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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Reliefdruck; Reliefglobus; Reliefkarten; Reliefmaschine; Reliefspitzen; Reliefstickerei; Religion

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Reliefdruck - Religion.

in neuerer Zeit jedoch ist man wieder mehr zu dem malerischen Prinzip zurückgekehrt. Mustergültige Reliefs lieferten Rauch, Freund, Rietschel, Engelhard, Schievelbein, Drake u. a. Eine eigentümliche Behandlung des Reliefs kannte die altägyptische Plastik, das R. en creux (Koilanaglyph, s. d.), wobei der Zwischenraum der Figuren nicht vertieft und letztere nur innerhalb ihrer eingetieften Konturen zu Flachreliefs modelliert wurden. Die gesamte Reliefplastik des Altertums und teilweise noch die der ältern christlichen Kunst hat durchgängig die Farbe zur weitern Ausführung der Zeichnung verwendet; auch in der gotischen und Renaissancezeit wurden Reliefs aus Thon, Stuck, Holz, gepreßtem Papier u. dgl. bemalt und bisweilen auch vergoldet. - In weiterm Sinn nennt man R. jede erhabene Arbeit figürlicher oder ornamentaler Art, welche zum Schmuck eines Geräts dient. Während in der Plastik großen Stils Marmor, Bronze und, für dekorative Zwecke an Gebäuden, Kalkstein, Sandstein und Terrakotta die bevorzugten Materialien sind, werden in der Kleinplastik und in der Kunstindustrie Reliefs in Elfenbein, edlen Steinen, Muscheln, Gold, Silber und andern Stoffen ausgeführt. - Im figürlichen Sinn gebraucht man das Wort R. auch für Ansehen, Aufmerksamkeit; z. B. einer Sache ein R. geben, sie so darstellen, daß sie Aufmerksamkeit erregt.

Reliefdruck (Blinddruck, Hochdruck, Prägedruck), Pressung ohne Farben (gaufrage) auf Buchdeckeln, wird meist mit gravierten oder ausgestochenen Messingplatten und, des großen Kraftaufwandes halber, auf sehr stark gebauten Hoch- und Blinddruckpressen hergestellt. Der bunte R. wird vermittelst Congrevedruckplatten erzeugt.

Reliefglobus, s. Globus, S. 436.

Reliefkarten entstanden zuerst in der Schweiz, deren großartige Gebirgswelt gewissermaßen dazu herausforderte. Das von Ludwig Pfyffer von Luzern (1766-85) in Wachs ausgeführte Modell der Zentralschweiz zeichnet sich trotz der Armut der damals dem Künstler zu Gebote stehenden Hilfsmittel durch Naturwahrheit aus. Pfyffer hat zahlreiche Nachahmer gefunden, namentlich seitdem verbesserte topographische Karten die Herstellung von Reliefs erleichtern. Bekanntere Geoplastiker sind F. A. Ravenstein in Frankfurt a. M. (Rheinlande, in Poppelsdorf; plastischer Schulatlas, 1849), Franz Keil (s. d. 4) in Salzburg (Tauern, Salzburger Alpen etc.), E. Dickert in Bonn, Hauptmann Sachs (Großglockner), Hauptmann v. Cybulz, Fräul. C. Kleinhans (Frankreich), X. Im Feld (Monte Rosa), Major Claudio Cherubini (Alpen) u. a. Da Naturwahrheit ein Hauptzweck der R. ist, so sind die aus Höhenschichten aufgebauten R. verwerflich. Ursprünglich wurden die R. nur in einem oder in wenigen Exemplaren aus Wachs, Holz, Gips u. dgl. hergestellt, bis in den 30er Jahren Bauerkeller in Darmstadt zuerst mit Erfolg in Farben gedruckte Karten prägte, wozu er sich der von F. A. Ravenstein gelieferten Modelle bediente.

Reliefmaschine (Reliefkopiermaschine), Vorrichtung zur getreuen Nachbildung von Reliefs, Medaillen, Münzen etc., besonders aber eine Vorrichtung, welche von einem Relief nicht eine räumlich ausgeführte Kopie, sondern gewissermaßen eine schattierte Zeichnung herstellt. Der Grund des Reliefs wird in geraden, in gleichen Abständen parallel laufenden Linien wiedergegeben, während Erhabenheiten durch kurvenförmige Abweichungen dieser Linien nachgebildet werden, die nach dem Grade der Erhebung mehr oder weniger gekrümmt sind und an der einen Seite jeder erhabenen Figur enger aneinander liegen als an der gegenüberliegenden. Die Maschine besteht im wesentlichen aus einem Fahrstift, welcher auf dem Relief hingleitet, einem Schreib- oder Zeichenstift, einem Mechanismus, welcher die Bewegungen des letztern von denen des erstern abhängig macht, und einem andern Mechanismus, durch welchen beide gleichzeitig bewegt werden. Achille Collas in Paris benutzte 1830 eine derartige Vorrichtung zur Nachbildung von Reliefs durch Kupferstich (Collas-Manier).

Reliefspitzen, venezianische Spitzen, bei welchen die Blumen erhaben auf den Grund genäht oder frei gearbeitet sind.

Reliefstickerei, ein Zweig der Stickerei (s. d.), bei welchem die Fäden über Figuren, Ornamente etc. gezogen werden, die aus starkem Papier ausgeschnitten und auf dem Untergrund befestigt sind, so daß eine reliefartige Erhöhung entsteht. Im Mittelalter war die R. besonders bei Ausschmückung von Meßgewändern, Altardecken u. dgl. in Gebrauch. Auf den schweren Stoffen wurden die Reliefs aus Leinwand und angefeuchtetem Papier aufgetragen oder mit grobem Zwirn aufgenäht. Dann überstickte man sie mit Seiden- und Goldfäden.

Religion (lat.), ein im Gesamtleben der Menschheit ebenso bedeutsames wie in seiner begrifflichen, ja selbst rein etymologischen Bedeutung noch keineswegs zu übereinstimmender Geltung gebrachtes Element. In letzterer Richtung dachten schon im Altertum die einen mit Cicero an relegĕre (diligenter retractare), d. h. an Gewissenhaftigkeit und Skrupulosität die andern mit Lactantius an religāre, d. h. an den Bund mit Gott. Noch Augustinus klagt, die lateinische Sprache besitze kein Wort für das allgemeine Verhältnis des Menschen zu Gott. Seither aber hat eben das Wort R. diese Lücke ausgefüllt, und es war ein übel angebrachter Purismus, wenn Schleiermacher dafür das Wort "Frömmigkeit" einführen wollte, während doch mit der Zeit fast alle Sprachen der gebildeten Welt sich für einen Begriff von so durchgreifender Wichtigkeit auf einen und denselben Ausdruck vereinigt hatten. Daß man in Holland noch godsdienst sagt, wird eben dort als eine Quelle vieler Mißverständnisse beklagt, da die Etymologie des Wortes auf etwas ganz andres weist und es keineswegs zur Klarstellung der Sache führt, wenn die Frage nach der R., welche zunächst der Anthropologie, Psychologie, Ethnologie angehört, vorschnell vereinerleit wird mit der Frage nach Gott (s. d.). Zunächst kann ein abschließendes Wort über Begriff und Wesen der R. erst gesprochen werden als Ergebnis vergleichender Untersuchungen, wie die allgemeine Religionsgeschichte sie anstellt. Übersichtliches, klares Wissen um den Entwickelungsgang der R. in der Menschheit ist die erste Vorbedingung zur Lösung der Aufgabe. Unsre Zeit strebt nach Erfassung des Weltzusammenhanges auf Grund der Erfahrungswissenschaften, nach spekulativen Resultaten auf der Unterlage empirisch gesicherter Prämissen, nach deduktiver Zusammenfassung von auf induktivem Wege gefundenen Erkenntnissen. Es wird somit auch alle ernsthafte Religionswissenschaft auszugehen haben von dem Nachweis des erfahrungsmäßigen Vorkommens der R. in den tausenderlei Gestaltungen und Übergangsformen der menschlichen Kulturgeschichte, von Untersuchung der gemeinsamen und der differierenden Momente und von psychologischer und ethnologischer Erforschung derselben, mit Einem Wort von der vergleichenden Religionsgeschichte (s. d.). Aber das ungeheure Gebiet, welches sich hier eröffnet,