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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Sachsen

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Sachsen (preußische Provinz).

sorgsamer Pflege der geistigen und materiellen Interessen fortführte. Das Ministerium, in welches schon früher v. Gerber für den Kultus und Abeken für die Justiz eingetreten waren, erfuhr keine durchgreifenden Veränderungen. 1876 trat v. Friesen zurück und wurde in dem Vorsitz durch Fabrice, in den Finanzen durch v. Könneritz ersetzt, nachdem er, um dem Reichseisenbahnenprojekt zuvorzukommen, die Leipzig-Dresdener und dann auch die meisten übrigen Privatbahnen angekauft hatte, so daß die sämtlichen Bahnen Sachsens ein geschlossenes Staatsbahnnetz bildeten. Allerdings waren die Bahnen zu hohen Preisen angekauft worden und ergaben bei dem Rückgang der Geschäfte anfangs erhebliche Mindereinnahmen (11,000 Mk. für das Kilometer, statt früher 14,000 Mk.), so daß sie schon 1876: 7½ Mill. Zuschuß erforderten und ein Zuschlag von 50 Proz. zur Einkommensteuer notwendig wurde. Der Staatshaushalt wies mehrere Jahre hindurch einen Ausfall von mehreren Millionen auf, besserte sich aber allmählich, indem die Ansprüche des Reichs an Matrikularbeiträgen sich infolge der neuen Zollgesetzgebung verminderten und die Schutzzölle vorzugsweise der sächsischen Industrie zu gute kamen, so daß die Einkünfte an Steuern und die Erträge der Eisenbahnen stetig wuchsen. Die Einnahmen des Staats vermehrten sich 1882-83 um fast 23 Mill. Mk. und gestatteten den völligen Wegfall des Zuschlags zur Einkommensteuer, die Ermäßigung der Eisenbahngütertarife und die Aufhebung des Chausseegeldes, ferner den Bau neuer Bahnen und erhebliche Aufwendungen für Unterricht, Kunst und Wissenschaft.

In den Parteiverhältnissen der Zweiten Kammer hatte sich inzwischen ein Umschwung vollzogen. Der Rückgang der Liberalen seit 1878 machte sich auch in S. geltend, wo die Konservativen in der Zweiten Kammer immer mehr zunahmen und schließlich die entschiedene Mehrheit erlangten, zumal die Liberalen sich in Nationalliberale und Fortschrittler spalteten und sich heftig bekämpften; 1885 zählten die Konservativen 50 Mitglieder gegen 25 Liberale. Bedenklich wurde das Anwachsen der Sozialdemokratie, welche bei jeder Reichstagswahl mehr Mandate in S. eroberte und auch im Landtag 1885: 5 Mitglieder zählte. Daher vereinigten sich bei den Reichstagswahlen im Februar 1887 die Konservativen mit den gemäßigten Liberalen zu gemeinschaftlichem Handeln und erreichten es auch, daß kein Sozialdemokrat und nur ein Deutschfreisinniger in den Reichstag gewählt wurde. Dies Wahlbündnis hatte auch für die partiellen Landtagswahlen im Oktober 1887 Gültigkeit und bewirkte, daß auch bei diesen die Sozialdemokraten bloß einen, die Deutschfreisinnigen keinen Sitz behaupteten. Regierung und Landtagsmehrheit huldigten derselben politischen Richtung.

Vgl. Weiße, Geschichte der kursächsischen Staaten (Leipz. 1802-12, 7 Bde.); Meynert, Geschichte des sächsischen Volkes (das. 1833-35, 2 Bde.); Gretschel, Geschichte des sächsischen Volkes (fortgesetzt von Bülau, 2. Ausg., das. 1863, 3 Bde.); Böttiger, Geschichte des Kurstaats und Königreichs S. (2. Aufl., neubearb. von Flathe, Gotha 1867-73, 3 Bde.); v. Witzleben, Die Entstehung der konstitutionellen Verfassung des Königreichs S. (Leipz. 1881); Schuster und Francke, Geschichte der sächsischen Armee (das. 1885, 3 Bde.); Köhler, Das Königreich S. und seine Fürsten (das. 1886); Gersdorf, Codex diplomaticus Saxoniae regiae (fortgesetzt von Posse, Ermisch und Knothe, das. 1864 ff.); "Archiv für die sächsische Geschichte" (hrsg. von K. v. Weber, das. 1862-79, 21 Bde.) und "Neues Archiv" (hrsg. von Ermisch, Dresd. 1880 ff.); Tutzschmann, Atlas zur Geschichte der sächsischen Länder (Grimma 1852).

Sachsen, preuß. Provinz (hierzu Karte "Provinz Sachsen"), neben Hannover unter allen Provinzen des Königreichs die am wenigsten arrondierte, grenzt im N. an Hannover und Brandenburg, im O. an Brandenburg und Schlesien, im Süden an das Königreich S. und die thüringischen Staaten u. im W. an Hessen-Nassau, Hannover und Braunschweig. Vollständig getrennt von der Provinz sind die Kreise Schleusingen auf dem Thüringer Wald und Ziegenrück an der obern Saale, während innerhalb ihrer Grenzen Teile der thüringischen Staaten und von Braunschweig liegen und das Herzogtum Anhalt den Regierungsbezirk Magdeburg fast ganz von dem übrigen Teil der Provinz scheidet. Die Provinz besteht aus dem rechts von der Elbe gelegenen Teil des ehemaligen Herzogtums Magdeburg, einigen 1815 vom Königreich S. abgetretenen Landesteilen, ferner aus den 1815 wieder in Besitz genommenen Ländern im nieder- und obersächsischen Kreis, nämlich der Altmark mit Wernigerode, dem links der Elbe gelegenen Teil des Herzogtums Magdeburg (mit einem Anteil der Grafschaft Mansfeld), den Fürstentümern Halberstadt (mit einem Anteil der Grafschaft Hohnstein), Eichsfeld (größtenteils) und Erfurt (soweit es nicht an Sachsen-Weimar abgetreten ward), dem Stiftsgebiet Quedlinburg, den Städten Nordhausen, Mühlhausen etc. Der Flächenraum der Provinz beträgt 25,250 qkm (458,77 QM.).

[Bodenbeschaffenheit. Klima.] Die größere Hälfte des Landes gehört dem Norddeutschen Tiefland an und zeigt einen Wechsel zwischen Hügelplatten, Mooren und Niederungen. Unter den Mooren sind auf der linken Elbseite der Drömling an der Aller und Ohre und das Halberstädter Bruch zwischen Bode und Ocker, auf der rechten Elbseite das Fiener Bruch im Süden von Genthin hervorzuheben. Auf der rechten Elbseite gehört ein Teil des Fläming (im N. von Wittenberg) hierher; auf der Platte der Altmark sind die Hellberge (160 m) bei Zichtau in der sogen. Altmärkischen Schweiz und der Landsberg südwestlich von Stendal (139 m) die höchsten Punkte. Weiter südwärts treten bis zum Harz mehrere Hügelreihen hervor, unter ihnen der bewaldete Huywald (305 m) nördlich von Halberstadt. Vom Harz gehören hierher der Brocken (1142 m), die Roßtrappe und der Auerberg mit der Josephshöhe (576 m), von seinen nördlichen Vorbergen in einer Enklave der Regenstein (295 m) und im SO. das Gebiet der kupferreichen Zechsteinformation von Mansfeld. Zwischen Mulde und Saale und nördlich von der Weißen Elster liegt der Petersberg (241 m), der höchste Gipfel in dem Wettiner Steinkohlengebirge. Im Süden des Harzes bildet das Thal der Helme (die Goldene Aue) die Grenze gegen die Terrasse von Thüringen. Auf derselben sind innerhalb der Provinz das Plateau des Eichsfeldes mit dem Ohmgebirge (523 m) und der Berglandschaft an der Werra (Goburg 568 m), von welcher der Hainich nach SO. in das Eisenachische zieht, ferner der Dün (500 m) und die Hainleite, die südöstlich zur Unstrut zieht und sich jenseit des Unstrutthals als Schmücke (384 m) fortsetzt, neben der nordöstlich der Höhenzug der Finne (357 m) zur Saale bei Kösen zieht. Vom Thüringer Wald liegt ein Teil der Zentralregion (Finsterberg 947 m) im Kreise Schleusingen. Der Hauptfluß der Provinz ist die Elbe, der fast alle Flüsse, insbesondere die bedeutendern des Harzes und des Thüringer Waldes,