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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Synthetisch – Syphilis

Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Synthesis'

synthetische Einheit (Einheit der Apperception) als Ergebnis des synthetischen Prozesses. Von viel abgeleiteterm Charakter ist das sog. synthetische Urteil, d. h. die Bildung zusammengesetzter Begriffe aus voraus gegebenen einfachern. Im synthetischen Urteil, sagt man, werde der Begriff des Subjekts (also der voraus gegebene Begriff) um ein neues, noch nicht in ihm enthaltenes Merkmal erweitert, während das analytische Urteil nur (durch Auflösung des gegebenen, zusammengesetzten Begriffs) ein in ihm schon enthaltenes Merkmal herausstellt und zum Bewußtsein bringt. Im vorher erklärten, ursprünglichern Sinne würden vielmehr alle Begriffe und Urteile ihrem wahren Ursprung nach synthetisch sein und ein Unterschied des synthetischen vom analytischen Urteil nur so festgehalten werden können, daß das erstere die ursprüngliche Begriffsbildung zum Ausdruck bringt, das letztere den gegebenen Begriff bloß auseinandersetzt. Naturgemäß wird man dann z. B. die Urteile der Mathematik synthetische nennen, sofern sie doch wohl den Neugewinn einer Erkenntnis, nicht bloß die Explikation einer solchen, die man schon hatte, bedeuten wollen. Kants Frage nach der Möglichkeit (d. h. Begründung) synthetischer Urteile a priori bedeutet hiemach eigentlich die nach dem letzten, notwendig synthetischen Ursprung der Begriffe und der Erkenntnis selbst. – In anderm Sinne heißt synthetisches Verfahren dasjenige, welches von den voraus gegebenen Gründen zu den Folgen, vom Allgemeinen zum Besondern und Einzelnen, vom Gesetz zu den Erscheinungen deduktiv fortschreitet, analytisch das umgekehrte, also induktive Verfahren. (S. Sprachunterricht.) Diese Bedeutung ist von der vorigen gänzlich verschieden: nach Kants Begriffen wenigstens würde das analytische Verfahren vielmehr eminent synthetisch, das synthetische größernteils analytisch sein.

Synthetisch (grch.), zusammensetzend, verbindend, s. Synthesis.

Synthetische Chemie, der Teil der Chemie, der von dem künstlichen Aufbau chem. Verbindungen aus einfachern und aus den Elementen handelt. In der Entwicklung der Chemie wird im allgemeinen der Zeitraum seit Ende der fünfziger oder Anfang der sechziger Jahre des 19. Jahrh. als Periode der S. C. bezeichnet, wo die künstliche Herstellung organischer Verbindungen das Hauptinteresse der Chemiker in Anspruch nahm.

Synthetische Methode, s. Methode.

Synthetische Sprachen, s. Sprachwissenschaft.

Synthetisches Urteil, Synthetisches Verfahren, s. Synthesis.

Syntonin, Acidalbumin oder Parapepton, entsteht bei der Auflösung von Myosin und Muskelfibrin, von nicht koagulierten Albuminen und von Blutfibrin in Salzsäure. Durch Neutralisieren der Lösung mit Alkalien fällt es in Flocken, welche sich leicht in verdünnter Salzsäure und Alkalien lösen. Es ist im Magensaft leicht löslich und spielt bei der Magenverdauung eine wichtige Rolle.

Syphax, König der Massäsylier im westl. Numidien, stand im zweiten Punischen Kriege zuerst auf seiten der Römer, wurde aber bald nachher, angeblich dadurch, daß Hasdrubal ihm seine dem Masinissa verlobte Tochter Sophonisbe zum Weibe gab, wieder auf die Seite der Karthager gezogen. Als Scipio von Sicilien nach Afrika übergesetzt war, griffen 203 Hasdrubal und S. sein Lager an; sie ↔ wurden aber zurückgeschlagen, S. kam durch Masinissa in röm. Gefangenschaft. Er wurde nach Italien gebracht und starb dort im Gefängnis.

Syphilis, venerische Krankheit, Lustseuche (Lues venereae), eine ansteckende specifische Infektionskrankheit von langsamem Verlauf, die im wesentlichen aus einer von der Infektionsstelle ausgehenden, allmählich den ganzen Körper durchdringenden Vergiftung besteht, die sich in Form eigenartiger, leichterer und schwererer entzündlicher Prozesse in den verschiedensten Geweben und Organen kundgiebt; sie ist die weitaus wichtigste und gefährlichste der ansteckenden Geschlechtskrankheiten. Die Ursache der S. ist zweifellos ein Mikroorganismus, wenn auch der Nachweis einer bestimmten Bakterienart als Ursache der S. mit Sicherheit noch nicht erbracht wurde. Die von Lustgarten beschriebenen Syphilisbacillen scheinen mit ungefährlichen, im Sekret der Vorhaut (Smegma) häufig vorkommenden Bakterien identisch zu sein. Die S. entsteht stets durch Ansteckung, und zwar fast allein durch innige Berührung eines gesunden Körperteils mit einem kranken, also zumeist durch Beischlaf, sehr selten in anderer Weise, z. B. durch Kratzen mit den von Syphilisgift beschmutzten Nägeln, durch Berührung von Gegenständen, die durch das Sekret syphilitischer Geschwüre beschmutzt worden sind u. dgl.

Hinsichtlich der Krankheitserscheinungen lassen sich bei der S. drei verschiedene Formen unterscheiden:

  • 1) die primäre S. oder der harte Schanker, die an der Stelle der stattgehabten Ansteckung sich entwickelnde örtliche Affektion;
  • 2) die sekundäre S., die durch den Übertritt des syphilitischen Giftes in das Blut und in die Gewebe des Körpers entstehenden Allgemeinerscheinungen, besonders Haut- und Schleimhauterkrankungen;
  • 3) die tertiäre S., die oft erst nach Jahren und noch später auftretenden Erkrankungen der Knochen und innern Organe.

Die beiden letztgenannten Formen pflegt man wohl auch als konstitutionelle S. zu bezeichnen, weil bei ihnen nicht mehr ein einzelnes Organ, sondern der ganze Körper von dem Gift durchseucht ist.

Der gewöhnliche Verlauf der S. ist nun der, daß sich drei bis vier Wochen nach erfolgter Ansteckung an der Stelle, wo die Ansteckung stattfand, also in der Regel an den Geschlechtsteilen, ein kleines, vom Kranken oft übersehenes Bläschen oder Knötchen bildet, das sich bald verhärtet und in ein unreines mißfarbiges Geschwür mit knorpelharten Rändern umwandelt (harter oder indurierter Schanker, Ulcus durum, auch wohl als primär-syphilitisches Geschwür, syphilitischer Primäraffekt oder Initialsklerose bezeichnet). Das primär-syphilitische Geschwür läßt sich nicht auf bereits sekundär Erkrankte überimpfen, sondern nur auf Gesunde und erzeugt bei diesen dann wieder konstitutionelle S. Gleichzeitig mit dem harten Schanker stellen sich schmerzlose, nur selten in Eiterung übergehende Anschwellungen der Leistendrüsen (indolente Bubonen), bald auch der Lymphdrüsen des übrigen Körpers ein, und während das Schankergeschwür unter geringer Narbenbildung abheilt, treten etwa zwei Monate nach der Ansteckung auf der Haut rotfleckige, schuppige oder knotige Ausschläge (syphilitische Exantheme oder Syphiliden) auf.

Die Form der syphilitischen Hautaffektionen ist außerordentlich mannigfaltig; bald sind es rote halblinsengroße runde Flecken, die nach längerm Bestehen eine schmutzige braunrote Färbung annehmen