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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Sehganglion - Sehwinkel

erhalten, verschmelzen dann zu einem einzigen, d. h. der fixierte Punkt wird einfach gesehen, wie alle Punkte, die sich auf gleichwertigen und identischen Stellen der beiden Netzhäute abbilden. Der Eindruck des Körperlichen, der Tiefendimension, entsteht nun dadurch, daß beide Augen von einem körperlichen Gegenstande nicht ganz gleiche, sondern etwas verschiedene Bilder erhalten, und es läßt sich, wenn man die letztern als Flächenbilder den betreffenden Augen im Stereoskop (s. d.) vorführt, künstlich die Täuschung des Körperlichsehens hervorrufen. Beim binokularen S. unterrichtet uns das Muskelgefühl über den Grad der Konvergenz der Augenachsen und damit über die Entfernung des gesehenen Punktes, und aus dieser Entfernung und der Größe des erhaltenen Netzhautbildes bilden wir uns ein Urteil über die Größe eines gesehenen Objekts.

Bei den niedersten Tieren beschränkt sich das S. größtenteils auf die Unterscheidung von Hell und Dunkel. Die oft in großer Anzahl vorhandenen und häufig an beweglichen Körperteilen angebrachten Augen bestehen nur aus einem Pigmentflecke oder einem zapfenartigen Gebilde, dem bei manchen Arten linsenförmige Körper von starkem Lichtbrechungsvermögen eingelagert sind.

Über elektrisches oder telegraphisches Fernsehen s. Elektrisches Sehen.

Vgl. Bernstein, Die fünf Sinne des Menschen (2. Aufl., Lpz. 1880); Classen, Die Physiologie des Gesichtssinnes (Braunschw. 1876); Le Conte, Die Lehre vom S. (Lpz. 1883); Wundt, Physiol. Psychologie (3. Aufl., 2 Bde., ebd. 1887); Helmholtz, Physiol. Optik (2. Aufl., ebd. 1886 fg.).

Sehganglion, s. Nervensystem.

Sehhügel, s. Gehirn (Bd. 7, S. 676a).

Sehkreis, s. Auge (Bd. 2, S. 107b).

Sehleistung, s. Sehschärfe.

Sehlinie, s. Auge (Bd. 2, S. 106b).

Sehloch, s. Pupille.

Sehnen oder Flechsen, in der Anatomie die aus festem, faserigem, nicht fleischigem Gewebe zusammengesetzten Endstücke der Muskeln, von rundlicher oder hautartig breiter Form und gewöhnlich an einem Knochen angeheftet. (S. Muskeln.) Die stärkste Sehne des menschlichen Körpers ist die Achillessehne (s. d.).

In der Geometrie ist Sehne oder Chorde eine gerade Linie, die zwei Punkte einer krummen Linie verbindet, ohne die letztere zu schneiden. Besonders wird dieser Ausdruck bei dem Kreise gebraucht.

Sehnendurchschneidung, s. Tenotomie.

Sehnenentzündungen, bei Pferden die Entzündungen der an der hintern Fläche des Schienbeins gelegenen Beugesehnen (Kronbein-, Hufbeinbeugesehne und Fesselbeinbeuge). Die S. treten plötzlich infolge teilweiser Zerreißung (bei Galoppsprüngen, Nehmen von Hindernissen) oder infolge von äußern Verletzungen ein. Sie sind gekennzeichnet durch mehr oder weniger starke Lahmheit, vorständige Stellung des Fußes im Stande der Ruhe, Anschwellung, höhere Temperatur und Schmerz. Behandlung: Prießnitzsche Umschläge, später scharfe Salben, scharfe Pflaster und Brennen. Aus S. kann Sehnenklapp, eine chronische Verdickung der Beugesehnen des Unterfußes entstehen.

Sehnenhüpfen, unwillkürliche Muskelzuckungen, die sich bisweilen bei Typhus und andern schweren Infektionskrankheiten, sowie in der Agonie kurz vor dem Tode einstellen.

Sehnenklapp, s. Sehnenentzündungen.

Sehnenreflex, s. Kniephänomen.

Sehnenscheiden (Vaginae tendinum), in der Anatomie röhren- oder kanalförmige, mit einem feinen Epithel überzogene und durch eine eiweißartige Flüssigkeit schlüpfrig erhaltene Hohlräume, innerhalb deren die Sehnen (s. d.) bei ihren Bewegungen hin und her gleiten. Durch übermäßige Muskelanstrengungen können sich die S. entzünden, was sich durch Anschwellung und mehr oder minder große Schmerzhaftigkeit des betreffenden Gliedes sowie durch ein eigentümlich knirschendes oder knarrendes Geräusch bei Bewegungen zu erkennen giebt. Am häufigsten kommt es zu einer solchen Entzündung in der großen Sehnenscheide an der Rückseite des Vorderarms, dicht über dem Handgelenk. Die Behandlung der Sehnenscheidenentzündung (Tendovaginitis) besteht in kalten Umschlägen, Ruhe und Schonung der erkrankten Extremität, später in Einreibung von grauer Salbe und Massage.

Sehnerven, Sehnervenkreuzung, s. Gehirn (Bd.7, S. 675b).

Sehprüfung, s. Sehschärfe.

Sehpurpur, Sehrot, s. Sehen.

Sehschärfe, die Fähigkeit des Auges, feine Objekte zu erkennen; man bestimmt sie durch das Minimum des Distinktionswinkels, d. h. des kleinsten Sehwinkels AcB alpha c beta (s. Fig. 3 des Artikels Sehen), unter dem ein auf der Netzhaut sich scharf abbildendes Objekt eben noch erkannt wird. Dieser Winkel beträgt unter besonders günstigen Bedingungen in Bezug auf Beleuchtung, Kontrast u. s. w. etwa eine halbe Minute. In der augenärztlichen Praxis bedient man sich zur Bestimmung der S. nach dem Vorgange von Snellen fettgedruckter quadratischer Buchstaben (oder Zahlen), von denen eine Anzahl von allmählich abnehmender Größe zu sog. Schriftproben zusammengestellt sind, und betrachtet als normale (volle) S. für diese Buchstaben einen Distinktionswinkel von fünf Minuten. Eine Nummer, mit der jede Schriftprobe bezeichnet ist, giebt die Distanz in Metern an, in der die Probe unter diesem Winkel sich abbildet, also Nr. 6 in 6 m, Nr. 36 in 36 m u. s. w. Wird Nr. 6 in 6 m erkannt, so besteht volle S. 1 = 6/6. Ist dagegen die kleinste in 6 m Abstand erkennbare Probe die 6 mal so große Nr. 36, so ist der Distinktionswinkel 6 mal so groß, und die S. nur der sechste Teil der normalen = 6/36. Es ist üblich, diese Sehprüfungen in etwas größerer Distanz, gewöhnlich in 6 m, vorzunehmen, und das Auge muß jedesmal für diese Entfernung eingestellt, event. durch Gläser korrigiert werden. Für manche Zwecke (beim Militär, im Seedienst u. s. w.) ist es wichtig, auch die S. des nicht korrigierten Auges beim Fernsehen zu wissen, die man als Sehleistung bezeichnet.

Sehschwäche, Schwachsichtigkeit, im allgemeinen jede Herabsetzung der Sehschärfe (s.d.); sie kann veranlaßt sein durch Trübungen der brechenden Medien (Hornhaut, Kammerwasser, Linse, Glaskörper), oder durch Erkrankungen der Netzhaut oder Aderhaut, oder des Sehnerven, oder endlich der Gehirnteile, aus denen die Sehnervenfasern stammen. Im speciellen bezeichnet man in der Augenheilkunde als Amblyopie oder S. solche Fälle, in denen der Verminderung der Sehschärfe keine sichtbare anatom. Veränderung zu Grunde liegt.

Sehstreifen, s. Gehirn (Bd. 7, S. 676a).

Sehwinkel oder Gesichtswinkel, der Winkel, den die Randstrahlen des gesehenen Gegenstandes