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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Stroh - Strohverarbeitung

Stroh, im allgemeinen alle durch Dreschen ihrer Körner beraubten Halme, Ranken und Stengel reif gewordener Feldfrüchte, im engern Sinne jedoch nur die der Cerealien. Letzteres S. wird sowohl zum Füttern, als namentlich zur Einstreu verwendet. Der Roggen giebt das beste Schüttenstroh, welches wegen seiner Länge und Zähigkeit vorzugsweise zu Strohdächern und Strohseilen genommen wird; das Weizenstroh wird im Bauwesen zu den Klaiberarbeiten für die Windelböden, beim Ausfachen der Fachwerkwände und als Zusatz zum Lehm beim Lehmpisé verwendet. Das beste Futterstroh liefern die Hülsenfrüchte, ferner Gerste, Hafer, Rübsen u. s. w. Das S. der Getreidearten ist arm an Eiweiß (2-5 Proz.) und Fett (1,2-5 Proz.), dagegen reich an stickstofffreien Stoffen (30-50 Proz.) und Rohfaser (40-55 Proz.), wogegen das S. der Hülsenfrüchte, das besonders als Schaffutter ausgenutzt wird, reicher ist an Eiweiß (5-10 Proz.), dagegen ärmer an den übrigen Nährstoffen; im allgemeinen ist das S. bei der Fütterung wichtig zur Lieferung der stickstofffreien Nährstoffe des Futters, über die technische Verarbeitung des S. s. Strohverarbeitung.

Strohblumen, s. Immortellen.

Strohdach, mit Stroh gedecktes Dach (s. Dachdeckung).

Strohdünntuch, ein seidenes Gazegewebe, in das einfache Muster von feinen Strohstreifen einbroschiert sind.

Strohelevator, bei Dampfdreschmaschinen (s. Dreschmaschinen) die zur Aufstapelung des Strohes verwendete Maschine.

Strohfenchel, Pflanze, s. Foeniculum.

Strohfiedel, auch Holz- und Strohinstrument, Xylophon, Gigelyra, ein namentlich in Tirol beliebtes Schlaginstrument, das aus 16-20 nach der Tonleiter abgestimmten Stäbchen von trocknem Tannenholz besteht, die nach ihrer Größe auf zwei gedrehten Strohseilen befestigt sind und mit zwei hölzernen Schlägeln, wie das Hackebrett (s. d.), geschlagen werden. Obgleich seit dem 15. Jahrh. bekannt, wurde die S. erst von Iwan Gusikow (gest. 21. Okt. 1837 in Aachen), der sie bedeutend vervollkommnete, unter dem Namen Holzharmonika zu Konzertvorträgen angewandt.

Strohflechtschulen, Fachschulen für den Unterricht in den verschiedenen Arten der Strohflechterei. In Baden, wo die Strohflechterei seit Mitte des 18. Jahrh. im Schwarzwald eine bedeutende Hausindustrie bildet, bestehen 14 S. mit 14 Lehrkräften und über 700 Schülern. Unterrichtet wird nur im Winter; aufnahmefähig sind Kinder vom 6. Jahre an. Die Lehrergehalte werden zur Hälfte vom Staat, zur Hälfte von den Gemeinden bezahlt. In Sachsen bestehen S. zu Altenberg, Dippoldiswalde und Geising (seit 1830). Die Schulen sind städtisch, weibliche Lehrkräfte unterrichten in 4-7 Stunden täglich Schulkinder und weibliche Erwachsene. Die jährliche Frequenz beträgt zwischen 60 und 90 Schülern pro Schule, darunter zwei Drittel Mädchen. Auch Hessen hat einige S.

Strohgeflechte, Strohgewebe, s. Strohverarbeitung.

Strohhutflechterei, die Herstellung der Strohhüte. Das beste Material dafür ist das toscan. oder florentin. Stroh. Nachdem die Halme gewaschen und an der Sonne oder mit Chlor gebleicht sind, werden die Knoten herausgeschnitten. Die entstandenen Halmteile, von denen die längsten für die Strohgewebe bestimmt sind, werden dann der Länge nach gespalten (s. Strohverarbeitung). Die so entstandenen Streifen oder bei ganz groben Hüten auch die ungespaltenen Halme werden zu schmalen Bändern zusammengeflochten, die man durch Schwefeln sowie durch Pressen zwischen Walzen appretiert, worauf sie in Spirallinien zu Hüten zusammengenäht werden, deren Form durch Steifen und Bügeln vollendet wird. An der Herstellung der zur Strohhutfabrikation erforderlichen Geflechte hat sich neuerdings China stark beteiligt, dessen Ware der europäischen wegen des geringen Preises erhebliche Konkurrenz macht. Seit 1884 erscheint die "Strohhut-Zeitung" (Dresden-Blasewitz).

Strohinstrument, s. Strohfiedel.

Strohmosaik, Strohseil, Strohseilspinnmaschine, Strohspalter, s. Strohverarbeitung.

Strohstoff oder Strohzeug, die durch Kochen mit Laugen gelösten und auf Holländern und Raffineuren zerteilten Strohfasern, welche in der Papierfabrikaton als wohlfeiler Ersatz der Lumpen Verwendung finden. Die aus S. hergestellten Papiere stehen an Güte und Brauchbarkeit nicht erheblich gegen die Papiere aus Leinenhadern zurück; die bessern Sorten dienen als Schreibpapier. Allem aus S. verfertigten oder mit demselben vermengten Papier ist eine größere Härte und ein hellerer Klang sowie eine oft unerwünschte Durchlässigkeit eigen. Die Qualität des Papiers wird durch Zusatz von Espartofaser zum S. verbessert.

Strohverarbeitung, die technische Verwertung der Getreidehalme, besonders des Roggens, der Gerste, des Weizens, des Hafers und des Reises. Abgesehen von ihrer Verwendung in der Landwirtschaft und zur Dachdeckung dient das Stroh als Material für Gewebe und Flechtarbeiten, zur Herstellung von Besen und Bürsten, als Rohstoff der Papierfabrikation (s. Strohstoff), als Polstermaterial, als Verpackungsmittel u. s. w. Für Gewebe und Flechtarbeiten wird das Stroh, und zwar ausschließlich Weizen- oder Roggenstroh, besonders gesammelt, indem man die Halme vor der Reife abschneidet, sorgfältig vor dem Brechen und Knicken schützt, an der Sonne, auch durch Schwefel oder Chlor bleicht und dann nach der Stärke sortiert. In Italien baut man für diese Zwecke eine besondere Art von Stroh, Marzolano, welches von einer durch dünne und biegsame Halme ausgezeichneten Varietät des Sommerweizens (grano marzuolo, d. i. Märzsaat) stammt. Für feinere Flechtarbeiten wird das Stroh gespalten und heißt dann fälschlich Reißstroh. Aus Stroh fertigt man Körbe, Teller, Geflechte zum Reinigen, Schnüre, Stuhlsitze, Rouleaux, künstliche Blumen, Mosaikarbeiten, namentlich aber Hüte.

Nach dem Bleichen und Trocknen werden die Halme zwischen den Knoten in Stücke zerschnitten. Die Teile zwischen der Ähre und dem ersten Knoten sind die längsten (24-30 cm) und eignen sich am besten für Strohgewebe, während die übrigen Teile geflochten werden. Für die feinsten Waren müssen die Halme in möglichst gleichmäßige Streifen (von 0,8-1,5 mm Breite) geteilt werden, was gewöhnlich mittels des Strohspalters, eines kleinen stählernen Werkzeugs, geschieht, das an einem kegelförmigen Schaft 3-10 strahlenförmig angeordnete scharfschneidige Blätter trägt, indem man die Spitze ins Innere des Halms steckt und letztern erst so weit vorschiebt, daß der zerspaltene Anfang hinter den Schneidblättchen mit den Fingern erfaßt werden kann, worauf man den Halm rasch ganz hindurchzieht. Ein anderes Verfahren, welches noch gleichmäßigere Streifen er-^[folgende Seite]