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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Stengelbrand – Stenographie

Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Stengel (Karl)'

«Das Staatsrecht des Königreichs Preußen» (Freib. i. Br. 1894) und gab das «Wörterbuch des deutschen Verwaltungsrechts» (2 Bde., ebd. 1889–90; 1. Ergänzungsband 1892) heraus.

Stengelbrand, soviel wie Roggenstengelbrand, s. Brand (des Getreides).

Stengelgläser, s. Glaskunstindustrie und Flügelgläser.

Stengelglieder, s. Stamm.

Stengen, die Verlängerungen der Masten, die an diesen in die Höhe geschoben werden und die obern Rahen (s.d.) tragen. An den Masten werden sie mit ihrem Fuße durch ein Balkengerüst, die Salings (s. d.) sowie am Topp der Masten durch das Eselshaupt (s. d.) gehalten. Man hat drei S. übereinander, die untern heißen Vor-, Groß- und Kreuz- Marsstengen, die nächsten mit denselben unterscheidenden Vorsetzungen Bramstengen und die obersten, die jedoch meist mit den mittlern aus demselben Stück bestehen, Oberbramstengen. S. streichen bedeutet das Herabfieren (s. Fieren) der S., was mit einem starken Takel, dem sog. Stengewindereep-Gien geschieht, nachdem die Stengewanten gelöst und das Schloßholz (s. Salings) herausgezogen ist. Dies Manöver wird ausgeführt, wenn man bei schwerem Sturm oder im Gefecht die Takelung verkleinern will.

Stenochrǒmie (grch.) nennt O. Radde in Hamburg ein Verfahren, nach Art des Mosaikdrucks (s. d.) auf einer für diesen Zweck konstruierten Presse Abzüge in Farben mit einmaligem Druck durch schablonenartig zusammengesetzte pastöse Farbenkörper zu reproduzieren. J. Greth in Charlottenburg nennt das von ihm weiter ausgebildete, indessen nicht lebensfähige Verfahren Grethostenochromie.

Stenográmm (grch.), eine stenogr. Niederschrift (s. Stenographie).

Stenograph (grch.), Geschwind-, Kurz-, Schnellschreiber, jeder, der ein Kurzschriftsystem (s. Stenographie) gelernt hat, im engsten Sinne derjenige, der die Fertigkeit besitzt, Reden wortgetreu niederzuschreiben und wiederzugeben, so vor allem die Parlamentsstenographen, bei den Parlamenten offiziell angestellte S.

Stenogrăphie (grch., d. i. Engschrift), eine Schriftart, die eigene kurze, schreibflüchtige und verbindungsfähige Zeichen für die Buchstaben des Alphabets sowie besondere Regeln für die Abkürzung von Silben und Wörtern oder auch Sätzen bietet und dazu dient, das Schreibgeschäft gegenüber der gewöhnlichen Schrift abzukürzen und dadurch zu erleichtern, besonders aber es ermöglicht, die lebendige Rede wortgetreu wiederzugeben. Dafür üblich sind auch die Bezeichnungen: Kurzschrift, Schnellschrift, Tachygraphie oder Geschwindschreibekunst, Phonographie oder Lautschrift, Redezeichenkunst. Für das viel schreibende Publikum ist sie, da sie im Vergleich zur Kurrentschrift nur den vierten Teil an Zeit und Raum erfordert, ein sehr nützliches Erleichterungsmittel und setzt zu ihrer Erlernung eine höhere Bildung nicht voraus. Zum berufsmäßigen Nachschreiben von Reden indessen gehört, sollen die Leistungen allen Anforderungen entsprechen, neben besonderer stenogr. Gewandtheit, schneller Auffassungsgabe, scharfen Sinnen und, bei langandauernder Arbeit, starken Nerven ein möglichst umfassendes allgemeines Wissen. Deshalb werden in den Parlamenten fast ausschließlich akademisch gebildete Leute als Stenographen verwendet. Allgemeiner eingebürgert ist sie in England, ↔ Nordamerika, Frankreich, Deutschland, Österreich-Ungarn, Italien und in der Schweiz. Ein Mittel zum mündlichen Gedankenaustausch verschiedenen Nationen angehöriger Stenographen bieten die 1887 in London begründeten internationalen Stenographenkongresse (der 6. in Stockholm 1897).

Geschichtliches und Systematisches. (Hierzu Tafeln: Stenographie I. II.) Die ältesten Vorläufer der S. finden sich bei den Römern unter dem Namen Tironische Noten (s. d. und Taf. I,1, 2, 3). Von einer griechischen Kurzschrift stammen die ersten sichern Nachrichten aus dem 2. Jahrh. n. Chr. Aus ihr entwickelte sich im 10. Jahrh, eine Silbentachygraphie (4), die, als zu weitschweifig, eine allgemeinere Verbreitung nicht gefunden hat.

Das Geburtsland der neuern S. ist England. Hier gab die Einführung der Reformation und der Wunsch, die bedeutendern Kanzelreden aus jener Zeit möglichst wortgetreu aufzubewahren, den ersten kräftigen Anstoß zur Entwicklung der Kurzschrift (shorthand). Timothy Bright 1588 wird als der erste Begründer eines Kurzschriftsystems gefeiert, John Willis 1602 aber stellte zum erstenmal ein stenogr. Alphabet auf. Sein System ist, gleichwie die nachgenannten, ein geometrisches, d. h. ein solches, bei dem nur die einfachsten geometr. Elemente, nämlich Punkt, gerade Linie, Kreis, Ellipse und Teile der beiden letztern zur Bildung der Buchstabenzeichen verwendet sind, im Gegensatz zu den graphischen Systemen, die ihre Zeichen aus Teilen der gewöhnlichen Buchstaben bilden und dadurch geläufige, der Richtung der schreibenden Hand entsprechende Züge erzielen. Zur besondern Geltung kam das geometr. Princip durch Byrom 1767. Eine weitere Verbreitung fand erst das auch für die spätern engl. und franz. Systeme maßgebend gewordene, ebenfalls geometr. System von Samuel Taylor 1786 (5), der den an- und auslautenden Vokal zwar durch alleinstehende Punkte, den inlautenden Vokal aber gar nicht bezeichnete. Die durch den letztern Umstand hervorgerufene schwere Lesbarkeit der Schrift veranlaßte Isaac Pitman (s. d.) 1837 (6) wieder zur vollen Vokalbezeichnung zurückzukehren. Er verwendet dazu den Punkt, eine kleine wagerechte Linie und kleine Haken in verschiedener Stellung und Stärke. Seine Rechtschreibung ist eine rein lautgemäße (phonetische, daher Phonography), befreit von allen Absonderlichkeiten der engl. Orthographie. Verwandte Laute wie d und t, d und p, v und f, j und ch haben dasselbe Zeichen, nur wird letzteres für den weichen Laut stark, für den scharfen Laut schwach gezeichnet. Pitmans Kurzschrift ist zur Zeit in England die verbreitetste und auch in Nordamerika, teilweise in umgearbeiteter Gestalt, am meisten in Aufnahme. Es sind bisher über 200 Systeme von Engländern aufgestellt worden. Der Kampf der graphischen (Skript- oder Kursiv-) Systeme gegen die geometrischen ist neuerdings, nicht ohne einigen Erfolg, wieder aufgenommen worden.

In Frankreich fand das Taylorsche System durch Bertin 1792 Eingang und wurde durch Prévost 1820 und dessen Schüler Delaunay in der Richtung auf sicherere Lesbarkeit und vollkommenere Anpassung an die franz. Sprache verbessert. Die weiteste Verbreitung hat das neuere, einfachere System von Duployé 1867 (7) gefunden, und zwar besonders infolge seiner glücklichen Verwendung des Cossardschen Gedankens, Vokalzeichen aufzustellen, welche mit den Konsonanten fortlaufend zu verbinden sind.

Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 317.