinnesorgane, Nervenerregung; dabei kann aber jedes Sinnesorgan entweder nur durch bestimmte (sogen. spezifische) Reize in Erregung gebracht werden, oder wo es auch auf andre Reize reagiert, da spricht es in der jenem adäquaten R. entsprechenden Form an: so ist das Licht der adäquate R. für die vermittelst des Auges eingeleitete Erregung des Sehnervs, der Schall der adäquate R. für die natürliche Erregung des Hörnervs etc.; werden aber Sehnerv oder Hörnerv in andrer Weise, z. B. mechanisch, gereizt, so kommen auch dann Gesichts- und Gehörsempfindungen zur Auslösung. 2) Die allgemeinen Reize sind mechanischer, chemischer, thermischer und elektrischer Natur.

Reiz, Friedrich Wolfgang, ausgezeichneter Philolog, geb. 2. Sept. 1733 zu Windsheim in Franken, studierte seit 1753 zu Leipzig, wurde 1766 Privatdozent daselbst, 1772 außerordentlicher, 1782 ordentlicher Professor der klassischen Sprachen, 1785 der Poesie; starb 2. Febr. 1790 daselbst. R. ist, besonders durch seine mündliche Lehre, der Begründer der neuen von seinem Schüler G. Hermann ausgebildeten grammatisch-kritischen Richtung in der Philologie. Von seinen Schriften bahnten "De temporibus et modis verbi graeci et latini" (Leipz. 1766) und "De prosodiae graecae accentus inclinatione" (hrsg. v. F. A. Wolf, das. 1791) eine neue Behandlung der Grammatik an; die Abhandlung "Burmannum de Bentleii doctrina metrorum Terentianorum judicare non potuisse" (das. 1787) und die Ausgabe von Plautus' "Rudens" (das. 1789) ließen die metrischen Studien wieder aufleben. Außerdem edierte er Aristoteles' "Rhetorik" (mit Garve, Leipz. 1772) und "Poetik" (das. 1786), Herodot (Bd. I, 1, das. 1778, 4. Aufl. 1825; Bd. I, 2 und II v. Schäfer, das. 1800-1820) und Persius (das. 1789). Nach seinem Tod erschienen "Vorlesungen über die römischen Altertümer" (Leipz. 1796). Vgl. G. Hermann, Erinnerungen an R. (in den "Verhandlungen der Dresdener Philologenversammlung", Dresd. 1846).

Reizbarkeit (Irritabilität, Erregbarkeit), in der Physiologie die Fähigkeit der Gewebe des tierischen Körpers, auf verschiedenartige Einwirkungen, die man als Reize bezeichnet, zu reagieren. In der Pathologie nennt man R. eine gewisse Schwäche, eine gewisse Empfindlichkeit der Organe, welche sie zu Erkrankungen prädisponiert; so setzt z. B. R. der Lunge die Disposition zu entzündliche Erkrankungen derselben, R. des Darms eine solche zu Diarrhöen voraus etc. Vgl. Erethismus.

Reizbewegungen, s. Pflanzenbewegungen.

Reizen, das Anlocken eines Fuchses oder eines Wolfs durch den von dem gedeckt stehenden Jäger nachgeahmten Klageton des Hasen, das Fiepen des Rehkitzchens, das Zwitschern eines gefangenen Vogels oder das Piepen der Maus. Diese Laute werden entweder auf der Hand, auf einem Blatt oder auf kleinen Instrumenten (Wildrufen) hervorgebracht.

Reizend heißt das Schöne, insofern es nicht bloß gefällt, sondern reizt, d. h. Begierden erregt; sind die letztern sinnliche, so geht das Reizende in das Lüsterne, sind dieselben geschlechtliche, in das Wollüstige über.

Reizker, s. Agaricus II.

Reizmittel, s. v. w. Erregende Mittel.

Reizsalbe, s. Kantharidensalbe.

Rejizieren (lat.), verwerfen, abweisen; Rejektion, Verwerfung; Rejektorium, abweisendes Erkenntnis eines Obergerichts auf ein Rechtsmittel.

Rejon (span., spr. -chhon), Wurfspieß bei den Stiergefechten; Rejoneadór, Wursspießschleuderer.

Rej von Naglowice, Nikolaus, poln. Dichter, geboren um 1507 zu Zorawna in der Ukraine, wuchs fast ohne allen Schulunterricht als Naturkind auf und kam dann an den Hof des Andreas Tenczynski, Woiwoden von Sandomir, wo er nicht nur seine praktische Ausbildung erhielt, sondern sich auch durch eifriges Selbststudium eine Masse von Kenntnissen aneignete, die er alsbald schriftstellerisch verwertete. Lebhaft, witzig, vortrefflicher Gesellschafter und leidenschaftlicher Freund der Jagd und der Musik, erwarb er sich die Gunst zahlreicher Magnaten sowie des königlichen Hofs, schlug aber alle ihm angebornen Ämter aus. Er starb als begüterter Landjunker 1569. R. heißt der "Vater der polnischen Dichtkunst". Er verfaßte in kraftvoller, oft rauher Sprache sowohl kleine Gedichte und Epigramme, wie "Zwierzyniec" ("Tiergarten", 1562) und "Figliki" ("Scherzlieder", Krak. 1568), als auch umfangreiche Dichtungen, wie z. B. das satirische Lehrgedicht "Wizerunek žywota człowicka pocziwego" ("Darstellung des Lebens eines rechtschaffenen Mannes", das. 1560), sowie in Prosa das durch Humor und Originalität ausgezeichnete Sittengemälde "Zwiercladło" ("Der Spiegel", das. 1568; neue Ausg., Warsch. 1829). Auch eine Übersetzung der Psalmen, ein biblisches Drama: "Zywot Jozefa" ("Josephs Leben", Krak. 1545), und eine "Postylla" (das. 1556) sind von R., der dem Calvinismus zuneigte, vorhanden. Seine poetischen Schriften erschienen zuletzt Krakau 1848.