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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Stroh - Strohseile.

chen das Leben; starb 19. Jan. 1857. Paul Alexandrowitsch S., geb. 1774 in Frankreich, focht mit großer Auszeichnung in den Napoleonischen Kriegen und leistete dem Kaiser Alexander Diplomatendienste. 1809 nahm er teil an der Besetzung der Alandsinseln. Hierauf war er im Türkenkrieg thätig. 1812 focht er insbesondere bei Walutina Gora und bei Borodino, weniger erfolgreich bei Malojaroßlawez. 1814 nahm er teil an den Schlachten bei Craonne und Laon. Der Schmerz um den Verlust seines Sohns, welcher bei Craonne fiel, beugte ihn so sehr, daß er auf einer Seereise 1817 starb. Der älteste Sohn des Grafen Grigorij Alexandrowitsch, Graf Sergei, geb. 1795, General der Kavallerie, bis 1835 Gouverneur von Riga und Minsk, dann bis 1847 Kurator des Universitätsbezirks von Moskau, erwarb sich als Besitzer eines Teils der von seinen Vorfahren angelegten Salz- und Hüttenwerke Verdienste um Hebung der Gewerbe, Künste und Wissenschaften und machte sich auch als russischer Altertumskenner bekannt. Seit 1857 Leiter der archäologischen Ausgrabungen, welche auf Kosten des kaiserlichen Kabinetts in verschiedenen Teilen Rußlands vorgenommen wurden, veröffentlichte er die Resultate in den "Comptes-rendus de la commission archéologique" 1860. Unter seiner Leitung erscheint auch ein "Recueil d'antiquités de la Scythie" (1866 ff.). 1859 zum Generalgouverneur von Moskau ernannt, schied er bald wieder aus dieser Stellung und wurde Kurator des damaligen Thronfolgers Nikolaus. Als solcher stand er dem jungen Großfürsten bis zu dessen Tod zur Seite. Hiernächst wurde er zum Vorsitzenden des Hauptkomitees der russischen Eisenbahnen ernannt und starb 10. April 1882 in Petersburg. Sein Bruder, Graf Alexander, war 1839-41 Minister des Innern, ward 1855 zum Generalgouverneur von Neurußland und Bessarabien ernannt und 1856 mit der Wiederherstellung von Sebastopol beauftragt. Sein Sohn Grigorij, ehemaliger Gardeoberst und seit September 1856 kaiserlicher Statthalter, war seit 1856 mit der verwitweten Herzogin von Leuchtenberg (gest. 24. Febr. 1876) morganatisch vermählt und starb 20. Febr. 1879.

Stroh, alle ihrer reifen Körner beraubten Halme und Stengel von Feldfrüchten, im engern Sinne nur die des Getreides. S. dient als Futter (chemische Zusammensetzung etc. s. Futter) und als Einstreu, außerdem benutzt man Getreidestroh als Brennmaterial (in Lokomotiven von besonderer Konstruktion), zum Decken der Dächer, zu Matten, Geweben, künstlichen Blumen, Zierarbeiten, als Packmaterial, zu Seilen, zur Darstellung von Cellulose für Papierfabrikation etc. Besonders wichtig ist die Strohflechterei (s. d.), welche langer, langgliederiger Halme von gleichmäßiger Stärke bedarf. Man benutzt das S. von Sommerweizen und Sommerroggen und baut erstern für diesen Zweck in Italien (bei Florenz), letztern im Schwarzwald, wobei man sehr dicht säet und zu gröbern Flechtarbeiten geeignete Halme aus dem gemähten reifen Getreide ausliest oder zu feinern Arbeiten das Getreide bald nach der Blüte bei trockner, heißer Witterung schneidet. Das S. muß schnell trocknen, eventuell unter Dach, und wird nun auf dem Rasen gebleicht und schließlich geschwefelt.

Strohblumen, s. v. w. Immortellen (s. d.); auch künstliche Blumen aus gehaltenem Stroh, wie sie auf Damenhüten getragen werden.

Strohelevator (Stacker, Stackmaschine), Apparat, um das von der Dampfdreschmaschine ausgedroschene Stroh zum Zweck der Errichtung eines Feimens anzuheben. Der S. besitzt als Hebevorrichtung ein endloses Kettenband, mit hervorstehenden, gekrümmten Zähnen besetzt, welches, von der Dampfmaschine betrieben, das aus den Strohschüttlern der Dreschmaschine in den Elevator gelangende Stroh anhebt. Der Apparat muß nach verschiedenen Richtungen, und um dem sich vergrößernden Feimen folgen zu können, in der Höhe stellbar sein. In Deutschland haben die Strohelevatoren keine ausgedehnte Verbreitung gefunden; in England und Ungarn sind dieselben dagegen vielfach in Anwendung.

Strohfiedel (Holzharmonika, Gigelyra, hölzernes Gelächter), das bekannte, bei den Tiroler Sängern beliebte Schlaginstrument, welches aus abgestimmten, mit Klöppeln geschlagenen Holzstäben besteht, die auf einer Strohunterlage ruhen. Wie dasselbe zum Namen "Fiedel" und "Gigelyra" kommt, ist bisher noch nicht untersucht worden. Die S. wird bereits in Virdungs "Musica getuscht" (1511) erwähnt.

Strohflechterei, die Kunst, aus Stroh (s. d.) verschiedene Gegenstände, wie Hüte, Kappen, Arbeitstaschen, Schuhe, Zigarrentaschen, feine Tressen etc., durch Flechtarbeit herzustellen. Diese Kunst, etwa seit Anfang dieses Jahrhunderts in Italien blühend, hat sich von dort auch über andre Länder verbreitet. Das zur Flechtarbeit bestimmte Stroh stammt von einer besondern Sorte Sommerweizen (Marzolano) oder Sommerroggen (s. Stroh) und wird nach dem Bleichen nach den Knoten in 20-24 cm lange Stücke geteilt, die man von neuem bleicht und sehr sorgfältig sortiert. Das sehr feine italienische Stroh wird in ungespaltenen Halmen verarbeitet und dann flach gepreßt; das minder feine Stroh andrer Länder wird mittels eines Werkzeugs (Strohspalter) mit sternförmig gestellten Schneiden in 7-15 Streifen (Zähne) gespalten. Aus 11-13 solchen Streifen werden zunächst lange Tressen geflochten, die man nach dem Waschen und Pressen mittels einer feinen Naht zu Hüten etc. zusammenfügt. Das fertige Stück wird abermals gewaschen, gebleicht und zuletzt geglättet. Die feinsten Strohflechtereien liefert Toscana, von wo auch viele Tressen und sortiertes Stroh ausgeführt werden. In Vicenza werden ebenfalls sehr feine, bei Mantua und Lodi aber geringere Waren hergestellt. Die Schweiz liefert den italienischen nahekommende Tressen in Freiburg, geringere in Aarau, Glarus, Genf. Ebenso hoch steht die Industrie in Belgien, während Frankreich nur gröbere Landware zu erzeugen scheint. In England sind Bedford, Hertford, Bux Hauptsitze der S. In Deutschland blüht diese Industrie in Sachsen, im Schwarzwald, auch in den schlesischen Webereidistrikten und vor allem in Lindenberg bei Lindau, wo sie schon 1765 bestand. Böhmen, Tirol und Krain liefern geringere Tressen. Die Tressen bilden überhaupt die gewöhnliche Handelsware, welche in allen größern Städten in den sogen. Strohhutfabriken vernäht wird.

Strohmänner nennt man bei Aktiengesellschaften diejenigen, welche als Bevollmächtigte mit offener oder verdeckter Vollmacht, als Borger oder Mieter von meist aus den Depots von Bankiers entliehenen Aktien neben wirklichen Aktionären in den Generalversammlungen der Gesellschaft erscheinen.

Strohrost, s. Rostpilze, S. 989.

Strohschüttler, s. Dreschmaschine, S. 139.

Strohseile werden mit der Hand oder auf Strohseilspinnmaschinen dargestellt, die eine eigentümliche Konstruktion besitzen oder den Watermaschinen nachgebildet sind. S. dienen in der Landwirtschaft, in der Metallgießerei zur Kernbildung, zum Umhüllen von Dampfleitungsröhren, als Packmaterial etc.