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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Stiglmayer; Stigma; Stigmarĭa; Stigmatisation; Stigmatypie; Stikeen; Stil

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Stiglmayer - Stil.

Stiglmayer, Johann Baptist, Erzgießer, Bildhauer und Medailleur, geb. 18. Okt. 1791 zu Fürstenfeldbruck bei München, kam zu einem Goldschmied in München in die Lehre, ward 1810 in die Akademie der bildenden Künste aufgenommen, 1814 als Münzgraveur angestellt und 1819 nach Italien gesandt, um die Technik des Erzgusses kennen zu lernen. In Rom gründete er seinen Ruf durch den Guß der Büste des spätern Königs Ludwig I. von Bayern nach Thorwaldsens Modell. 1822 ins Vaterland zurückgekehrt, schnitt er Stempel zu Kurrentmünzen und Medaillen und ward dann zum Inspektor der königlichen Erzgießerei ernannt, in welcher Stellung er eine lebhafte Thätigkeit entfaltete. Aus seiner Werkstatt gingen folgende Güsse hervor: der Kandelaber für das vom Grafen von Schönborn in Gaibach errichtete Konstitutionsdenkmal, der auf dem Karolinenplatz in München errichtete Obelisk, Bronzethore nach Zeichnungen L. v. Klenzes für die Glyptothek und die Walhalla, das Denkmal des Königs Maximilian I. im Bad Kreuth, nach eignem Entwurf, das Monument des Königs Maximilian I. auf dem Max Josephsplatz in München, nach Rauchs Modell (1835), die Reiterstatue des Kurfürsten Maximilian aus dem Wittelsbacher Platz daselbst, nach Thorwaldsens Modell (1836), die zwölf kolossalen Standbilder der Fürsten des Hauses Wittelsbach im Thronsaal der Residenz, nach Schwanthalers Modellen, die Statue Schillers auf dem Schloßplatz zu Stuttgart, nach Thorwaldsen, die Standbilder Jean Pauls in Baireuth, Mozarts in Salzburg, des Markgrafen Friedrich von Brandenburg in Erlangen, des Großherzogs Ludwig von Hessen-Darmstadt in Darmstadt, nach Schwanthaler. Das kolossalste Werk der Münchener Gießerei, dessen Guß S. aber nur in seinen ersten Teilen ausführte, war die Bavaria in München, sein letztes die Goethestatue in Frankfurt a. M. Er starb 2. März 1844 in München.

Stigma (griech., "Stich"), bei den Griechen und Römern ein Brandmal, das Verbrechern, namentlich diebischen oder entlaufenen Sklaven, eingebrannt wurde (gewöhnlich auf der Stirn); in der Botanik s. v. w. Narbe (s. Blüte, S. 69); in der Zoologie s. v. w. Luftloch (s. Tracheen).

Stigmarĭa Brongn., s. Lykopodiaceen, S. 6.

Stigmatisation, das angebliche freiwillige Auftreten der fünf Wundmale Christi bei Personen, die sich in eine schwärmerische Betrachtung seiner Leiden versenkt hatten. Nachdem der heil. Franz von Assisi (s. Franziskaner) zuerst diese Auszeichnung erhalten haben soll und die heil. Katharina von Siena wenigstens einen Ansatz dazu genommen, hat sich diese Erscheinung im Lauf der Jahrhunderte an sehr zahlreichen Personen, namentlich weiblichen Geschlechts, wiederholt, und zwar sowohl bei Nonnen als bei weiblichen Laien, und bei einigen blieb die S. eine dauernde, indem die Wundmale alle Freitage und am stärksten in der Passionszeit bluteten, was dann häufig zu Schaustellungen Anlaß gegeben hat. Insbesondere wiederholte sich die S. in Zeiten religiöser Aufregung, und in unserm Jahrhundert haben Katharina Emmerich, die Freundin Klemens Brentanos, Maria v. Mörl und insbesondere Louise Lateau in dem belgischen Dörfchen Bois d'Haine in dieser Richtung großes Aufsehen erregt. Diese Personen gaben bestimmten Verehrerkreisen Schaustellungen, indem sie theatralisch die Leiden Christi, während sie dieselben angeblich empfanden, in lebenden Bildern durchführten; daneben bekamen sie kataleptische Zufälle (Verzückungen), in denen sie unempfindlich gegen Schmerzen zu sein vorgaben, und mancherlei andre Wundergaben (vollkommenes Fasten, Empfindung der Nähe heiliger Gegenstände etc.). Das Urteil über diese Fälle hat sich zuerst naturgemäß nur in den beiden Gegensätzen: Wunder oder Betrug! kundgegeben, und in der unendlichen Litteratur, die über Louise Lateau entstand, vertrat der belgische Arzt Professor Lefebvre ("Louise Lateau", Löwen 1873) mit aller Entschiedenheit die Überzeugung, daß hier ein übernatürliches Ereignis vorliege, während Virchow u. a. es einfach als Betrug brandmarkten. In der That sind denn auch nicht wenige Fälle von sogen. S. vor den Gerichten als grober Betrug entlarvt worden. Bei der Bedeutung, welche von manchen Seiten dem Fall der Louise Lateau beigelegt wurde, ernannte die Brüsseler Akademie der Wissenschaften eine Kommission zur Untersuchung desselben, und in dem Bericht, welchen Warlomont über die Arbeiten dieser Kommission erstattet hat, wird nun auf Grund sehr sorgfältiger und den Betrug ausschließender Untersuchungen und in Übereinstimmung mit andern belgischen und französischen Ärzten die schon von Montaigne vertretene Meinung ausgesprochen, daß eine bis zur Krankheit gesteigerte Einbildungskraft das wiederholte freiwillige Bluten der irgendwie erworbenen Wunden hervorbringen könne. Außerdem bieten viele den Stigmatisierten eigentümliche Zufälle, wie die Katalepsie, Unempfindlichkeit, die Nachahmungssucht u. a., eine bedeutende Ähnlichkeit mit den neuerdings genauer untersuchten Zuständen des Hypnotismus (s. d.), welche in ähnlicher Weise durch Konzentration der Gedanken und Sinneseindrücke auf bestimmte eng begrenzte Gebiete hervorgerufen werden. Danach würde sich die S. in den Fällen, wo nicht grober Betrug vorliegt, jenen zahlreichen Erscheinungen anreihen lassen, welche mit hochgradiger Hysterie einhergehen, und bei denen Krankheit und Selbstbetrug so merkwürdig miteinander verbunden sind. Diesen Standpunkt nehmen die Schriften von Warlomont (Brüssel 1875) und Bourneville (Par. 1875) über Louise Lateau und Charbonnier ("Maladies des mystiques", Brüssel 1875) ein; aus der unübersehbaren fernern Litteratur vgl. Schwann, Mein Gutachten über die Versuche etc. (Köln 1875).

Stigmatypie (griech.), ein von Fasol in Wien erfundenes Setzverfahren zur Herstellung von Bildern durch Punkte auf typographischem Weg.

Stikeen (spr. -kihn, Stachine), Fluß in Nordamerika, entspringt auf dem Tafelland von Britisch-Columbia, durchfließt in seinem untern, schiffbaren Teil das Territorium Alaska und mündet unterm 57.° nördl. Br. in den Stillen Ozean. An seinen Ufern wurde 1862 Gold entdeckt. Dampfschiffe befahren ihn 320 km weit.

Stil (v. lat. stilus, "Griffel", Schreibart), bezeichnet in der Litteratur die Art und Weise der sprachlichen Darstellung, wie sie sowohl durch die geistige Fähigkeit und subjektive Eigentümlichkeit des Schriftstellers als auch durch den Inhalt und den Zweck des Dargestellten bedingt wird. Da der S. also als die durch das Ganze der schriftlichen Darstellung herrschende Art, einen Gegenstand aufzufassen und auszudrücken, nicht nur von dem Inhalt des Gegenstandes, sondern auch von dem Charakter und der Bildung des Menschen abhängig ist, so hat eigentlich jeder Schriftsteller seinen eignen S., was Buffon meint, wenn er sagt: "Der S. ist der Mensch selbst" ("le style c'est l'homme même"). Die erste Forderung, die man an jede Art des Stils macht, ist Deutlichkeit und Klarheit. Die Deutlichkeit verlangt aber Reinheit der Sprache oder Vermeidung aller