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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Schweiz (Neuere Geschichte)

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Schweiz (Neuere Geschichte)

Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Schweiz (Ältere Geschichte bis 1798)'

Eingang fand, während die fünf Orte Luzern, Uri, Schwyz, Unterwalden und Zug sowie nach einigem Schwanken Freiburg und Solothurn am alten Glauben festhielten. Der Sieg der Katholiken in dem zweiten Kappeler Kriege (s. Kappel) 1531 hinderte dann die weitere Ausbreitung der Reformation in der deutschen S. Dagegen siegte die Reformation in der Westschweiz, wo 1530 Neuenburg, 1535 Genf und 1536 Bern in der Waadt die neue Lehre einführten. Die Gegenreformation brachte durch die Bemühungen des Erzbischofs von Mailand, Carlo Borromeo (s. d.), die Jesuiten, Kapuziner und einen Nuntius in die S. Die Kluft der beiden Parteien erweiterte sich dadurch, und 1586 schlossen die 7 kath. Orte zur gemeinsamen Verteidigung ihres Glaubens den sog. Goldenen Borromäischen Bund. Wie sehr dieser Zwiespalt die Kraft und das Ansehen der Eidgenossenschaft schädigte, zeigte sich besonders im Dreißigjährigen Kriege, wo Graubünden und seine Unterthanenländer Veltlin und Cleven der Spielball zwischen Frankreich und seinen Gegnern, Österreich und Spanien, war und nur durch die gegenseitige Eifersucht der Mächte in seinem Gebiet ungeschmälert blieb und wo auch die in Aussicht genommene Neutralität kaum aufrecht erhalten werden konnte. Infolge der harten Bedrückungen der Unterthanen durch die herrschenden Stände brach 1653 der große Bauernkrieg aus, der aber rasch bewältigt wurde; 1656 kam es zum dritten Religionskrieg, dem ersten Villmergerkriege, in dem die Katholiken wieder siegten. Die Übergriffe Frankreichs unter Ludwig XIV., besonders die Einnahme der Franche-Comté brachten ein Defensionale (eine Wehrverfassung) zu stande. Allein gegenseitiges Mißtrauen und fremdländische Einflüsse schürten immer wieder die Entzweiung, und 1712 kam es zum vierten Religionskrieg (dem zweiten Villmergerkriege), durch den Zürich und Bern das Übergewicht über die Katholiken gewannen.

Nicht minder gefährlich als die konfessionelle Spaltung war für die Macht und Einigkeit der S. die Scheidung der Eidgenossen in Herrschende und Unterthanen. Die eroberten oder erkauften Gebiete wurden nicht vollberechtigte Teile der Eidgenossenschaft, sondern Unterthanenländer, die durch Vögte teils einzelner, teils mehrerer Orte regiert wurden. Fast jeder Ort beherrschte eine Landschaft. In den herrschenden Orten selbst verwandelten sich die früher mehr demokratischen Verfassungen allmählich in eine Aristokratie, in Zürich, Basel und Schaffhausen in Zunftaristokratien, in Bern, Freiburg, Solothurn und Luzern sogar in Oligarchien oder Patriciate. Nur die Länder Uri, Schwyz, Ob- und Nidwalden, Zug und Appenzell behielten die althergebrachte Landesgemeinde bei, fühlten sich aber ihren Unterthanen gegenüber nicht weniger als Herren wie die Junker und Bürger der Städte. Dieses Unterthanenverhältnis führte im 18. Jahrh. zu zahlreichen Unruhen und Aufstandsversuchen.

Ein drittes Moment der Schwäche der S. war der lockere Zusammenhang zwischen den Orten der Eidgenossenschaft. Außer dem Besitz von Unterthanenländern, die gemeinsam verwaltet wurden, und einigen Concordaten waren die Orte (oder Stände, Kantone) durch kein festes Band und keine Verfassung zusammengehalten. Das Bundesrecht setzte sich zusammen aus den Bestimmungen von 11 lokalen Bünden und 7 allgemeinen Bundesbriefen und Landfriedensschlüssen. Seit die ↔ konfessionellen Zerwürfnisse den Zusammenhang gelockert hatten, wurde ein kleinlicher Ortsgeist herrschend; jeder Stand wachte nur über die Sicherung und Ausbeutung seiner Souveränität («Kantönligeist»). Selten kam es zu gemeinsamem Handeln; nur ein einzigesmal im 18. Jahrh. erschien die Eidgenossenschaft als Ganzes nach außen, bei der Allianz mit Frankreich 1777. Sonst herrschte, vorher und nachher, die größte Spaltung.

Zürich war der leitende Ort (Vorort), d.h. es hatte, mit wenigen Vollmachten versehen, die geringern äußern Geschäfte zu führen und die schweiz. Tagsatzungen auszuschreiben, die einmal im Jahre, regelmäßig im Sommer (bis 1712 in Baden, von 1712 an in Frauenfeld), zusammenkamen, daneben auch zu anderer Zeit häufig in Luzern, Zürich, Baden, Bremgarten, Aarau u.s.w. gehalten wurden. Jeder Stand schickte zwei Gesandte, die aber nur nach Instruktion stimmten und für alles Weitere die Genehmigung der kantonalen Regierungen einzuholen hatten (Referendum). Unter den 13 souveränen Orten hatten die «acht alten» einen Vorzug. Zu diesen kamen drei enger verbündete (sog. «Zugewandte»): Stadt und Fürstabtei St. Gallen nebst Biel, dann sechs «verbündete» Orte: Genf, Mülhausen, Wallis, Graubünden, Fürstbistum Basel und Fürstentum Neuenburg; endlich noch drei Schutzorte: Rapperswil, Gersau und Engelberg. In letzter Linie standen die gemeinen Herrschaften, die von zwei oder mehr Orten regiert wurden, etwa 20 an Zahl. Alle diese Gebiete lebten bis 1799 nach den verschiedensten Rechtsgrundsätzen und wurden nur durch die große Geschichte ihrer Vergangenheit, durch einige materielle Interessen und durch schwache patriotische Gefühle zusammengehalten.

Neuere Geschichte. Beim Ausbruch der Französischen Revolution gerieten alsbald durch Agitationen des Schweizerklubs in Paris und durch Berührungen mit Frankreich (1790–97) einige Gegenden in Bewegung, so Genf, das untere Wallis, das Bistum Basel, St. Gallen, Waadtland und die Seeufer von Zürich. Doch diese einzelnen Aufstände wurden gedämpft. Bedenklicher gestaltete sich die Lage, als die franz. Macht immer größere Fortschritte machte und mehrere alte Republiken, wie Holland, Venedig und Genua, gänzlich umgestaltete. Die Regierungen der S. bewahrten streng ihre Neutralität, deckten dadurch in den für Frankreich entscheidungsvollen Momenten dessen verwundbarste Grenze und gaben Frankreich nach, wo sie konnten. Aber die franz. Machthaber wollten seit dem Staatsstreich von 1797, durch den Bonaparte und die Kriegspartei aufkamen, eine abhängige Nachbarrepublik gründen, zugleich die wichtigen Alpenpässe und den großen Schatz in Bern in ihre Gewalt bringen und ließen darum unter dem Vorwand der Befreiung des Landes 1798 Truppen ins Waadtland einrücken, wohin sie durch Laharpe und einige Revolutionäre gerufen worden waren. Nachdem man Bern mit Unterhandlungen hingehalten, marschierten die Franzosen unter Brune auf Bern selbst los, das, von seinen Bundesgenossen fast ganz verlassen, 5. März 1798 in franz. Gewalt geriet. Als die Franzosen durch Plünderung des Berner Schatzes und des Zeughauses sowie durch Auflegung schwerer Brandschatzung ihren Zweck erreicht hatten, proklamierten sie die eine und unteilbare Helvetische Republik und führten die in ihrem Auftrage von dem Baseler Staatsmann Peter Ochs in Paris

Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 733.