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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Vire; Virement; Virgil

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Vire - Virgil

(ebd. 1875), "Beiträge zur physischen Anthropologie der Deutschen, mit besonderer Berücksichtigung der Friesen" (ebd. 1876), "Sektionstechnik" (ebd. 1876), "Gesammelte Abhandlungen aus dem Gebiete der öffentlichen Medizin und der Seuchenlehre" (2 Bde., ebd. 1879) u. s. w. Hieran reihen sich die geistvollen "Gedächtnisreden" auf Joh. Müller (Berl. 1858) und auf Schönlein (ebd. 1865); ferner eine Reihe populärer Vorträge, wie z. B. "Goethe als Naturforscher" (ebd. 1861), "Die Aufgabe der Naturwissenschaften in dem neuen nationalen Leben Deutschlands" (ebd. 1871), "Die Freiheit der Wissenschaft im modernen Staat" (ebd. 1877) u. s. w. In der von V. und von Holtzendorff seit 1866 herausgegebenen "Sammlung gemeinverständlicher wissenschaftlicher Vorträge" hat V. eine Reihe von Vorträgen, z. B. "Über Pfahlbauten und Hünengräber", "Über Nahrungs- und Genußmittel", "Über Hospitäler und Lazarette", "Über die Heilkräfte des Organismus", "Die Urbevölkerung Europas", "Menschen- und Affenschädel" veröffentlicht. V. gehört zahlreichen gemeinnützigen Vereinen an, in deren Interesse er viele Schriften, wie "Die Aufgabe der deutschen Turnerei" (Berl. 1864), "Über die Erziehung des Weibes für seinen Beruf" (ebd. 1865) u. s. w. veröffentlichte. Er war (1869) Mitbegründer und wiederholt Vorsitzender sowohl der Deutschen als der Berliner Anthropologischen Gesellschaft, deren Verhandlungen er in der "Zeitschrift für Ethnologie" (28 Bde., Berl. 1868-96) herausgiebt.

V. ist seit 1859 Stadtverordneter für Berlin und seit 1862 Mitglied des preuß. Abgeordnetenhauses (Wahlbezirk Saarbrücken, seit 1867 Berlin) sowie (1880-93) des Deutschen Reichstags. Als Parlamentarier gehörte er der Fortschrittspartei, deren Mitbegründer er war, dann der deutschfreisinnigen Partei an. - Vgl. Becher, Rudolf V. Eine biogr. Studie (Berl. 1891).

Vire (spr. wihr), 132 km langer franz. Küstenfluß in der Normandie, fließt an der Stadt V. vorüber, geht vom Einfluß der Souleuvre ab nach Westen, berührt St. Lo, bildet schließlich, schiffbar, die Grenze zwischen La Manche und Calvados und mündet unterhalb Isigny, wo ihr rechts die Aure zugebt, in die westl. Seinebai.

Vire (spr. wihr). 1) Arrondissement im franz. Depart. Calvados, hat auf 953,2 qkm (1896) 67638 E., 6 Kantone und 96 Gemeinden. 2) Hauptstadt des Arrondissements V., malerisch auf einer Höhe über der V. gelegen, an den Linien Argentan-Granville, V.-Mortain und Caen-V. (69 km) der Westbahn, hat (1896) 6267, als Gemeinde 6600 E., Gerichtshof erster Instanz, Handels- und Schiedsgericht, Gewerbe- und Ackerbaukammer, Collège, Kleines Seminar, Krankenhaus, Theater; bedeutende Fabrikation von Tuch, Wollkratzen und Papier, Handel mit Leinwand sowie dem berühmten Granit der Umgegend.

Virement (spr. wir'máng; vom frz. virer, wenden, umdrehen, das lat. gyrare), in Frankreich das Geschäft der Girobanken (s. d.), wobei die Verbindlichkeiten der Interessenten untereinander durch bloßes Ab- und Zuschreiben, nicht durch direkte Zahlung bewirkt werden. Im Finanzrecht bedeutet V. die oft ausdrücklich durch Gesetz als unzulässig erklärte Übertragung von für einen Titel im Budget bewilligten Summen auf einen andern.

Virgil oder Vergil (mit vollem Namen Publius Vergilius Maro), röm. Dichter, geb. 5. Okt. 70 v. Chr. zu Andes, einem Flecken bei Mantua, erhielt Schulunterricht in Cremona und Mailand, ging 53 nach Rom und widmete sich hier rhetorischen Studien, wandte sich aber bald der Philosophie und Poesie zu. Bereits hatte er ein kleines, scherzhaftes Gedicht in Hexametern, "Culex", verfaßt, so benannt nach der komischen Heldin desselben, einer Mücke, die von einem undankbaren Hirten, dem sie das Leben gerettet, getötet worden ist und deren Schatten nun um Beerdigung bittet. Nach einigen Jahren kehrte er in seine Heimat zurück und versuchte sich in Nachahmung Theokritischer Idyllen. Diese Gedichte, deren er vom J. 41 an u. d. T. "Bucolica", Hirtengedichte, oder "Eclogae" zehn veröffentlichte und in denen sich zahlreiche Beziehungen auf Octavian und dessen Freunde finden, verschafften ihm die Freundschaft des damals in Oberitalien befehligenden Asinius Pollio (s. d.). Diesem Umstand verdankte er, als 41 und 40 die Feldmark der Städte, die im Bürgerkriege nicht zu den Siegern gehalten hatten, und damit auch das Gütchen seines Vaters wiederholt für die Veteranen in Anspruch genommen wurde, die Rückgabe desselben oder Ersatz dafür. Den Dank V.s, zugleich mit der Freude über den 41 geschlossenen Frieden zwischen Octavian und Antonius, spricht die berühmte, dem Asinius Pollio gewidmete vierte Ekloge aus, deren Preis eines neuen goldenen Zeitalters später als Weissagung auf Christus gefaßt wurde. In den folgenden Jahren veranlaßte ihn Mäcenas, durch ein Gedicht über den Landbau der Bevölkerung Italiens Lust und Liebe zu ländlichen Beschäftigungen einzuflößen und dadurch zur Hebung des ital. Ackerbaues mitzuhelfen. V. schrieb dieses Lehrgedicht, "Georgica", in vier Büchern, während der Stürme des Bürgerkrieges zwischen Octavian und Antonius.

Nach dem Siege Octavians war die dichterische Thätigkeit V.s vorwiegend dem Ruhme des neuen Herrscherhauses gewidmet. V. war der erste Name in dem dichterischen Kreise, der sich um Mäcenas gruppierte. Auf direkte Veranlassung des Augustus und in fortwährendem Verkehr mit diesem arbeitete er, meist in Campanien lebend, bis an den Schluß seines Lebens an seinem Hauptwerk, der "Aeneis" (in 12 Büchern), dem Epos von Äneas' Irrfahrten nach der Zerstörung Trojas und von dessen unter schweren blutigen Kämpfen sich vollziehenden Ansiedelung in Italien, und damit vom Ursprung des glorreichen Julischen Hauses. Im J. 19 begab er sich nach Griechenland, traf in Athen mit Augustus zusammen und wollte nun mit diesem nach Rom zurückkehren. Doch erkrankte er zu Megara und starb auf der Rückreise 21. Sept. 19 in Brundisium. Vor seinem Tode verlangte er, da es ihm nicht gelungen war, sein Gedicht vollends auszufeilen, dasselbe solle verbrannt werden, aber die Ausführung dieses Wunsches fand nicht statt: die Freunde Varius und Tucca, denen die Manuskripte testamentarisch vermacht waren, besorgten später auf Geheiß des Augustus die Herausgabe. Der Leichnam V.s wurde bei Neapel an der Straße nach Puteoli beigesetzt. Doch ist das Grab, das man bei der Grotte des Posilipo (s. d.) jetzt zeigt, nicht das des V.

Außer den genannten Werken tragen V.s Namen noch folgende Dichtungen: "Ciris" (die Verwandlung der Königstochter Scylla in einen Meervogel ciris), in 541 Hexametern; "Copa", die Wirtin (Einladung zur Einkehr), in 19 Distichen: "Moretum",