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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Sprachfamilie - Sprachstamm

wir jetzt bei dem gesamten Menschengeschlecht finden, war, daß man zwei Worte für zwei Dinge in Beziehung zueinander setzte, daß man mehrere Wörter zu einem Satze verband. Erst dadurch wurde dem Menschen auch die Möglichkeit, sich von der unmittelbaren Anschauung loszumachen und über etwas nicht Gegenwärtiges zu berichten. - Vgl. Steinthal, Der Ursprung der S. (Berl. 1851; 3. Aufl. 1877); Lazarus Geiger, Ursprung und Entwicklung der menschlichen S. und Vernunft (2 Bde., Stuttg.1868-72); ders., Der Ursprung der S. (ebd. 1869); A. Marty, Über den Ursprung der S. (Würzb. 1875); H. Paul, Principien der Sprachgeschichte (2. Aufl., Halle 1886): O. Jespersen, Ursprung der S. (in "Tilskueren", udg. af N. Neergaard, 1892, S. 839 fg.); W. Wundt, Grundzüge der physiol. Psychologie, Bd. 2 (4. Aufl., Lpz. 1893), S. 621 fg.

Sprachfamilie, s. Sprachstamm.

Sprachfehler, s. Sprachorgane und Sprachstörungen.

Sprachgesellschaften, litterar. Gesellschaften des 17. Jahrh., die sich die Pflege der reinen deutschen Muttersprache und der edlen deutschen Poesie zur Aufgabe machten. Sie gingen keineswegs in puristischen Bestrebungen auf, sondern bemühten sich, den Sinn für sprachliche Richtigkeit, Würde und Schönheit, für vornehme wohlklingende Form in weitester Ausdehnung zu beleben. Sie haben sich dadurch große Verdienste um die feste Ausbildung der neuhochdeutschen Schriftsprache erworben. Da sie, zumal die Fruchtbringende Gesellschaft, auch viele Adlige, ja Fürsten umfaßten, so steigerten sie das Interesse der höchsten Stände an deutscher Dichtung durch das Muster ital. Akademien; von der Accademia della Crusca verführt, verzettelten sie freilich bald ihre Kraft in symbolischen Spielereien und poet. Künsteleien. Die älteste und vornehmste dieser S. war die 1617 gegründete Fruchtbringende Gesellschaft (s. d.); es folgten 1633 die Aufrichtige Tannengesellschaft Romplers und Schneubers zu Straßburg, 1643 zu Hamburg die Deutschgesinnte Genossenschaft (s. d.) Philipp von Zesens, 1644 zu Nürnberg der Pegnitzorden (s. d.), 1656 Rists Elbschwanenorden (s. d.); wenig bekannt sind die Thüringer Liliengesellschaft, der Dresdener Leopoldenorden u. s. w. - Vgl. O. Schulz, Die S. des 17. Jahrh. (Berl. 1824); H. Schultz, Die Bestrebungen der S. für Reinigung der deutschen Sprache (Gött. 1888).

Sprachgewölbe, s. Echo.

Sprachkunde, s. Sprachwissenschaft.

Sprachlaut, s. Laut.

Sprachlehre, s. Grammatik.

Sprachlinie, s. Chiffrieren, Chiffrierschrift.

Sprachlosigkeit, s. Sprachorgane.

Sprachmaschine (Sprechmaschine), ein von Wolfgang von Kempelen (s. d.) konstruierter Sprechautomat. Auch Phonograph (s. d.), Graphophon (s. d.) und Grammophon (s. d.) sind S.

Sprachorgane, diejenigen Werkzeuge des menschlichen Körpers, welche die Laute bilden, aus denen die Sprache zusammengesetzt ist, also zum Teil dieselben, welche die musikalisch bestimmbaren Töne, deren Inbegriff die Stimme genannt wird, hervorbringen. Die musikalisch bestimmbaren Töne liefern indes nur einen Bestandteil der Sprache, nämlich die Vokale (s. d.), die entweder nur aus einem einzigen Tone bestehen oder aus einem starken Grundtone, dem durch mitklingende Nebentöne die eigentümliche Klangfarbe erteilt wird, die ihn als den bestimmten Vokal erscheinen lassen. Durch die Stellung der Stimmbänder, als des tonerzeugenden Instruments, und die Stellung der Mundhöhle, als des mitschwingenden Schallraums, werden dieser Grundton und die Nebentöne hervorgebracht. Neben den Vokalen bilden die Konsonanten (s. d.) den zweiten Bestandteil der Sprache, die jedoch keine Töne, sondern nur tonlose Geräusche sind. Bei ihrer Bildung sind die Stimmbänder unbeteiligt; sie entstehen nur im Schallraume (der Mund- und der Nasenhöhle), und ihre Mannigfaltigkeit wird erzeugt durch die gegenseitige Stellung des Gaumens, der Zunge und der Zähne. Man kann demnach die Sprache als ein musikalisches Verständigungsmittel auffassen. (S. Sprache.) Über die Bildung der Sprachlaute durch die S. s. Laut. Fehlerhafte Bildung der S., abnorme Innervation der betreffenden Muskulatur sowie Mangel an Intelligenz oder Willenskraft sind die Ursachen der verschiedenen Sprachfehler, unter denen das Stammeln (s. d.) und Stottern am häufigsten sind. (S. Sprachstörungen.) Hochgradige Verstümmelung der artikulierenden S., angeborener oder frühzeitig erworbener Defekt des Gehörs und gewisse Erkrankungen des nervösen Centralorgans führen zur Sprachlosigkeit oder Stummheit (Alalie), die nur selten heilbar ist. Als häufigste Form der Stummheit ist die auf angeborener Taubheit beruhende Taubstummheit (s. Taubstumm) zu bezeichnen. - Vgl. Merkel, Anatomie und Physiologie des menschlichen Stimm- und Sprachorgans (2.Aufl.,Lpz. 1863); ders., Physiologie der menschlichen Sprache (ebd. 1866). S. auch die Litteratur zum Artikel Laut.

Sprachphilosophie, s. Sprachwissenschaft und Allgemeine Grammatik.

Sprachphysiologie, s. Laut.

Sprachreinigung, das Bestreben, fremde Bestandteile aus der Sprache auszuscheiden und durch entsprechende Ausdrücke der eigenen Sprache zu ersetzen. Wird dieses Bestreben übertrieben, so nennt man es Purismus. Die Puristen oder "Sprachfeger" wollen alles Fremde unterschiedslos verbannt wissen. Die besonnene S. richtet sich im Deutschen nur gegen die ersetzbaren Fremdwörter. (Näheres s. Fremdwörter und Deutscher Sprachverein.)

Sprachrohr, ein von Morland (1670) erfundenes trichterförmiges Rohr, das beim Hineinsprechen die Stärke und Tragweite der menschlichen Stimme beträchtlich erhöht. Lambert stellte eine Theorie des S. auf, die sich auf die unzutreffende Annahme gründet, daß die Schallwellen genau wie die Lichtwellen reflektiert werden. Schon Newton war darüber besser unterrichtet. Die Wirkung des S. beruht wahrscheinlich vorzugsweise auf Beugung und Resonanz. Von diesem S. verschieden sind die ebenfalls S. genannten Kommunikationsrohre, wie sie in ausgedehnten Geschäften dem mündlichen Verkehr zwischen getrennt liegenden Zimmern dienen.

Sprachstamm oder Sprachfamilie, die Gesamtheit mehrerer aus einer Grundsprache abzuleitender Sprachen, wie man z. B. von dem indogerman. und dem semitischen S. spricht. Die einzelnen, zusammen den Stamm bildenden Sprachen nennt man miteinander verwandt und bezeichnet dem entsprechend z. B. die griech. und lat. Sprache, die beide zur indogerman. Familie gehören, als Schwestersprachen. Eine von einer ältern Sprachfamilie abstammende jüngere Form heißt Tochtersprache, z. B. das Italienische im Verhältnis zum Latein. Bisweilen unterscheidet man Sprachfamilie als eine enger zusammengehörige