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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Sibirienne; Sibirische Eisenbahn

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Sibirienne - Sibirische Eisenbahn

Die Bevölkerung besteht aus 4,1 Mill. Russen, darunter 3,5 Mill. in Westsibirien, ferner aus Burjaten (208000), Jakuten (200000), Tungusen (64000), Mandschuren (14000), Samojeden, Ostjaken, Tataren, Hyperboreern (24000), Chinesen (17000), Koreanern (14000) u. a. Der Religion nach gehört die Mehrzahl der russisch-orthodoxen Kirche an, die in S. sechs Eparchien (Irkutsk, Jakutsk, Jenisseisk, Kamtschatka, Tobolsk und Tomsk) mit je einem Bischof an der Spitze hat; die Fremdvölker sind zum Teil Buddhisten, Mohammedaner und Heiden. Die Mehrzahl der Russen sind freie Ansiedler. Auf Verbannte kommen etwa 150000, die, mit Ausnahme der zu Zwangsarbeit in den Bergwerken Verurteilten, keinem andern Zwange unterliegen, als daß sie unter Aufsicht stehen. Die russ. Nationalität hält sich überall rein aufrecht, nur unter den Jakuten gehen die russ. Ansiedler nicht selten in der Nationalität der erstern auf. Um Kiachta bildet sich eine neue Abart des Russischen auf chines. Grundlage (der Maimatschinsche Dialekt).

Industrie, Handel, Verkehr. Ackerbau wird überall betrieben, wo es Klima und Bodenbeschaffenheit zuläßt. Im ganzen werden jährlich 85 Mill. Pud Körner erbaut, wovon 12 Mill. ausgeführt werden. Die Viehzucht daneben ist nicht bedeutend. Sehr wichtig dagegen sind, besonders in den kalten Gebieten, die Fischerei und die Jagd. Beträchtlich ist auch die Wald- und Hausindustrie. Die Zahl der Fabriken beträgt (1892) 613 mit 7455 Arbeitern und 9,47 Mill. Produktion, wovon 4,28 Mill. auf Mehlprodukte und 2,05 Mill. auf Gerberei und Lederarbeiten kommen. An Eisenwerken sind nur vier vorhanden. Der bedeutendste Jahrmarkt ist in Ischim. Über Wladiwostok und andere Häfen des Küstengebietes wurden ausgeführt Waren im Werte von 3 Mill. Rubel (darunter Felle 1 Mill., Produkte der Walfisch- und Walroßfängerei 1½ Mill. Rubel), eingeführt für 118000 Rubel. Über die Landgrenze betrug die Ausfuhr (Felle, Häute, Leder, Juchten, Getreide) 1891: 3,82 Mill., die Einfuhr 13,56 Mill. Rubel. Im Verkehr mit China bildet den Hauptposten die Einfuhr von Thee, von dem (1892) 1,22 Mill. Pud über das Zollamt in Irkutsk gingen. Über dem Ural nach Europa gehen besonders Thee und Getreide. Auf der Tura wurden 1891 ausgeführt 4,86 Mill., eingeführt 2,3 Mill. Pud Waren. Außer der großen Sibirischen Straße vom Ural nach Irkutsk und deren Abzweigungen nach Buchtarminsk und Tschujsk gab es bisher keine guten Verkehrsstraßen in S. Die Dampfschiffahrt auf den Flüssen ist noch wenig entwickelt. Den Verkehr zur See, von Odessa aus nach Wladiwostok, vermittelt die russ. Freiwillige Flotte. An Eisenbahnen sind vorhanden 60 km der Uralbahn und die Sibirische Eisenbahn (s. d.). Eine Telegraphenlinie (seit 1871) durchzieht ganz S. und setzt sich bis Peking fort.

Bildungswesen. S. hat 1 Universität (in Tomsk), 5 Gymnasien, 4 Progymnasien, 3 Realschulen, 5 Geistliche Seminare, 9 Geistliche Schulen; für Mädchen: 6 Gymnasien, 19 Progymnasien, 1 Institut, 3 Schulen des Heiligen Synod; Abteilungen der Russischen Geographischen Gesellschaft in Irkutsk (seit 1851) und Omsk (seit 1877), eine Gesellschaft zur Erforschung des Amurgebietes (seit 1886) in Wladiwostok und (1893) 24 Zeitungen.

Geschichte. Den Grund zur Eroberung S.s legte der Kosakenführer Jermak (s. d.) Timofejew dadurch, daß er 1581 die Hauptstadt des Chan Kutschum, Isker oder Sibir, am Irtysch einnahm und das gewonnene Land dem Zaren Iwan IV. schenkte, der nun den Titel eines Zar von S. annahm. Unter Feodor I. Iwanowitsch kam dann das Land der Ostjaken bis zur Mündung des Ob hinzu. Von da gelangten die Russen an den Fluß Tas und gründeten dort 1601 die Stadt Mangaseja. Südlich kamen sie den Ob aufwärts durch den Ket zum Jenissei und gründeten 1618 Jenisseisk. Diese beiden Orte bildeten nun die Stützpunkte für das weitere Vordringen der russ. Kosaken und Industriellen. Die Mangasejer kamen durch die Tundra und auf der Niedern Tunguska zur untern Lena, die Jenisseier gelangten ebendahin von Süden her und setzten, als Mangaseja um 1632 verfiel, die weitern Erforschungen und Eroberungen allein fort. Schon 1640 gelangten sie an das heutige Ochotsk, 1644 an die Amurmündung, 1648-49 umfuhr Deshnew das Ostkap und lief in die Anadyrmündung ein. (S. Rußland, S. 90 b.)

Die wissenschaftlichen Forschungsreisen begannen mit Bering; in neuerer Zeit haben sich verdient gemacht die Russen Wrangell, Bunge, Gebler, Helmersen, Bulitschew, Middendorf, Schmidt, Maximowitsch, Schrenck, Radde, Maak, Baron Maydell, Poljakow, Jadrinzew, Tscherskij, Tschekanowskij; die ethnogr. Verhältnisse sind besonders durch Castrén, Schrenck, Böhtlingk und Schiefner aufgeklärt worden. Von deutschen Forschern sind zu nennen: Ledebour, Messerschmid, Pallas, Georgi, Gmelin, Erman, A. von Humboldt (1829, mit Ehrenberg und Rose), C. Cotta, Brehm, Finsch, Graf Waldenburg-Zeil (1876), außerdem der Norweger Hansteen, die Engländer Atkinson, Lansdell, der Schwede Nordenskiöld, die Amerikaner Kennan, Schütze, der Italiener Sommier u. a. - Vgl. außer den Schriften Kennans (s. d.): Wenjukow, Die russ.-asiat. Grenzlande (deutsch, Lpz. 1874); Sachot, La Sibérie orientale (Par. 1875); Sammlung histor.-statist. Nachrichten über S. und die Grenzländer (russisch, Bd. 1, Petersb. 1875); Kohn und Andree, S. und das Amurgebiet (2. Aufl., 2 Bde., Lpz. 1876); Lansdell, Through Siberia (4. Aufl., Lond. 1883; deutsch, 2 Bde., Jena 1882); Joest, Aus Japan nach Deutschland durch S. (Köln 1882); Gilder, Ice-pack and Tundra (Lond. 1883; deutsch u. d. T. "In Eis und Schnee", Lpz. 1883); Radloff, Aus S. (2 Bde., Lpz. 1884); Jadrinzew, S., geogr., ethnogr. und histor. Studien (deutsch von Petri, Jena 1886); Slowzow, Histor. Übersicht S.s (russisch, Petersb. 1886); Sommier, Un estate in Siberia (Flor. 1886); Meshow, Sibir. Bibliographie (russisch, 4 Bde., Petersb. 1891-92); Siberia and the great Sibirian railway (ebd. 1893); de Windt, Siberia as it is (Lond. 1892); Baron Maydell, Reisen und Forschungen im Jakutischen Gebiet 1861-71 (Petersb. 1894); Marsden, Reise zu den Aussätzigen in S. (Lpz. 1894); Sibir. Briefe. Von O. O. Eingeführt von P. von Kügelgen (ebd. 1894). (S. auch Rußland [Litteratur und Karten].)

Sibirienne (frz. sibérienne), Düffel, ein dem Flaus (s. d.) ähnliches tuchartiges Gewebe.

Sibirische Eisenbahn. (S. die Karten: Sibirien I. II. III.) Schon in den J. 1857 bis 1869 tauchten verschiedene Projekte auf, die ungeheuren Gebiete Sibiriens durch eine das Land bis zum Stillen Ocean durchziehende Eisenbahn mit dem europ. Rußland unmittelbar zu verbinden. Diese Projekte behandelten entweder die ganze Bahn oder Teilstrecken derselben. Erst in neuerer Zeit wurden