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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Vogelmiere – Vogelsgebirge

Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Vogelleim'

Mistel (s. Viscum). Alle Teile dieses Schmarotzerstrauchs, besonders aber die weißen Beeren, enthalten einen wasserhellen, sehr zähen und klebrigen Stoff, das seiner chem. Beschaffenheit nach dem Kautschuk nahe verwandte Viscin. Dasselbe wird durch Auspressen der Beeren unter reichlichem Zusatz von Wasser ausgeschieden und stellt dann eine weiße, undurchsichtige, zähklebrige Masse, den V., dar. Eine andere Sorte von V. wird aus der Rinde der Stechpalme (Ilex Aquifolium L.) gewonnen und besteht aus einer graugrünen, stark klebenden Masse von schwachsaurem Geruch. Künstlicher V. wird aus einer Mischung von fettem Öl und Harz (Kolophonium, Fichtenharz und Rüböl) oder aus gekochtem Tischlerleim und Chlorzinklösung dargestellt; diese haben aber den Übelstand, verhältnismäßig rasch einzutrocknen und dann unwirksam zu werden.

Vogelmiere, Vogelmaierich, Pflanzenart, s. Stellaria.

Vogelmilbe (Dermanyssus avium Dug.), eine bis 1 mm lange, braunrote Tiermilbe (s. d.) aus der Familie der Gamasidae, die sich schmarotzend vom Blute verschiedener Vögel, besonders der Haus- und Stubenvögel ernährt. Am Tage hält sie sich in den Ritzen der Stallwände, in den hohlen Sitzstangen der Bauer u. s. w. versteckt, nachts peinigt sie die Vögel mit ihren Stichen. Man wirkt ihnen durch möglichste Reinlichkeit der Ställe entgegen; deckt man über das Bauer von Stubenvögeln nachts ein weißes Tuch, so setzen die Milben sich auf dieses und sind so zu entfernen.

Vogelmuscheln (Aviculidae), eine aus 30 Gattungen und aus etwa 100 lebenden, aber 1000 fossilen, vom untern Silur durch alle, marine Versteinerungen führende Schichten vorkommenden Arten bestehende Muschelfamilie mit meist sog. «Ohren», d. h. seitlichen Fortsätzen neben dem Schloß, namentlich bei der Hammermuschel (s. d.). Zu ihnen gehört die Perlmuschel (Avicula s. Meleagrina margaritifera L., s. Perlen) des Indischen Oceans und eine nahe verwandte westind. Art, neben der Auster die wichtigsten aller Muscheln, ferner die Schinkenmuschel (s. d.) und die in Schwämmen lebende Kerbmuschel.

Vogelnester, indische, s. Indische Vogelnester.

Vogelperspektive, Vogelansicht oder auch Vogelschau (frz. vue à vol d’oiseau), die Gattung der Linearperspektive (s. Perspektive), bei welcher der Gesichtspunkt sehr erhöht, mehr oder weniger senkrecht über dem darzustellenden Gegenstande angenommen wird. Sie wird meist bei ökonomischen und militär. Rissen und Zeichnungen angewendet, da es hier vorzugsweise auf Totalansichten und Flächenverhältnisse ankommt. Im 16. Jahrh. kannte man noch keine andern Prospekte als die in V., und das 17. Jahrh. ließ sie wenigstens neben den Horizontalansichten fortbestehen. Es wechseln z. B. in Merians «Topographie» beide Gattungen oder finden sich nebeneinander, so daß die Ansichten in V. die Stelle unserer jetzigen Pläne vertreten. Mit dem 18. Jahrh. hören die V. auf, und erst in neuerer Zeit hat die lebendige Anschaulichkeit dieser Gattung für gewisse Gegenstände die tote Genauigkeit des Plans verdrängt; das verdienstvollste, sehr oft nachgeahmte Werk dieser Art ist Delkeskamps «Rheinpanorama», das die wechselnde Gestalt und die Umgebung der schönen Ufer aufs anschaulichste wiedergiebt. Den Gegensatz zur V. bildet die Froschperspektive (s. d.). ↔

Vogelpfeife, kleinste Art des Flageoletts (s. d.), meist von Elfenbein, wird gebraucht, um junge Vögel pfeifen zu lehren.

Vogelsang, Fort, s. Deutsch-Südwestafrika (Geschichte).

Vogelsang, Hermann, Mineralog, geb. 11. April 1838 zu Minden, widmete sich ursprünglich dem Bergfache in Siegen und Saarbrücken, studierte in Bonn, wo er sich 1864 habilitierte, folgte jedoch bald einem Rufe an das Polytechnikum in Delft. Hier starb er 6. Juni 1874. V. hat als einer der ersten die Bedeutung mikroskopischer Untersuchungen für die Mineralogie und Geologie erfaßt. Ihm verdankt man unter anderm den Nachweis von der Gegenwart der flüssigen Kohlensäure in vielen Mineralien und Gesteinen, die genauere Kenntnis von den anfänglichsten Entwicklungsstadien der Krystallbildungen und Vorschläge zu einer neuen Klassifikation der Gesteine, welche allgemeine Beachtung fanden. Von seinen besonders erschienenen Schriften sind zu nennen das preisgekrönte Werk «Die Vulkane der Eifel, in ihrer Bildungsweise erläutert» (Haarlem 1864), «Philosophie der Geologie nebst mikroskopischen Gesteinsstudien» (Bonn 1867), «Die Krystalliten» (ebd. 1875).

Vogelsberg, s. Vogelsgebirge.

Vogelschutz, die Maßregeln gegen Verfolgung nützlicher Vögel. Ende der fünfziger Jahre wurde die Idee eines V. durch Graf Wodzicki und Gloger angeregt, dann durch eine große Anzahl von Vereinen verbreitet und endlich zum Gegenstand gesetzgeberischer und internationaler Thätigkeit gemacht. 1875 wurden zwischen Österreich-Ungarn und Italien Vereinbarungen zum Schutz der Singvögel getroffen, und auf Anregung des Kronprinzen Rudolf von Österreich wurde 1884 ein internationaler Kongreß für Regelung des V. durch den Ornithologischen Verein von Wien zusammenberufen und von fast allen Kulturstaaten beschickt. Trotzdem erreichte jene Versammlung kein befriedigendes Ergebnis. In Deutschland kam ein «Gesetz betreffend den Schutz von Vögeln» 22. März 1888 zu stande, doch entspricht es den Bedürfnissen des V. nicht vollständig, da es den Schutz einer Anzahl wichtiger Vögel (Schwalben, Spechte, Baum- und Mauerläufer u. a.) außer acht läßt und harmlose und sogar wirtschaftlich-nutzbare Vögel (Wildtauben, Dohle, Saatkrähe, kleine Wasserhühner, Feldsperling, kleiner grauer Würger und die Bussarde) auf die Liste der unnachsichtlich zu vertilgenden Vögel setzt. In Österreich haben die einzelnen Kronländer Gesetze erlassen, so Niederösterreich 28. Aug. 1889. Auch ein zweiter Ornithologenkongreß, der 1891 in Budapest stattfand, wie auch die auf Einladung Frankreichs im Juni 1895 in Paris gehaltene offizielle Konferenz behufs Einführung eines internationalen V. haben noch keine Erfolge gezeitigt.

Wirksame Maßnahmen des V. sind: 1) Anpflanzung von Gehölzen, dichten, dornigen und beerentragenden Sträuchern sowie Stehenlassen alter hohler Bäume; 2) Aushängen von Nistkästen; 3) Verfolgung aller Vogelfeinde; 4) Einrichtung von Vogelfutterplätzen; 5) gesetzliche Regelung des Vogelfangs (s. d.).

Vgl. Glogers Vogelschutzschriften (zum Teil in 13. Aufl. neu hg. von Ruß und Dürigen, 4 Tle., Lpz. 1878‒81); Ruß, Zum V. (ebd. 1882); Borggreve, Die Vogelschutzfrage (ebd. 1878); Artikel Vogelschutz im «Österr. Staatswörterbuch», Bd. 2 (Wien 1897).

Vogelsgebirge, auch Vogelsberg, Basaltgebirge Mitteldeutschlands, durch die Kinzig im S.

Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 375.