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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Spinnrad; Spinnschulen; Spinnstube; Spinnwald; Spinnwarzen; Spinnwebenhaut; Spinola; Spinoza

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Spinnrad - Spinoza

ist meist sechs (bisweilen auch nur vier) und jeder Spinnfaden besteht daher zunächst aus sechs, der Spinnwarzenzahl entsprechenden dünnern Fäden, und jeder von diesen wieder aus so viel äußerst zarten Fädchen, wie Spinnröhrchen auf jedem Spinnfelde stehen. Zu den S. kann man auch die Byssusdrüse gewisser Weichtiere rechnen. (S. Muscheln.)

Spinnrad, s. Spinnerei.

Spinnschulen, s. Spinnereischulen.

Spinnstube, das Lokal, in dem sich früher im Winter die weiblichen Angehörigen eines Dorfes mit Spindel und Kunkel zu gemeinsamer Arbeit einfanden, hauptsächlich auch, um sich durch Gesang, Spiele,Erzählungen und Neckereien mit den Burschen, die zum Zusehen kamen, die Zeit angenehm zu vertreiben. Die S. ward dadurch zum Mittel- und Ausgangspunkt des ganzen geselligen Lebens des Dorfes und spielte als solcher im Mittelalter eine hervorragende Rolle. Schon im 16. Jahrh. ging man gegen die S. vor, da sie vielfach Gelegenheit zu geschlechtlichen Ausschweifungen gaben. Es wurde ihnen vorgeworfen, daß sie Veranlassung zu allerlei Roheiten, Gassengeschrei, Balgereien, Gotteslästerung, Feuerschaden, Verführung, Unzucht, heimlichen Heiraten u. s. w. gäben. Seit dem 16. Jahrh. sind die S. entweder ganz verboten oder wenigstens wesentlich beschränkt worden. Ihr Abkommen ist namentlich deswegen zu bedauern, weil sie der Mittelpunkt der Volkstradition waren und durch sie Sage und Lied von Generation zu Generation fortgepflanzt worden sind. - Vgl. Barack, Die S. nach Geschichte und Sage (in Bd. 4 der "Zeitschrift für deutsche Kulturgeschichte", Stuttg. 1859). - S. ist auch der Titel eines von Ph. F. W. Örtel begründeten Volksbuches.

Spinnwald, s. Seidenraupe.

Spinnwarzen, s. Spinnorgane.

Spinnwebenhaut, s. Gehirn.

Spinola, Ambrosio, Marchese di, span. Feldherr, geb. 1569 zu Genua, eroberte als Befehlshaber der span. Truppen in den Niederlanden 1604 Ostende, das Erzherzog Albrecht länger als zwei Jahre belagert hatte. Er begann dann den Kampf mit dem Prinzen Moritz von Oranien. Bei dem allgemeinen Friedensbedürfnis kam es im Mai 1607 im Haag zwischen beiden zu einer persönlichen Unterredung, die jedoch nicht zum Ziel führte. Erst 1609 wurde ein zwölfjähriger Stillstand geschlossen. Als der Waffenstillstand 1621 zu Ende ging, begann S. aufs neue sich mit Moritz zu messen, nachdem er schon 1620 gegen Kurpfalz und die Union rheinaufwärts gezogen, alles Land bis Frankfurt und Worms besetzt und April 1621 im Mainzer Accord die Union zur Niederlegung der Waffen gezwungen hatte. Moritz starb 23. April 1625 bei dem Versuche, seinen Gegner zur Aufhebung der Belagerung von Breda zu zwingen; nach einer zehnmonatigen Belagerung öffneten sich diesem im Mai 1625 die Thore, die Besatzung erhielt freien Abzug. Seine Gesundheit nötigte ihn dann, den Befehl niederzulegen. Zwar trat er noch einmal 1630 in Italien auf, wo er die Festung Casale erobern wollte, starb aber schon 25. Sept. desselben Jahres zu Castel-Nuovo di Scivia. - Vgl. Siret, Ambrosio S., épisode du temps d'Albert et d'Isabelle (Par. 1851).

Spinoza oder Spinosa, Baruch (lat. Benedikt), Philosoph, geb. 24. Nov. 1632 zu Amsterdam, stammte aus einer jüd. Familie, die sich aus Portugal nach Holland gewendet hatte. Er genoß den gewöhnlichen Unterricht der Rabbiner, entfernte sich aber in seinen religiösen Ansichten frühzeitig von den jüd. Lehren, und nachdem mehrere Versuche, ihn wieder an die Synagoge zu knüpfen, gescheitert waren, wurde er aus der Judengemeinde ausgestoßen. S. widmete sich nunmehr gänzlich dem Studium der Cartesianischen Philosophie. Um seinen Lebensunterhalt zu gewinnen, lernte er das Schleifen optischer Gläser. Das wissenschaftliche Studium der Optik brachte ihn mit mehrern Physikern und Naturforschern in Verbindung. Nachdem es den Juden gelungen war, bei dem Magistrat von Amsterdam seine Verbannung zu erlangen, bezog er erst das Landhaus eines Freundes, ging dann nach Rheinsburg bei Leiden, darauf nach Voorburg bei Haag, bis er endlich auf Bitten seiner Freunde sich im Haag selbst niederließ. Später erhielt er von dem Kurfürsten von der Pfalz einen Ruf an die Universität zu Heidelberg. Doch schlug er das Anerbieten aus. S. starb 21. Febr. 1677 an der Schwindsucht. Ihm ward 14. Sept. 1880 im Haag ein Bronzestandbild errichtet.

Von seinen Schriften hat S. selbst nur zwei herausgegeben: "Renati Descartes Principia philosophiae" (Amsterd. 1663), eine Darstellung der Cartesianischen Philosophie, wozu die "Cogitata metaphysica" den Anhang bilden, und den "Tractatus theologico-politicus" (Hamb. 1670), worin er den Begriff der Offenbarung sowie den Ursprung der Bücher des Alten Testaments einer Kritik unterwirft und die Denkfreiheit gegenüber der positiven Religion verteidigt. Nach seinem Tode gab Jarig Jellis seine "Opera posthuma" (1677) bloß mit der Bezeichnung B. D. S. heraus. Sie enthalten außer einer hebr. Grammatik das Hauptwerk des S., die "Ethica ordine geometrico demonstrata", die beiden unvollendeten Abhandlungen "Tractatus politicus" und "De intellectus emendatione" sowie eine Anzahl wertvoller Briefe. Wichtig für das Verständnis des S. und seines Bildungsganges ist der neu aufgefundene "Tractatus de Deo et homine" geworden (hg. von van Vloten, Amsterd. 1862; deutsch von Sigwart, 2. Ausg., Freib. i. Br. 1881). Vgl. darüber Sigwart, S.s neu entdeckter Traktat (Gotha 1866), und Trendelenburg, über die aufgefundenen Ergänzungen zu S.s Werken (in den "Histor. Beiträgen zur Philosophie", Bd. 3, Berl. 1867). Sammlungen von S.s Schriften besorgten Paulus (2 Bde., Jena 1802-3), Gfrörer (Stuttg. 1830) und Bruder (3 Bde., Lpz. 1843-46); die vollständigste ist die von van Vloten und Land (2. Aufl., 3 Bde., Haag 1895). Deutsche Übersetzungen von S.s "Sämtlichen Werken" (5 Bde., Stuttg. 1841; 2. Aufl., 2 Bde., ebd. 1872) besorgten Berthold Auerbach, der das Leben S.s auch zum Gegenstande eines Romans wählte, und Kirchmann (in der "Philos. Bibliothek", 2 Bde., Lpz. 1872). - Die Hauptquelle über S.s Leben ist die freilich sehr befangene Biographie von Colerus (holländisch Amsterd. 1705; französisch 1706; deutsch Frankf. a. M. 1733; neue Ausg. in dem von Ginsberg herausgegebenen "Briefwechsel des S.", Lpz. 1876); außerdem haben es Lucas (Amsterd. 1719), H. F. von Diez (Dess. 1783), Philippson (Braunschw. 1790), Samtes (Par. 1842), Brunschwigg (ebd. 1894) und Bolin (S. Ein Kultur- und Lebensbild, Berl. 1894) beschrieben.

Die Lehre des S. ist ein Pantheismus (s. d.), hervorgegangen aus dem Gegensatz der denkenden und der ausgedehnten Substanz in der Philosophie des Descartes. (Vgl. H. Ritter, über den Einfluß