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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Traubenzucker; Trauer

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Traubenzucker - Trauer.

Traubenzucker (Krümel-, Stärke-, Kartoffel-, Obst-, Honigzucker, Glykose, Glukose, Dextrose) C6H12O6 ^[C_{6}H_{12}O_{6}] findet sich im Pflanzenreich, fast stets begleitet von Levulose (Fruchtzucker) oder Rohrzucker, sehr verbreitet, besonders in süßen Früchten (kristallisiert im gedörrten Obst, in Rosinen, auf welchen er oft als weißer Beschlag erscheint), auch im Honig, im tierischen Organismus normal im Dünndarminhalt und Chylus nach dem Genuß stärkemehl- und zuckerhaltiger Nahrung, in der Leber des Menschen und der Säugetiere, im Lebervenenblut, im Harn schwangerer Frauen, in der Amnion- und Allantoisflüssigkeit der Rinder, Schafe und Schweine, pathologisch im Harn bei Zuckerruhr und nach Reizung und Verletzung des verlängerten Marks. T. entsteht aus den übrigen Kohlehydraten (am leichtesten aus Rohrzucker) bei Einwirkung eigentümlicher Fermente oder verdünnter Säuren (daher in Bier- und Branntweinwürze) und bei der Spaltung der Glykoside. Dargestellt wird T. aus Most, indem man denselben durch Kreide entsäuert, mit Blut klärt und verdampft; viel mehr T. aber wird aus Kartoffelstärke dargestellt und als feste Masse, gekörnt, als Sirup (Stärkesirup, Kartoffelsirup) oder als zähflüssige Masse (sirop impondérable, weil er nicht mit dem Saccharometer gewogen werden kann) in den Handel gebracht. Man erhitzt Wasser mit etwa 1 Proz. Schwefelsäure zum Kochen, trägt die mit Wasser zu einer milchigen Flüssigkeit angerührte Stärke unter lebhaftem Umrühren ein und kocht, bis das zuerst gebildete Dextrin vollständig in T. umgewandelt ist (bis 1 Teil der Flüssigkeit mit 6 Teilen absolutem Alkohol keinen Niederschlag mehr gibt). Bei Zusatz von etwas Salpetersäure soll die Umwandlung viel schneller erfolgen. Zur Beseitigung der Schwefelsäure neutralisiert man mit Ätzkalk, Kreide oder Marmor oder kohlensaurem Baryt, zapft die Flüssigkeit von dem abgelagerten unlöslichen schwefelsauren Kalk oder Baryt ab, verdampft sie bis 15 oder 16° B., filtriert über Knochenkohle und verdampft den Sirup (meist in Vakuumapparaten) bis 30° B. (Stärkesirup) oder bis zur Kristallisation. Läßt man die kristallisationsfähige Masse in Fässern oder Kisten vollständig erstarren, so erhält man ein sehr unreines Produkt (Kistenzucker, Blockzucker). Zur Gewinnung eines reinern Produkts preßt man die in Kristallisation befindliche Masse in starken hydraulischen Pressen (Preßzucker), um den Sirup abzuscheiden, schmelzt wohl auch den gepreßten Zucker (hart kristallisierter Zucker), oder man läßt aus der weniger stark eingekochten Masse den Sirup von den Kristallen abfließen und trocknet letztern auf Gipsplatten in der Trockenstube. 1 Ztr. Stärke liefert etwa 1 Ztr. Zucker oder 1,5 Ztr. Sirup. Auch Holzfaser, Flechten, Lumpen etc. geben bei Behandlung mit Schwefelsäure T.; doch kann die aus solchen Materialien gewonnene zuckerhaltige Flüssigkeit nur auf Spiritus verarbeitet werden. Der T. des Handels enthält 60-76 Proz. reinen T., 9-17 Proz. Dextrin, 11-25 Proz. Wasser, 2-7 Proz. fremde Bestandteile. Reinen T. erhält man durch Lösen von Rohrzuckerpulver in salzsäurehaltigem Alkohol und Verdampfen der Lösung zur Kristallisation. T. bildet meist warzig-krümelige, farb- und geruchlose Massen mit 1 Molekül Kristallwasser, schmeckt weniger süß als Rohrzucker (man braucht 2,5mal so viel T. als Rohrzucker, um demselben Volumen Wasser dieselbe Süßigkeit zu erteilen), löst sich in 1,3 Teilen kaltem, in allen Verhältnissen in kochendem Wasser, auch in Alkohol, dreht die Ebene des polarisierten Lichts nach rechts (daher Dextrose), erweicht bei 60°, wird bei 100° wasserfrei, schmilzt bei 146°, zersetzt sich bei 170° und gibt in höherer Temperatur Karamel. Mit Alkalien zersetzt sich die Lösung schon bei 60-70°. Eine mit Kali versetzte Traubenzuckerlösung reduziert in der Siedehitze Kupferoxydhydrat zu Kupferoxydul, Silberoxyd zu metallischem Silber. Durch Hefe zerfällt T. in Alkohol und Kohlensäure; in alkalischer Lösung vergärt er zu Milchsäure und Buttersäure, und unter gewissen Umständen tritt schleimige Gärung ein, und es bilden sich Mannit und ein gummiähnlicher Körper. T. dient in großer Menge zur Weinbereitung (beim Gallisieren), als Surrogat des Braumalzes in der Bierbrauerei, des Honigs in der Zuckerbäckerei und Lebküchlerei, zum Verschneiden des indischen Sirups und Honigs, in Mostrich- und Tabaksfabriken, zur Darstellung von Zuckerkouleur, Likören, Bonbons etc. T. wurde zuerst während der Kontinentalsperre fabrikmäßig dargestellt. Später verschwand dieser Industriezweig und gewann erst neuerdings durch das Gallisieren und die Benutzung des Traubenzuckers in Brauereien größere Bedeutung. Vgl. Wagner, Die Stärkefabrikation (Braunschw. 1876).

Trauer, die durch ein betrübendes Ereignis, namentlich durch den Verlust nahestehender oder verehrter Personen, oder durch die Erinnerung an solche Verluste (wie in den religiösen Trauerfesten um Adonis, Osiris etc.) verursachte Gemütsstimmung und deren Kundgebung nach außen. Letztere äußert sich beim weiblichen Geschlecht, bei sanguinischen Naturen, südlichen Völkern etc. in mehr lauter, aber schneller vorübergehender Klage, bei nordischen Völkern in länger nachwirkenden, aber stummen und gefaßten Gemütsbewegungen. Natürlich sind die Kundgebungen vor der aufgebahrten Leiche und am offenen Grab am stärksten, und man hatte dazu bei Natur- und Kulturvölkern bestimmte Trauergesänge, wie die von Schiller umgedichtete "Nadowessische Totenklage", das Adonis-, Linos- und Maneros-Lied der Griechen, Syrer und Ägypter. Im Orient wie bei den Slawen und im südlichen Italien werden besondere Klageweiber angenommen, die das mit Cypressen und andern Trauersymbolen geschmückte Sterbehaus mit ihrem Geschrei erfüllen. Religiöse Vorstellungen und Herkommen bedingen für den äußern Ausdruck mannigfache Verschiedenheiten. Bei den Naturvölkern gilt die Trauerverstümmelung (s. d.) als der natürliche Ausdruck des beherrschenden Gefühls, die Kulturvölker deuten durch Unterlassen jedes Putzes, Vernachlässigung der Haarpflege, Anlegen von Florstreifen etc. an, daß sie für eine gewisse, nach der Sitte bestimmte und für Frauen länger als für Männer dauernde Zeit allen Freuden der Welt abgestorben sind, weshalb auch alle weltlichen Vergnügungen, wie Theater, Bälle, Konzerte u. dgl., streng gemieden werden. In Attika dauerte die Privattrauer 30 Tage, in Sparta mußte sie bereits am 12. Tag mit einem Opfer an Demeter beendet werden; in Rom war nur den Frauen (seit Numas Gesetzgebung) eine bestimmte Trauerzeit geboten. Bei den Griechen und Orientalen, wo Bart und Haupthaar den Stolz des Mannes bilden, wurden und werden vielfach beide geschoren; doch galt anderwärts, z. B. in Rom, eine gewisse Vernachlässigung durch Langwachsenlassen ebenfalls als Trauerzeichen. In der Kleidung wurden überall bunte Farben und kokette Formen vermieden. Die Juden verhüllten den Körper mit einem groben, sackartigen, in der Mitte gegürteten Gewand und bestreuten, wie auch die Griechen (und katholischen Christen zu Aschermitt-^[folgende Seite]